GT Legends - Vorschau, Rennspiel, PC

GT Legends
25.04.2005, Paul Kautz

Vorschau: GT Legends

GTR war gestern, morgen ist GT Legends (ab 6,99€ bei kaufen): Entwickler SimBin packt seine Simulation in die Vergangenheit und lässt legendäre Muscle Cars wie Ford Mustang oder Chevrolet Stingray auf den Rennkursen Europas wieder aufbrüllen. Wir waren zur Weltpremiere des Spiels am Hockenheimring eingeladen.

Der Hockenheimring – legendäre Rennstrecke, Traum und Albtraum endloser Piloten, ob im Formel 1-Boliden, auf dem Motorrad oder im Muscle Car. Publisher 10tacle hätte sich kaum einen geeigneteren Ort aussuchen können, um das neueste Werk seiner

Wenn der Entwickler ruft, ist die Presse nicht fern: Nach der Präsentation durften wir in den Simulatoren hinten rechts selbst Hand an GT Legends legen.
Schützlinge SimBin der Weltöffentlichkeit zu präsentieren: GT Legends. Neben reizenden Boxengirls, zwei großvolumigen Simulatoren und einem Ausflug zur Sachs-Kurve, wo wir die Qualifikation der Fahrer zum »Jim Clark Revival« verfolgen durften, gab es auch eine umfassende Vorführung des neuen Simulations-Wunderwerks.

Karrieremenschen ans Steuer!

In aller Kürze ist GT Legends wie GTR, nur besser – und mit älteren Fahrzeugen! Denn statt mit modernen Hightech-Autos tretet ihr hier mit klassischen Rennpferden der 50er, 60er und 70er Jahre an: GT 40, Corvette Stingray, Mini Cooper, Ferrari 350GTB, Porsche 911 RSR, Ford Mustang, De Tomaso Pantera und viele mehr aus den drei offiziellen FIA-Serien GTC-TC ’76, GTC ’65 und TC ’65. Insgesamt warten mehr als 90 bis zur kleinsten Schraube detailgetreu nachgebildete Rassewagen auf euch, wobei die meisten davon erst freizuspielen sind. Denn im Gegensatz zum Vorgänger gibt es jetzt einen Karriere-Modus, der Einsteiger langsam mit der komplizierten Materie vertraut macht. Ein Teil davon sind die »Cup Challenges«: In denen fangt ihr mit einem Mini Cooper sehr klein an, und rast die Karriereleiter nach oben. Auf dem Weg da hin kauft, sammelt und verkauft ihr neue Wagen, so dass ihr nach und nach über immer dickere Brummer gebietet und so das Handling der PS-Monster erlernt – das ist eine Art Entgegenkommen der Entwickler an Neulinge, die trotz des Arcade-Modus’ in GTR so ihre Problemchen hatten.

Die fünf Schwierigkeitsgrade dienen nicht nur dazu, sowohl Einsteigern als auch ausgebufften Lenkrad-Profis eine Herausforderung zu bieten, sondern sie sind auch Anreiz, immer besser zu werden. Denn die Anzahl der freispielbaren Wagen hängt direkt mit der Spielstufe zusammen: die richtig heißen Kisten gibt es erst auf dem

Zurück in die Vergangenheit: GT Legends lässt euch ans Steuer klassischer Rennwagen.
Profi-Level zu gewinnen. Als Belohnung dürft ihr dann mit diesen Boliden auch online antreten – ein Zeichen für eure Widersacher, wie weit ihr es bereits im Spiel gebracht habt. Neulinge können ihre Internet-Matches auch nach dem Schwierigkeitsgrad staffeln – eine prima Sache, um sich nicht dauernd von Profis verheizen zu lassen.

