Getting Up: Contents under Pressure - Vorschau, Action-Adventure, PC, PlayStation2, XBox
Übersetzt bedeutet der englische Entrepreneur in etwa "Unternehmer". Doch damit wird man der Vielschichtigkeit dieser Leihgabe aus dem Französischen nicht gerecht.
Die Risiken, die man auf dem Weg zum Erfolg z.B. auf sich nehmen muss, bleiben in der sterilen deutschen Form unerwähnt.Entrepreneur im Spielebusiness
Was das alles mit Getting Up zu tun hat? Ganz einfach: Hinter dem Projekt mit dem Anspruch, Graffiti-Kunst nicht nur für den Massenmarkt, sondern vor allem für Zocker tauglich zu machen, steckt Designer und Entrepreneur Marc Ecko, der 1993 im zarten Alter von 20 Jahren anfing, Karriere zu machen. Die von ihm entworfenen Klamotten, die unverkennbar mit einem Nashorn versehen sind, erreichten Anfang des neuen Jahrtausends Kultstatus und werden u.a. von Spike Lee und Chuck D getragen.
Nicht schlecht für einen Jungen aus New Jersey, der mit sechs T-Shirts und einer Sprühdose Farbe angefangen hat.
Kalkuliertes Risiko
Doch abgesehen von dem ungewöhnlichen Setting der urbanen Graffiti-Kultur scheint der Entrepreneur Ecko beim Spieldesign wenige bzw. überschaubare Risiken einzugehen – zumindest, wenn man sich die Vorabversion anschaut.
Das betrifft allerdings weniger Story und Grundkonzept: Ihr seid als Graffiti-Künstler Trane in der Stadt New City unterwegs und müsst euch nicht nur mit Gangs auseinandersetzen, deren Turf ihr nach und nach mit euren Tags markiert, sondern auch die totalitäre Regierung abwehren, die Leute wie euch als subversiv und anarchisch gebrandmarkt hat.
Gleichzeitig aber durchzieht alle Collective-Spiele auch ein Hang zum Banalen und Gewöhnlichen. Und das scheint leider auch bei Getting Up der Fall zu sein.
Viel von allem und ein cooles Setting
Spielerisch hingegen gibt sich Getting Up weitaus weniger anarchisch: Der Genre-Mix, der seine Wurzeln deutlich im Action-Adventure hat, bietet alt bekannte Mechanismen wie Erforschung von ansprechend großen Abschnitten einerseits und gut gelungene Prügelaction andererseits.
Um sich dabei von der breit gestreuten Konkurrenz abzusetzen, gibt es für The Collective und Marc Ecko nur eine Richtung: nach oben! Wo andere Spiele ihre Abschnitte horizontal vergrößern, baut Getting Up dem Namen entsprechend auf vertikale Größe: Je höher der Turm, auf den ihr klettern müsst, um eure Tags zu setzen, um so besser. Dabei hangelt man sich von Vorsprung zu Vorsprung, nimmt wagemutige Kletterabschnitte in Schwindel erregender Höhe auf sich und freut sich schließlich wie ein Schneekönig, wenn man tatsächlich schafft, das Graffiti ohne Blasenwurf auf die Wand zu setzen.Mit zahlreichen Anspielungen auf moderne Graffiti-Kultur wie z.B. echte Künstler, die einen Gastauftritt im Spiel haben, sowie einem coolen Soundtrack mit
fetten HipHop-Beats bekommt man auch schnell Lust auf mehr. Auch der Grafikstil, der sich irgendwo zwischen den GTAs und den DefJam-Spielen einreiht, kann für Freude sorgen.Denn ähnlich wie bei den Warriors von Rockstar Games, die auch noch weitere Parallelen wie z.B. die umfangreiche Prügelaction aufweisen, müsst ihr manuell die Tags, Stamps usw. setzen.
Allerdings gibt es einige Kleinigkeiten, die das Entwickler-Team bis zur Veröffentlichung ausmerzen sollte: Dazu gehört z.B. Schwierigkeitsgrad, der zwar mit einer angenehmen Lernkurve ausgestattet ist, der aber auch manchmal zu extremen Abweichungen neigt, die nicht gerade die Motivation fördern.
Ein Wort noch zur Lokalisierung: Ich finde es löblich, wenn man ein Spiel, das sich der Straßenkultur verschrieben hat, authentisch ins Deutsche bringen möchte und hiesige Stars wie Afrob hinter das Mikrofon zerrt. Trotzdem hätte man bei der Übersetzung mehr Pep ins Spiel bringen können. Denn wenn man sich im Vergleich das Original anhört, bei dem u.a. Sean "P.Diddy" Combs oder Rosario Dawson (Sin City) die Charaktere mit Leben füllen, wird deutlich, dass man es nicht vollständig geschafft hat, den authentischen Szene-Slang adäquat einzufangen.
Ausblick
Getting Up zeigt sich in der uns vorliegenden Fassung als zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite bietet der Spieldesignausflug von Marc Ecko ein ungewöhnliches Ambiente und liefert einen spannenden sowie informativen Einblick in die Graffiti-Szene. Auch die "Vertikalität" und die Gefahr, die vom Platzieren eurer Tags an den höchsten Orten ausgeht, werden gut vermittelt. Auf der anderen Seite hält das Team von Collective jedoch an alt hergebrachten Spielmechanismen wie Erforschung, Entdecken und Kämpfen fest, ohne dabei an Genregrenzen zu stoßen oder neue Maßstäbe zu setzen. Doch gute routinierte Unterhaltung in einem interessanten Setting ist mir persönlich lieber als ein x-beliebiger GTA-Klon. Um in Award-Bereiche vorzustoßen muss, allerdings u.a. noch etwas an der Balance gefeilt werden, damit es nicht zu unnötigen Frustmomenten kommt.
Ersteindruck: gut