ParaWorld - Vorschau, Taktik & Strategie, PC

ParaWorld
04.03.2006, Jörg Luibl

Vorschau: ParaWorld

Mächtige Saurier, verwegene Helden, opulente Schlachten. Seit mehr als vier Jahren plant ein Berliner Studio den Sprung in die Urzeit. ParaWorld (ab 29,95€ bei kaufen) ist mittlerweile eines der kostspieligsten Projekte der deutschen Entwicklergeschichte. Ende August soll das bildgewaltige Strategiespiel endlich in den Handel kommen. Kann es mit den Großen des Genres mithalten? Wir haben erste Erfahrungen mit T-Rex & Co gesammelt.

Er ist über 20 Meter lang, 15 Meter groß und wiegt 80 Tonnen: der Brachiosaurus . Selbst ein ausgewachsener afrikanischer Elefant ist dagegen nur ein Rüsselwinzling. Und wenn diese Kreatur zustampft, steht kein Wald mehr: Ein Klick genügt und Bäume knicken um wie Streichhölzer. Die Kulisse dieses Urzeitabenteuers aus deutscher Produktion kann locker mit der Opulenz großer internationaler Titel mithalten: Freut euch

Freut euch auf eine wilde Idylle: Die Kulisse spielt in der ersten Liga der Strategiespiele.
auf ein Panorma mit fließendem Tag- und Nachtwechsel, mehreren Klimazonen, wabernden Nebeln sowie bewegten Himmelsfetzen. Vor allem die Vegetation und die grasenden Sauerierherden sind immer wieder einen Zoom wert.

Kampf der Urzeitriesen

Die eigens kreierte PEST-Engine meißelt eine prächtige Landschaft auf den Bildschirm, die trotz der Fülle an kleinen Hinguckern schon mit einem Gigabyte RAM und GeForce 6800 flüssig laufen soll. Im Rampenlicht stehen natürlich die Dinosaurier, darunter auch der T-Rex – wo er wütet, wächst kein Gras mehr. Wenn ihr während der Kämpfe genau hinschaut, werdet ihr sogar Finishing-Moves bemerken, die ab und zu automatisch abgerufen werden. Im Fall des T-Rex wird das Opfer einfach mal eben mit Schmackes zerbissen. Das erinnert ein wenig an das brachiale Schlachtfeldgetümmel von Warhammer 40.000: Dawn of War.

Es gibt also wieder Krieg? Ja. Wieder ein Echtzeit-Strategiespiel? Ja. Obwohl das Team vom SEK die Kolosse der Urzeit höchst authentisch darstellt, nur nachgewiesene Urwesen zum Leben erweckt und sogar eine Paläonthologin für die Erstellung der Informationstexte engagiert hat, geht es in der ParaWorld natürlich nicht um wissenschaftliche Untersuchungen oder eine Jurassic Park-Simulation. Im Mittelpunkt steht der taktische

Im Interview gibt's noch mehr Infos über ParaWorld:

Krieg in der Parallelwelt

(SEK, Berlin)Kampf zwischen drei verfeindeten Völkern, die in einer Parallelwelt aufeinander treffen: die Wüstenreiter, das Nordvolk und der Drachenclan.



Tom Langhanki

Neben schamanistischer Magie gibt es weitere fiktive Elemente: Vor allem der Ankyloaurus hat es uns in den ersten Kämpfen angetan. Er kann Eier über Mauern katapultieren, die daraufhin platzen und gierige Raptoren freilassen. Die kleinen Räuber könnt ihr zwar nicht direkt steuern, aber sie wüten auch eigenständig hinter den feindlichen Linien - eine ebenso fiese wie effektive Möglichkeit, defensive Einigler ins Schwitzen zu bringen.