GTR stach durch eine Eigenschaft hervor: Realismus auf Teufel komm raus! Auch GT Legends wird unter diesem Credo entwickelt. Das beginnt bei der Physikengine, die nicht nur im Rennspielgenre ihresgleichen sucht. Entwickler SimBin behauptet mit stolz geschwellter Brust, dass sich jedes Auto exakt so fährt wie sein Echtwelt-Pendant – gut, das können nur die wenigsten von uns wirklich herausfinden, aber die ersten Proberunden sorgen für ein breites Grinsen auf dem Redakteursgesicht. Mit dem entsprechenden Equipment fährt sich jede Maschine grundlegend anders, immer nachvollziehbar, immer am Limit, immer herausfordernd. Der Realismus basiert nicht nur auf der engen Zusammenarbeit mit echten Fahrern und -teams, sondern auch auf der Tatsache, dass einige der Chefentwickler, u.a. der für die Physik zuständige, passionierte Rennfahrer sind – insgesamt frönen 10% der SimBin-Belegschaft privat mehr oder weniger intensiv dem aktiven Motorsport!

Dreck am Stecken

GT Legends widmet sich nicht nur dem realistischen Fahrverhalten, sondern auch dem realen Umfeld: die zehn Strecken basieren auf korrekten GPS-Daten und tausenden Fotos. Dank der »Live Track«-Technologie sieht ein Kurs zu Rennende anders aus als zum Beginn, was an vielen Faktoren liegt: Reifenabrieb, aufgewirbelter Schotter, Schmutz usw. haben deutliche Auswirkungen auf 

SimBin legt wieder höchsten Wert auf glaubwürdiges Fahrverhalten.
das Fahrverhalten und damit natürlich die Rundenzeiten. Die Entwickler haben das integriert, nachdem sie in Telemetrie-Analysen herausgefunden haben, dass der Simulator immer einen Tick schneller auf den Strecken war, als tatsächliche Wagen - das lag daran, dass vorher die Verschmutzungen noch nicht da waren, sie aber in echten Rennen unweigerlich auftreten. Solche Details heben GT Legends aus der Rennspielmasse hervor, außerdem stopft SimBin einen Riesenhaufen weiterer Kleinigkeiten ins Spiel, die auf den ersten Blick wie Quatsch klingen, in ihrer Gesamtheit aber das Spielerlebnis einfach realer erscheinen lassen: verstellbare Sitze, Auspuffgase, die ihre Dichte und Farbe je nach Motortemperatur ändern, oder Schlafaugen-Scheinwerfer bei bestimmten Autos, die nicht sofort alles beleuchten, sondern sanft von unten nach oben klappen. Außerdem werden je nach Zeitperiode authentische Reifen verwendet – in der GTC ’65 gibt es z.B. noch keine Slicks.       

Die Optik war einer der Schwachpunkte in GTR: Zwar sah das Spiel gut aus, aber man merkte deutlich, dass den Entwicklern Realismus wichtiger war als schneidige Grafik. Aber da selbst Rennpuristen bei schönen Bildern nicht nein sagen, sieht GT 

Ihr könnt euch per Maus oder TrackIR frei in den Cockpits umsehen.
Legends bereits jetzt, obwohl der Release noch einige Monate fern liegt, merklich besser aus – zwar ist auch das Spiel kein schnittiges Beauty wie z.B. NFSU2, aber damit hat das Game sowieso ungefähr soviel zu tun wie ein Kettcar mit einem Ferrari. Die Verbesserungen sind zum großen Teil subtiler Natur: Das fängt beim dynamischen Schadenssystem an, welches das Auto jetzt deutlich detaillierter auseinander nimmt, und natürlich auch entsprechende Auswirkungen auf das Fahrverhalten hat. Weiter geht es mit dem echtzeitberechneten Tag-/Nacht-Verlauf, welchen ihr bis zu 60fach beschleunigen dürft: sanft gehen Sonne und Mond auf und unter, die Schatten werden länger, Dunkelheit macht sich breit – und wenn es duster wird, gehen die bis zu 30 Lichtquellen pro Strecke an. Die beleuchten weich das Cockpit beim Vorbeifahren, welches mit hochauflösenden 3D-Instrumenten versehen ist, und in dem man sich entweder per Maus oder der TrackIR-Hardware frei umsehen kann. Auch der Fahrer ist voll animiert und mehr als nur ein Klumpen Polygone in Lenkradnähe: er schaltet korrekt, presst sich bei engen Kurven in den Sitz und gestikuliert fröhlich nach einem erfolgreichen Rennen.

