Pro Evolution Soccer Management - Vorschau, Sport, PlayStation2

Pro Evolution Soccer Management
06.02.2006, Jörg Luibl

Vorschau: Pro Evolution Soccer Management

Pro Evolution Soccer gilt als die beste Fußballsimulation auf dem Markt. Der fünfte Teil wurde erst kürzlich international gefeiert. Und Konami will mehr: Ende März werden die Japaner ihren ersten Fußballmanager veröffentlichen, der nicht nur voll kompatibel zu PES5 ist, sondern auch dieselbe Engine für die Spieldarstellung nutzt. Auf was dürfen sich Trainer freuen?

Bevor die Vereinskarriere beginnt, könnt ihr euch einen Coach nach Maß schnitzen. Der Editor ist zwar nicht besonders üppig, aber vom legeren Typen im Trainingsanzug bis hin zum feinen Anzugträger ist alles möglich. Sechs europäische Ligen stehen zur Auswahl, darunter natürlich nicht nur die italienische, spanische und englische, sondern auch die deutsche. In unserer Vorschaufassung waren die Kader zwar nicht alle auf dem aktuellsten Stand, aber das kann sich bis Ende März noch ändern. Dann soll PES Management auch voll kompatibel zu Pro Evolution Soccer 5 (PES5) sein - sprich: Ihr könnt alle Teams untereinander tauschen. Für viele Veteranen dürfte es sehr reizvoll sein, den frisch gezüchteten Kader in Aktion oder Simulation zu sehen.

Europa ruft

Zu Beginn wählt ihr euch unter drei Kandidaten eine Sekretärin. Welche Einfluss die Persönlichkeit der Ladys haben, konnten wir noch nicht feststellen.
Je nachdem, welches Team ihr anführt, variiert der Schwierigkeitsgrad: Der erfolgsverwöhnte FC Bayern ist genau so schwer zufrieden zu stellen wie der Abstiegskandidat 1.FC Köln - die Lederhosen wollen nur Siege sehen, die Geißböcke haben keine Kohle. Leichter hat man es mit Clubs aus dem Mittelfeld, die eine gute Mischung aus spielerischer und finanzieller Qualität bieten. Allerdings müsst ihr aufgrund fehlender Lizenz einige Inkonsequenzen in Sachen Trainer-, Spieler- und Vereinsnamen in Kauf nehmen. Und wer Authentizität in Sachen Finanzen oder einen realistischen Manager mit allem Pipapo erwartet, wird enttäuscht: Ihr könnt weder euer Stadion erweitern noch Eintrittspreise festlegen oder Sponsoren suchen. Zwar wird der Transfermarkt ebenso ausführlich gehandhabt wie in PES5, aber die Preise rücken in utopische Dimensionen: Für Deisler werden mal eben 85 Millionen Euro verlangt. Echte Fans mit Kicker-Abo dürften diese fiktiven Rahmenbedingungen stören.

Präsentiert werden die Spiele über die PES5-Engine. Und die inszeniert ansehnlichen und überaus variantenreichen Fußball: gerade hinsichtlich der Darstellung von Dribblings, Direktschüssen oder Kopfbällen. Es gibt quasi keine Wiederholungen, sondern denselben unberechenbaren Spielverlauf wie im großen Vorbild, so dass das Zuschauen selbst nach einer Saison sehr unterhaltsam bleibt - ein großer Pluspunkt. Allerdings haben wir auch einige Situationen beobachtet, in denen der Ball führende Spieler plötzlich wie fremd gesteuert Richtung Außenlinie dribbelt und ohne Not ins Aus läuft. Ihr könnt zwischen verschiedenen Kameras wählen und sogar in eine Vogelperspektive im Reißbrettstil schalten, die auch Segas Football Manager 2006 bietet: Hier lassen sich die Spielsysteme von 5-3-1 bis 4-3-3 sehr schön beobachten. Ihr könnt zwar die Geschwindigkeit in mehreren Stufen erhöhen, aber euch das Ergebnis nicht direkt anzeigen lassen.

Klasse Darstellung, sprödes Drumherum

Konami hat für diesen Manager insgesamt zu wenig an der Präsentation gefeilt: Das Intro stimmt noch euphorisch, aber spätestens der hässliche Pixelbrei der Zuschauer ernüchtert. Leider hat man auch die deutschen Kommentare scheinbar nicht aktualisiert, so dass PES5-Fans nur vertraute Floskeln von Hansi Küpper & Co hören; reine Textkommentare gibt es übrigens nicht. Das Drumherum ist zwar im Vergleich zu Fußball Manager 2005 sehr spröde, aber versinkt nicht im staubtrockenen Excel-Charakter des Football Manager 2006: In Gesprächen sitzt euch Rosicky gegenüber und gestikuliert, außerdem treten eure Assistenztrainer, die Sekretärin oder der Präsident auf. Dadurch kommt Leben in den Manager, aber noch wirkten ihre Animationen zu puppenhaft, ihre Beiträge sehr wiederholungsanfällig.

