X³ Reunion - Vorschau, Simulation, 360, PC

X³ Reunion
10.11.2005, Marcel Kleffmann

Vorschau: X³ Reunion

X2 – Die Bedrohung war ein Zeitfresser sondergleichen. Kein Wunder, denn im riesigen Universum konntet ihr fast alles machen: bauen, kämpfen, forschen, handeln. Das komplexe Spiel verlangte dem Piloten jedoch einiges ab, besonders bei der Einarbeitung in den Menü-Dschungel. Am 18. November folgt der ehemals als Add-On geplante dritte Teil der X-Akten: Reunion. Läuft das Weltraum-Epos zur Hochform auf?

Augen auf, Kinnlade runter: X3 – Reunion sieht fantastisch aus. Sämtliche Raumschiffe strotzen nur so vor metallischem Glanz und kleinen Apparaturen. Ähnliches gilt für die atemberaubenden Raumstationen, deren monumentale Pracht allein einen Ausflug ins All belohnt. Bei der Gestaltung des Hintergrundes haben sich die Designer selbst übertroffen: malerische Nebelbänke, 3D-Asteroiden und

Solch eine Bombastgrafik zwingt selbst High-End-Systeme in die Knie.
riesige Planten, bei denen sich sogar die Wolken über die Oberfläche bewegen -  wow! Kein Wunder, dass das Spiel selbst High-End-Systeme zum Ruckeln bringt.

Willkommen im Weltraum

Da X3 – Reunion schon in Übersee und Großbritannien erhältlich ist, dürfen sich die deutschen Spieler auf eine optimierte Version freuen. Für Mitte November ist übrigens der nächste Patch angekündigt, der die Performance in Bezug auf die Speicherauslastung verbessern soll.

Aber Vorsicht: Der erste Eindruck war schon immer faszinierend. Spieler von X2 – Die Bedrohung kennen auch den zweiten, der weniger berauscht, denn Zwischensequenzen sowie Story sind nicht gerade die Stärken von EgoSoft. Zu abgehackt und schlecht inszeniert konnten sowohl Filme als auch Erzählung keine Begeisterung entfachen. Aber dafür lockte ein riesiges Universum zur freien Erkundung. Diese positiven und negativen Merkmale kennzeichnen auch den Nachfolger Reunion: Die Welt ist riesig und sieht klasse aus, aber ihr fehlt eine gute Dramaturgie.

Abermals schlüpft ihr in die Rolle von Julian Brennan, der als einer der wenigen erfahrenen Piloten den Konflikt mit den Khaak überlebte. Nicht ganz so standhaft war die argonische Flotte, die 70% der Streitmacht einbüßte und weiterhin ständigen Angriffen ausgesetzt ist. Kaum schwenkt die Kamera um euer Raumschiff, meldet sich ein wohl bekannter argonischer Kommandant und schickt euch auf Patrouille: Durch das Sprungtor fliegt ihr in den nächsten, vielen Veteranen bekannten Sektor, in dem eure Flügelmänner- und Frauen warten. Nach etwas Smalltalk tauchen erste Khaak-Dreiecke auf, die sich mit Waffengewalt schnell in Wohlgefallen auflösen. Weiter geht es in nächsten Bereich mit stärkeren Feindschiffen, die dank der Staffel schnell aus dem Weg geräumt sind - ein ziemlich flotter Start!

Der erste Auftrag

Ist die erste Patrouille abgeschlossen, dürft ihr an einer Station andocken und den nächsten Auftrag der Gonern annehmen: Die gläubigen Mönche wollen ein wertvolles Artefakt transportieren und ihr sollt Begleitschutz geben. Nein, nicht als Flügelmann, sondern als Schütze. Ihr sitzt also in einer kleinen Waffenkanzel auf dem großen Frachter und spielt

Die Flucht vor den Piraten führt durch eine futuristische Metropole.
Tontaubenschießen mit den ankommenden Piraten, die das Artefakt rauben wollen. Sofort entbrennt eine Verfolgungsjagd, die im Weltraum sowie zwischen Häuserschluchten auf einen Planeten ausgetragen wird. Danach überschlagen sich die Ereignisse: der Frachter flieht, wird zerstört und ihr schwebt mit einem Raumanzug bekleidet durch ein Asteroidenfeld. Ein rettendes Raumschiff ist zum Glück nicht weit. Dort angekommen wird Julian auf Vordermann gebracht und anschließend in ein krüppeliges Leihschiff gesetzt. Der Weltraum erwartet euch…

Born to be Schütze

So interessant sich dieser Auftakt anhören mag, so abgehakt und stümperhaft wurde er inszeniert: Zu viele radikale Schnitte bei Story und Schauplätzen lassen nur erahnen, was wirklich vor sich geht. Trotz der spielerisch neuen Geschützturm-Jagd stehen X-Veteranen solchen Zwischensequenzen mit Gelassenheit gegenüber, denn der Vorgänger krankte ebenfalls an ruckeligen und ungewollt komischen Ingame-Filmchen. Zwar sind die Cutscenes besser geworden als zur Bedrohungs-Zeiten, aber zur Hollywoodreife fehlt noch verdammt viel.  