Apropos Mauern: ParaWorld zeigt dem Team der Ensemble Studios, wie man mit ihnen umgeht. Denn im Gegensatz zu Age of Empires III sind sie hier erstens undurchlässig, zweitens fliegen Projektile in ballistischer Kurve über sie hinweg und drittens lassen sich die Palisaden auch bemannen. Wer einen Trupp Bogenschützen auf die Wälle schickt, kann beobachten,

Es geht allerdings auch düster: Ein T-Rex mit Besatzung auf dem Weg durch die vulkanische Öde.
wie sie nacheinander Position beziehen – sehr schön! Das Terrain spielt ebenfalls eine taktische Rolle. Egal ob euer Fernkämpfer auf dem Sattel eines Sauriers oder einem Hügel steht: seine Reichweite wird automatisch erhöht.

Feines Spieldesign

Diese Sorgfalt zeichnet das ganze Spiel aus. Die Berliner bieten auch in Sachen Steuerung mehr Komfort als viele Konkurrenten: Wählt ihr per Lassomethode einen Pulk aus Einheiten aus und schickt sie auf ein Angriffsziel, werden nur die Kämpfer losziehen – das ist praktisch, denn die Bauern bleiben da. Zwar konnten wir noch nicht das geplante Formationssystem in Aktion sehen, denn bisher sind nur die drei Verhaltensweisen Halten, Attacke und Verteidigung implementiert, aber es gibt z.B. eine einheitliche Marschgeschwindigkeit. Das ist bloß eine Kleinigkeit, aber dadurch erreichen Trupps nicht in wilder Kolonne ihr Ziel, wie das z.B. in Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2 der Fall ist. So kann man viel besser mit mehreren Gruppen arbeiten und diese parallel über die Minikarte zum Ziel schicken, ohne befürchten zu müssen, dass die Reiter als erste eintrudeln, um dann zu Pikenierspießen verarbeitet zu werden.

               

In der Kampagne spielt ihr nacheinander die drei Völker. An die zwei Stunden Zwischensequenzen sollen euch in ein packendes Abenteuer inklusive Verrat und Intrigen ziehen, in der neun Helden die Hauptrollen spielen. Jeder wird übrigens eine ausführliche Biographie mitbringen, die ihr jederzeit studieren könnt. Details wie diese Lebensläufe stimmen

Ein Panoramablick auf die Wüste: Wer wird diese Schlacht für sich entscheiden?
optimistisch. Leider können wir über die Qualität der Story und die Dramaturgie der Handlung noch nichts sagen. Beides soll jedoch laut Entwickler Thomas Langhanki eine große Rolle spielen - mehr dazu im Interview. Sobald wir eine fortgeschrittene Fassung erhalten, werden wir euch informieren, ob die Kampagne erzählerisch motivieren kann und ob tatsächlich das Gefühl entsteht, in einer glaubwürdigen Welt unterwegs zu sein. Was jetzt schon gut funktioniert ist das Aufrüstsystem.

Fragezeichen: Story

Jeder Held entwickelt im Laufe des Spiels nicht nur eine Aura, die z.B. einen Bonus auf den Angriff oder die Verteidigung der benachbarten Einheiten spendiert, sondern auch Spezialfähigkeiten. Stina Holmlund setzt z.B. auf die Hypnose und kann jedes Tier umgehend einschläfern. Aber Vorsicht: Das Reittier ist zwar bewegungsunfähig, aber der Reiter kann vielleicht mit einem Bogen problemlos weiterkämpfen. Andere setzen eher auf ihre heilende Wirkung oder die Genauigkeit ihres Scharfschützengewehrs. Schön ist, dass die Entwicklung eines Helden auch Auswirkungen auf eure Aufbaumöglichkeiten hat: Ab der vierten Stufe stehen z.B. neue Einheiten oder Gebäude zur Verfügung. Wer seinen Helden auf die fünfte Stufe bringt, profitiert zudem von einem globalen Bonus: Stinas Saurier bekommen verstärkte Rüstungen, Anthonys Kämpfer erhalten mehr Lebenspunkte. Übrigens: Alle Aufrüstungen werden sofort visualisiert. Habt ihr euren Mammuts einen Klingenaufsatz spendiert, blitzt der scharfe Stahl umgehend an den Hörnern auf.

