Onimusha: Dawn of Dreams - Vorschau, Action-Adventure, PlayStation2
Als ich die ersten Trailer gesehen habe, war ich skeptisch. Das kunterbunte Kampfstakkato erinnerte mich an Devil May Cry auf Speed: sehr hohes Tempo, viele Explosionen und Kombos, die Gegner in der Luft halten. Nicht, dass ich Dantes Abenteuer nicht mögen würde, aber als Samurai-Liebhaber ging mir das fast ein Stückchen zu flott in die brachiale Actionrichtung. Hat Capcom da etwa ein pures Hack'n'Slay ohne Rätsel oder Taktik in der Pipeline? Will man die Serie einfach ausschlachten? Nein, ganz und gar nicht. Nach knapp fünf Stunden Spielzeit kann man Entwarnung geben: Das neue Onimusha bleibt trotz zahlreicher Neuerungen seinen Wurzeln treu. Produzent Yoshi Ono, der uns im ausführlichen Interview u.a. verriet, warum diesmal kein Schauspieler dabei ist, wollte zwar frischen Wind in die Reihe pusten, um nicht nur Veteranen zu unterhalten, setzt aber auf das altbekannte Spielprinzip.
Frischer Wind
Zum ersten Mal in der Reihe seid ihr knapp 80% des Abenteuers zu zweit unterwegs. Ihr könnt jederzeit auf Knopfdruck die Figuren wechseln und dem computergesteuerten Partner Befehle über das Digikreuz geben: Dann geht er aggressiv in die Kämpfe, zieht sich zum Erholen zurück, folgt euch oder nutzt eine Spezialfähigkeit. Selbst mitten im Kampfgetümmel läuft der Wechsel problemlos. Das liegt auch daran, dass die Kamera im offenen Gelände endlich freier justierbar ist; ihr könnt sogar in eine Egosicht schalten, um die Gegend zu erkunden. Nur in engen Gassen bleibt euch das Drehen verwehrt: Ab und zu gibt es dann Übersichtsprobleme, die euch blind zuschlagen lassen. Hier muss der Test noch zeigen, inwiefern sich das auf Dauer negativ bemerkbar macht.
Dynamisches Duo
Im Laufe des Spiels könnt ihr in fünf Charaktere schlüpfen, die alle mit eigener Story, eigenen Kampfstilen und Eigenschaften aufwarten: Im Zentrum steht der gehörnte Blondschopf Soki, der aufgrund seines Samuraistils am ehesten an
Samanosuke erinnert. Später kommen die flinke Ninjadame Jubei, der mit Fäusten kämpfende Roberto, die Schusswaffenexpertin Ohatsu sowie der mysteriöse Tenkai mit seinem Doppelspeer hinzu. Je nachdem, wie lange ihr mit einem Helden unterwegs seid, stärkt sich das Freundschaftsband - ab einem bestimmten Punkt kann er dann einzigartige Gegenstände für euch herstellen.Dawn of Dreams serviert euch eine üppige Charakter-Entwicklung, die an Rollenspiele erinnert: Ihr könnt jeden der fünf Helden in den drei Bereichen Angriff, Verteidigung und kritische Treffer aufwerten. Jeder dieser Bereiche bietet wiederum eine Hand voll Unterpunkte wie Attacke, Finisher, Wurf oder Tritt.
Das Schöne ist: Verteilt ihr z.B. drei Punkte auf die Attacke, öffnet sich vielleicht ein neuer Wirbelangriff, der noch mal verstärkt werden kann. So kann man sich quasi einen Helden nach Maß stricken. Allerdings dürft ihr hier nur dann Punkte verteilen, wenn ihr sie euch mit besonders elegantem Kampf und Komboketten verdient - stupides Draufloshämmern bringt auf lange Sicht nichts. Gerade das Ausprobieren neuer Angriffs- und Verteidigungstechniken sowie die Belohnung eines ausgefeilten Kampfstils dürfte auf lange Sicht unheimlich motivieren.
Die Kulisse protzt vor allem mit Eis- und Feuerzaubern sowie großflächigen Explosionen. Im Vergleich zu früheren Spielen versinkt der Bildschirm hier schon sehr früh im Rauch- und Partikelregen. Ist das zu viel des Guten? Das kommt darauf an, ob Capcom die schweren Effekt-Geschütze, die schon zu Beginn aufgefahren werden, im weiteren Verlauf noch toppen oder geschickt variieren wird. Man kann auch über das Figurendesign
und insbesondere den Beat'em Up-Stil von Roberto streiten, an dem übrigens das Street Fighter-Team mitgewirkt hat: Von hinten sieht er aus wie ein Windelträger, er trägt eine schwarze Melone und prügelt sich wie ein Boxer durch - interessant und skurril oder lächerlich und albern? Der Europäer dürfte die Fans spalten, aber ist für das Weiterkommen unverzichtbar.Fünf Helden gegen Tod & Teufel
Jeder Kämpfer ist der Schlüssel für einen bisher unerreichbaren Levelabschnitt: Die eine kann durch Löcher kriechen, der andere kann Felsen wegsprengen, sich am Kletterhaken über Abgründe schwingen oder die Stimmen der Toten nutzen, um Hinweise zu bekommen. Oftmals muss man auch über geschickten Figurenwechsel den richtigen Hebel oder Gegenstand finden, um Türen zu öffnen. Das sind die wichtigen Ruhephasen nach dem Sturm der Schwerter.