Story vs. Freiheit

Sind diese Präsentations-Schwächen gravierend für den Spielspaß? Nein, sie bremsen ihn ein wenig aus, aber die motivierenden Schwerpunkte liegen woanders: im Handel, bei den Kämpfen, dem Schaffen eines gigantischen Wirtschaftsimperiums und der ständigen Verbesserung des eigenen Schiffes bzw. der Flotte – all das macht selbst ohne spannenden Plot verdammt viel Laune.

Die Raumstationen sind gigantisch und protzen mit ansehnlichen Effekten.
Und deshalb gibt es im Hauptmenü einen weiteren Spielmodus mit deaktivierter Story, bei dem ihr euch sofort ins Bildschirmall stürzen könnt.

Ihr könnt an fast jeder Raumstation in den über 100 Sektoren andocken, dort kleine Missionen annehmen oder Handel treiben. Fliegt ihr z.B. zu einem Sonnenkraftwerk, könnt ihr günstig Energiezellen kaufen, die andere Fabriken für die Produktion benötigen. Also packt ihr den Laderaum voll und verkauft den Kram zum möglichst hohen Preis. Dies geht nicht nur mit Energiezellen, sondern diversen anderen Produkten, deren Angebot- und Nachfrage sich stetig ändert. Vorbei ist die Zeit, in der ihr euch auf eine Ware spezialisieren und den Markt damit überfluten konntet - schließlich sind die Geschäftspartner irgendwann gesättigt. Ihr müsst also Ausschau halten, wo gerade entsprechende Nachfrage besteht, was mit passendem Scan-Equipment kein Problem darstellt. Im späteren Spielverlauf könnt ihr wie gewohnt eigene Raumstationen (z.B. Sonnenkraftwerk) errichten, deren Produkte mit hauseigenen Frachtern oder via Röhrensystemen zur Weiterverarbeitung gebracht werden. Durch den im Vergleich zur Bedrohung optimierten Wirtschaftskreislauf zahlt es sich in Reunion richtig aus, komplizierte Waren aus mehrstufigen Herstellungsprozessen zu zimmern, anstatt nur die Rohmaterialen zu liefern.

Angebot und Nachfrage

Keine Lust eine eigene Flotte aus Frachtern aufzubauen? Keine Lust durch Handel reich zu werden? Dann könnt ihr zu den Neben-Missionen greifen, oder ihr betätigt euch als Pirat, attackiert andere Schiffe und schnappt euch die Ladung als Beute.

Ein gut ausgebautes Raumschiff aus der Nahansicht.
Natürlich geht dabei euer Ruf bei manchen Fraktionen mächtig in den Keller, aber es gibt ja genügend unterschiedliche Parteien im X-Universum mit denen man es sich verscherzen kann.

Muss denn Handel sein?

Neben neuen Schiffe, Raketen, Torpedos & Co haben die Entwickler am Interface gearbeitet, das vor allem Einsteigern zu Gute kommt. Auffälligste Änderung: das Cockpit ist weggefallen. Stattdessen habt ihr freien Blick auf das Universum, alle weiteren nötigen Informationen sind im HUD oder diversen Menüs ersichtlich. Mittlerweile lässt sich euer Schiff gut mit der Maus steuern – ganz à la Ego-Shooter, nur etwas träger, weil ihr im Weltraum unterwegs seid. Drückt ihr einmal die rechte Taste, deaktiviert ihr die direkte Maussteuerung des Schiffes und könnt den Cursor frei im Cockpit bewegen. Schiffe oder Stationen können so angeklickt, identifiziert und im Target-Fenster angezeigt werden. Dies erleichtert die Bedienung enorm, weil ihr nicht auf die Sektorkarte angewiesen seid, um die gewünschten Objekte anzuwählen.

Interface-Verbesserungen

Gleichzeitig wurde der Menü-Dschungel entschlackt und übersichtlicher gestaltet. Hardcore-Xer, die selbst die verschachtelten Menüs im Schlaf bedienen konnten, brauchen sich nicht umgewöhnen, da ihr das alte Steuerungs-Profil aktivieren könnt. Joystick-Support darf dabei ebenso wenig fehlen wie Zeitbeschleunigung oder Autopilot, der beim Andocken an Stationen eine extrem wichtige Rolle spielt. Die Benutzerfreundlichkeit von Freelancer erreicht Reunion zwar nicht, aber im Vergleich zur Bedrohung hat sich die Lage verbessert.

Ausblick

Die Feiertage in der Weihnachtszeit sind dank X3 – Reunion gerettet: Neben einer gigantischen Hardware-Ausstattung braucht ihr für X3 hauptsächlich eines: viel Zeit! Nach der holprigen Einführung offenbart die Weltraum-Simulation eine gewaltige Freiheit. Ihr könnt fliegen wohin ihr wollt, im großen Stil Handel treiben, kämpfen, Missionen lösen oder alles zusammen – mit oder ohne Story. Ein kritischer Punkt ist die kniffelige Anfangsphase, aber wenn ihr euch dort durchbeißt, werdet ihr mit unendlichen Möglichkeiten belohnt. Die Ausmaße der Spielwelt erreichen dabei locker den Umfang eines Online-Rollenspiels; über ein solches MMORPG denken die Entwickler bereits nach. Bis zum Release muss Egosoft noch drastisch an der Performance schrauben, das Menü entschlacken und die Zwischensequenzen verbessern. Ich werde am 18. November abheben und das gesamte Universum mit meiner Flotte unterjochen. Oder doch lieber ein gewinnträchtiges Monopol errichten? Mal sehen…

Ersteindruck: sehr gut