Trainer und Bank bleiben während des Spiels quasi unsichtbar, so dass das ein Spieltag etwas steril wirkt. Man kann weder aktiv über Reinrufen eingreifen noch sieht man mal einen jubelnden, verzweifelten oder wütenden Trainer. Immerhin gibt es Zwischensequenzen: Wenn Koller, Rosicky und Ricken wie begossene Pudel in der Umkleidekabine hocken, spürt man die Krise.  Solche Szenen sieht man, wenn die Profis nach drei verlorenen Spielen in ein "Motiviationsloch" stürzen - an der deutschen Übersetzung muss Konami jedoch noch etwas feilen, denn das ist nicht der einzige Rechtschreibfehler.

Die große Stärke des Managers ist neben der Spieldarstellung vor allem der spürbare Einfluss, den Training und Taktikeinstellungen auf den Spielverlauf haben: hier lohnt sich taktisches Feintuning.  Kein Wunder, denn hinter den Berechnungsroutinen steckt Akiyoshi Chosokabe, der schon im PES5-Team wertvolle

Dargestellt wird der Kick in der PES5-Engine, die sehr spannende Partien inszeniert.
Erfahrung sammeln konnte. Ihr müsst zum einen vor jeder neuen Begegnung gezielt auf die Strategie des Gegners eingehen: Wenn Bayern mit Ballacks tödlichen Pässen vor der Tür steht, empfiehlt es sich, eine weit zurückgezogene Viererkette mit Abseitsfalle zu üben. Außerdem kann man Gruppentaktiken über einen Spielmacher einstudieren, der das Heft in die Hand nimmt und z.B. die Flügelflitzer bedient oder die Außen zu Vorstößen animiert. Gewinnt man als Trainer weiter an Ansehen, kann man später auch zwei oder drei dieser Spielmacher mit Taktiken verknüpfen und hat noch mehr Einfluss.

Starke Spieltiefe

Auch so könnt ihr jeden einzelnem Spieler vor dem Anpfiff bis ins Detail Anweisungen geben: Wörns soll Angreifer bis zur Mittellinie verfolgen? Van der Vaart soll vor allem aus der zweiten Reihe abziehen? Und Podolski soll mit Dribblings durch die Abwehr brechen? Kein Problem: Alles lässt sich haarklein festlegen. Neben diesen Voreinstellungen lässt sich jederzeit live eingreifen: Wenn Ricken zu eigensinnig dribbelt und nicht über die Außenlinie geht, kann man sofort pausieren und neue Anweisungen geben. Und das Schöne ist, dass diese meist sofort umgesetzt werden. All das sichert dem Neuling unter den Managern ein solides Spielspaß-Fundament.

Allerdings geht die Freiheit nicht so weit wie in Segas Football Manager 2006: Man kann weder bestimmen, wohin die Ecken geschlagen werden sollen noch unter Freistoßvarianten wählen. Auch eine gezielte Doppeldeckung gegen den gegnerischen Spielmacher haben wir nicht gefunden. Und man vermisst noch mehr Taktiken und Einstellungen für das Kollektiv: Warum gibt es z.B. keine Mannschaftsansprache nach dem Spiel? Ich muss mit jedem Profi einzeln sprechen. Immerhin hat man hier die Wahl, was man fragt und wie man antwortet. Herrscht man einen formschwachen Stürmer an, dass er zusehen soll, wieder Leistung zu bringen, kann das seinen Motivationswert sinken lassen; trifft man seinen Nerv, steigt er an.

       

Ausblick

Eigentlich hat mich bisher alles, was PES im Titel führte, in jauchzende Euphorie versetzt. Aber selbst als eingefleischter Fan der Reihe bin ich hin- und her gerissen: Auf der einen Seite fiebere ich bei jedem Spiel so mit, dass ich das Pad fast selbst in die Hand nehmen will: Die Spiele sind so abwechslungreich, packend und ansehnlich wie im Vorbild. Und ich kann mein Team nicht nur taktisch schulen, sondern auch wirklich nachvollziehen, dass meine Anweisungen in jeder Situation umgesetzt werden. Ich will als Trainer keine animierten Kreise oder ein nacktes Ergebnis sehen, sondern Flanken, Dribblings und Spielzüge - genau das wird euch Konami hier bieten. Auf der anderen Seite fehlen dem Manager das authentische Flair, ein packendes Drumherum sowie die finanziellen Details: Die Präsentation ist spröde, die Kommentare sind schwach, die Transferpreise sind utopisch, die Finanzplanung ist zu mager und man muss bei so manchem Namen oder Wappen zum Editor greifen. Wer den Kicker abonniert hat, Bandenwerbung braucht und die Vereinshistorie vom HSV auswendig kennt, wird wahrscheinlich viele Kompromisse eingehen müssen - eingefleischten PES-Fans dürfte das egal sein.

Ersteindruck: gut