Man wird mit dem richtigen Partner nicht nur Rätsel knacken und neue Abschnitte entdecken, sondern auch Bossmonster mit Teamattacken ins Schwitzen bringen: Wenn man geifernden Riesenkäfern oder 20 Fuß großen Dämonen begegnet, sollte man sich gut überlegen, wen man mit in den Kampf nimmt. Schließlich kann Ohatsu aus der Distanz Granaten abfeuern, während Jubei eher mit schnellen Kontern glänzt und Tenkai gleich ganze Gegner auf seine Seite hext. Dieser im Mönchsstil kämpfende Charakter mit dem weißen Haar gehört zu den interessantesten der fünf.
Enormer Umfang
Ist man die ersten Stunden noch skeptisch, wird spätestens beim tragischen Auftritt von Ohatsu die Neugier geweckt und der erste verzwickte Bosskampf entfesselt - eine wirklich gelungene Inszenierung. Hier muss allerdings erst der Test zeigen, wie das Verhältnis von oberflächlichen Soap-Szenen und epischer Dramatik ausfällt, wie gut das Schicksal der neuen Figuren in den Plot geflochten wird. Auch der kleine Helfer in eurem Hauptquartier, der wie ein pummeliges Stofftier an der Leine von der Decke hängt und euch immer wieder Tipps gibt, stellt selbst hart gesottene Fans auf die Kitschprobe...
Trotzdem lässt das Abenteuer die Motivationsmuskeln spielen. Satte Spielzeit, komplexes Charaktermanagement, fünf Kampfstile - schon jetzt ist klar, dass der Umfang der große Trumpf von Dawn of Dreams sein wird: Es gibt 20 Waffen, die frei austausch- und aufrüstbar sind, sowie 100 kombinierbare Gegenstände vom Kraut über Öl bis hin zur Eidechse. In den richtigen Händen entstehen daraus z.B. Heil- oder Manatränke. Einzigartige Waffen oder Rüstungen bekommt ihr, wenn ihr Kistenrätsel löst oder in speziellen Herausforderungen gegen die Zeit gut abschneidet: In diesen "Tests of Valor" gilt es, Feinde gegen die Uhr zu vernichten. Wer hier nicht auf Anhieb so gut abschneidet, kann es päter noch mal versuchen oder beim Händler Ausrüstung kaufen und verkaufen - allerdings sind diese dann nicht so mächtig.
Ausblick
Holt mal tief Luft: fünf spielbare Charaktere, Kampf im Duett, knapp zwei Dutzend aufrüstbare Waffen, Handel mit und Kombination von 100 Gegenständen, insgesamt 30 - 40 Stunden Spielzeit, davon zwei bis drei Stunden Zwischensequenzen. Puh, da muss man erstmal durchatmen. In Sachen Umfang und Neuerungen kann sich Onimusha - Dawn of Dreams wahrlich sehen lassen. Auch die rasanteren Kämpfe gefallen mir, weil sie sehr viel Taktik und Timing verlangen. Wenn die Katana singt, glüht die Kulisse: Explosionen, Eisblitze und Feuerwalzen verwandeln den Bildschirm schnell in ein Farbenmeer. Aber sieht man sich an diesem Effekt-Overkill irgendwann satt? Bleiben die Kämpfe anspruchsvoll? Mal abwarten. Als Europäer muss man jedenfalls resistent gegen Kitsch und Pathos sein, denn ab und zu gleitet die verzwickte Story in naive Untiefen ab. Das Abenteuer kommt erzählerisch recht schleppend in Gang, weckt aber plötzlich mit dem Auftritt des dritten Charakters wieder die Neugier: Hier will man wissen, was es mit der Beziehung zwischen Soki und Ohatsu auf sich hat. Eine weitere spannende Frage wird sein, ob die pseudohistorische Story nach fünf Stunden weiter an Dramatik gewinnt. Trotz all dieser Ungewissheiten bleibt festzuhalten: Die komplexe Charakterentwicklung, die Vielzahl an Helden und vor allem der Klingentanz im Team sorgen für angenehm frischen Wind im Onimusha-Universum.
Ersteindruck: sehr gut