Der Fokus des Spiels liegt jedoch trotz dreier Rohstoffe nicht auf der Entwicklung der Basis, sondern eindeutig auf dem Kampf – ähnlich wie bei den aktuellen Ringschlachten von EA. Allerdings beugt man hier dem Prinzip Masse statt Klasse besser vor als in Gondor und Mordor: Insgesamt könnt ihr über den "Army Controller" nur ein Maximum von 52 Einheiten kontrollieren. Das hört sich in Sachen Quantität zunächst nicht umwerfend an, aber die Qualität der Truppe ist entscheidender: Ihr könnt eure guten vier Dutzend nämlich gezielt in einer Rangpyramide befördern – von der unteren

Auch im Eis geht`s zur Sache: Eine bewaffenete Kolonne auf dem Weg zum Feind.
ersten bis zur elitären fünften Stufe. Allerdings wird es auf der Karriereleiter nach oben hin immer enger: Können sich auf Stufe 1 noch satte zwanzig Krieger tummeln, sind es auf der dritten nur noch acht und an der Spitze der fünften ist es nur noch einer.

Elitäre Pyramide

Der Vorteil dieses Systems liegt auf der Hand: Wer einfach nur schnell Einheiten produziert, wird schnell sein Waterloo erleben, denn es geht eher um taktische Scharmützel mit wenigen Spezialisten. Dabei lassen sich effektive kleine Kampfverbände zwischen Mensch und Saurier bilden. Wenn man z.B. einen Heiler und einen Schützen in den Korb eines Triceratops steigen lässt, hat man quasi ein mächtiges mobiles Krankenhaus mit Selbstverteidigung. Der Kampf funktioniert ansonsten nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip. Schade ist, dass es nur Fußkämpfer, Amphibien, Tiere und Maschinen, aber höchstwahrscheinlich keine fliegenden Einheiten gibt. Thomas Langhanki ließ die Möglichkeit im Interview immerhin noch offen und bis Ende August ist noch viel Zeit.

Auch die Multiplayer-Arenen sollen beben: Bis zu acht Spieler dürfen sich nicht nur in klassischen Modi wie Deathmatch oder Capture the Flag austoben, sondern auch neue Varianten zusammen meistern. Im Defender-Modus geht es z.B. für einen starken Spieler darum, eine vorgebaute Festung gegen mehrere Angreifer 30 Minuten zu halten. Schon im Vorfeld könnt ihr übrigens euer eigenes Armee-Deck zusammen stellen: Entweder, ihr nutzt ein vorher erstelltes oder ihr einigt euch z.B. auf ein 1000-Punktelimit und nutzt vorgefertigte Schablonen wie "Rusher", "Standard" oder "Boomer".

          

Ausblick

Das sieht gut aus. Das fühlt sich gut an. Das macht richtig Spaß. Ich bin sehr skeptisch an ParaWorld heran gegangen, denn die Echtzeit-Strategie steht momentan still. Weder Empire Earth II noch Age of Empires III oder Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde 2 konnten richtig begeistern. Alles gute Titel, alle ohne Award. Aber ParaWorld hat das Zeug, die Konkurrenz zu schlagen: Denn erstens ist das Szenario unverbraucht. Zweitens sieht es wunderbar aus. Und was drittens noch viel wichtiger ist: Das Team von SEK macht vieles handwerklich besser – egal ob einheitliche Marschgeschwindigkeit, ballistische Projektilkurven, undurchlässige Mauern oder Palisadenbemannung. Allerdings müssen wir noch abwarten, wie sich die Spielbalance, das Pyramidensystem und die Story auf Dauer präsentieren. Außerdem konnten wir noch nicht alle Völker intensiv genug spielen. Sobald wir eine fortgeschrittene Fassung haben, die auch einen Blick in die Kampagne oder die Multiplayer-Modi ermöglicht, verraten wir euch, ob die Saurier tatsächlich hitreif sind! Bis dahin empfiehlt sich auch die Lektüre des Interviews, in dem Thomas Langhanki weitere Einzelheiten erläutert.

Ersteindruck: sehr gut