Schmuckstücke

Jedes Auto besteht aus unzähligen Polygonen und ist nach den echten Blaupausen sowie unter Zuhilfenahme von jeweils mehr als 300 Fotos designt – und zwar komplett! Das sieht man besonders schön im Schauraum, dessen

Im Showroom könnt ihr einen ausführlichen Blick auf euren Wagen werfen.
spiegelnder Boden einen Blick auf die Unterseite der Wagen gestattet. Die dort sichtbaren Motorteile, Stoßdämpfer, Radaufhängungen oder Bremsbacken sind nicht nur Show, sondern allesamt den physikalischen Gesetzen unterworfen, die den Realismus des Spiels ausmachen. Soviel Detailversessenheit hat natürlich seinen Preis: Gegenwärtig sind die Hardwareanforderungen noch horrend hoch, bis zum Release gegen Ende des Jahres ist noch einiges zu optimieren. Dafür kommen jetzt auch Effekthascher auf ihre Kosten: basierend auf neuester DirectX 9-Technologie gibt es korrekt berechneten Lichteinfall, Bump Mapping für plastisch wirkende Oberflächen und mehr als 40 Shader für Glanzeffekte, Blendungen, wandernde Schatten und mehr.

Einer der bemerkenswertesten Punkte an GTR war und ist der Sound: Eine derart klanggewaltige Kulisse bietet bis heute kein Rennspiel, die röhrenden Effekte bleiben ungeschlagen. Umso schwerer wird es für SimBin, diese Meisterleistung zu toppen, aber die Runden im Simulator inklusive eingebautem Surround-System hinterließen das wohlig-schaurige Gefühl, tatsächlich hinter dem Steuer eines bulligen Muscle Cars zu sitzen: Die Entwickler haben für authentische Klänge mehrere Mikrofone an jedem Auto angebracht, sowohl innen als auch außen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Effekte aus jeder Kameraperspektive authentisch klingen – während andere Spiele mit Tricks wie höher oder niedriger gepitchten Effekte arbeiten, hat hier jede Ansicht eine eigene Soundbibliothek,

Das Fahrzeugdesign basiert auf echten Konstruktionsdaten, Fans erkennen selbst kleinste Details.
zwischen denen übergangslos gewechselt wird. Der Ehrgeiz der Soundleute ging sogar so weit, dass auch die Crashsounds authentisch sind – wenn auch nicht immer beabsichtigt: Eine schwere Kollision war rein zufällig, aber laut den Entwicklern war das entstandene Krachen und Scheppern das kaputte Auto samt der ebenfalls zerstörten teuren Mikros wert. Musikalisch orientiert sich das Game im Hauptmenü an den Rennfilmen der Siebziger Jahre, selbst der verwendete Menüfont spiegelt die damaligen Stilmittel wider.

Das Ende des Trommelfells

Singleplayertechnisch wird vor allem noch an der gegnerischen KI geschraubt – die Ideallinien-Affinität des Vorgängers soll einem individuellen Fahrstil weichen. Entwicklungsleiter Ian Bell verspricht sogar rachsüchtige Gegner: Wenn ihr einen Konkurrenten fies anrempelt, merkt er sich das – und zahlt es euch u.U. später heim, indem er besonders aggressiv gegen euch vorgeht. Kurvt ihr lieber übers Internet gegen Fahrer aus aller Welt, verspricht SimBin einen heftig optimierten Netzwerkcode, der Eintrittlags wie bei GTR der Vergangenheit angehören lässt.   

Ausblick

GTR hält mich und mein Microsoft Sidewinder-Lenkrad bis heute heftig auf Trab, mit dem Release von GT Legends dürfte der Staffelstab weitergegeben werden: Nicht nur Fans von Starsky & Hutch, sondern jeder Motorsportfreund sollte mit dem neuen SimBin-Game überglücklich werden, denn die Entwickler gehen keine unnötigen Experimente ein – stattdessen verbessern sie das Bewährte und packen es in einen spannenden neuen Rahmen. Dazu gibt es noch verfeinerte Grafik, einen brandneuen Karrieremodus, jede Menge klassischer Hobel und intelligente Spielideen inkl. Ätsch-ich-bin-weiter-als-Du-Autovorführung beim Internetgaming. Und davon mal ganz abgesehen: Ich kenne niemanden, der dem martialischen Jaulen einer Corvette Stingray widerstehen kann – könnt ihr es?