Elveon - Vorschau, Action-Adventure, 360, PC

Elveon
20.09.2006, Paul Kautz

Vorschau: Elveon

Es war eine Zeit, da die Elben noch mehr konnten als sich Haare wachsen zu lassen und gemächlichen Schrittes durch gut durchleuchtete Wälder zu schreiten. Es war eine Zeit, da ein solides, gut geschliffenes Schwert ein besseres Argument war als salbende Worte. Es war eine Zeit, da Köpfe rollten und der Elb dem Elben ein Wolf war; also lange vor der Zeit, die Tolkien-Fans aus dem Herrn der Ringe kennen – vergleichbar mit der Zeit des Silmarillion. 10tacles Elveon wirft euch genau in diese düstere Phase, und wir konnten das Action-Spektakel ausführlich anspielen.

Elveon - »Das Buch der Elben«. Die Geschichte, an der Designer Slavo Hazucha zwei Jahre lang gearbeitet hat, bevor er sie Publisher 10tacle vorstellte, spielt zu einer Zeit, als die Elben neben den Göttern die einzige wahre Macht in der Welt Naon darstellten - allerdings in einer Periode, als all die Pracht verfallen war, als die Elben-Clans untereinander verfeindet waren und die ganze Rasse kurz vor dem Exodus stand. In dieser düsteren Zeit

Statt kurzlebiger Haudrauf-Action erwarten euch ausgedehnte Duelle Elb gegen Elb.
schlüpft der Spieler in die Rolle eines elbischen Elite-Kämpfers, der in den Konflikt zwischen dem Elbenkönig und dem letzten verbliebenen Gott gerät, während er die Ursprünge der Elben und Götter sucht: die glorreiche Stadt Nímathar und den Göttersitz Starspear.

Schwing den Speer!

Das Spiel ist ein Action-Adventure mit starkem Fokus auf die Kämpfe und noch mehr Story - ganz in der Tradition von Rune oder Severance, allerdings ohne das Zerhackstücken der Gegner. Ihr bekommt es mit wenigen, dafür umso intelligenteren und individuelleren Widersachern zu tun: Entweder Vertretern der Elben-Clans »Aegans«, »Merians«, »Parthans« und »Taethans«, alle mit unterschiedlichem Aussehen sowie individuellen Waffen- und Kampfpräferenzen - oder übernatürliche Gegner. Die Kämpfe haben nichts mit Schlitz-und-weg zu tun, stattdessen dauern die »Ehrenduelle« genannten anspruchsvollen Einzelgefechte teilweise Minuten: Ihr umkreist den oder die Widersacher, stoßt vor, greift mit unterschiedlichen Kombos an, pariert Angriffe und nutzt jede Lücke in der Verteidigung. Die Wahl der Waffe ist genauso wichtig wie die Beherrschung der Kampftechniken, denn alle Feinde verfügen über unterschiedliche Rüstung, die mehr oder weniger offensichtliche Schwachstellen aufweist. Das Können eignet ihr euch in Tutorials an, die geschickt in die Story integriert sind: So trefft ihr ganz am Anfang zusammen mit eurem Begleiter auf eine Gegnerschar - euer Freund wird tödlich verwundet, ihr eilt ihm zu Hilfe. In diesem Moment blendet das Spiel in eine Art Flashback-Sequenz in der Vergangenheit um, in der ihr als Jungspund mit eurem Freund trainiert, und zwar interaktiv!

Noch bevor die Elben zu dem wurden, was Tolkien-Fans kennen: Elveon erzählt von der Vergangenheit des edlen Volkes.
 Habt ihr das Tutorial gemeistert, nimmt die Gegenwart wieder das Bild ein, in der ihr das frisch erworbene Wissen gegen die Feinde einsetzt. In diesen Flashbacks, die euch das ganze Spiel über begleiten, übernehmt ihr auch die Kontrolle über andere Figuren - z.B. den Elbenkönig. Später dürft ihr auch mal eure Füße schonen und auf einem mächtigen Greifen Platz nehmen, der automatisch seine Runden dreht, während ihr eure Gegner aus den Wolken mit einem Pfeilhagel beglückt. Im Laufe des Spiels verbessert ihr euren Helden in vielerlei Art, allerdings nicht wie in einem Rollenspiel auf Levelbasis. Stattdessen besucht ihr unterschiedliche Kampflehrer, und werdet so mit bestimmten Waffengruppen immer besser - oder ihr besucht alle mal, und habt von jedem Kriegsgerät grundsätzliche Ahnung. Laut den Entwicklern geht die Spieleraufbesserung vor allem in die Richtung, dass ihr euren ganz privaten Kampfstil entwickelt. Je nachdem, in welche Richtung ihr durchs Spiel schreitet, gibt es ein anderes Ende - mehrfaches Durchspielen scheint damit Pflicht zu sein.             

Auch wenn es auf den ersten Blick ähnlich scheint: Elveon hat mit Tolkien nichts zu tun, das ganze Universum ist neu - zwangsläufig gibt es Überschneidungen, schließlich bedient Elveon ein ähnliches Szenario. Und ganz wie John Ronald Reuel haben auch hier die Entwickler eine eigene Schrift und Sprache erfunden - die ihr natürlich auch im Spiel zu hören bekommt, was im Endeffekt ein tief gebrummeltes, recht unverständliches,

Leblose, wenn auch malerische Bilder: Den Bildern fehlen noch Details wie eine abwechslungsreiche Fauna oder bröckelndes Mauerwerk.
aber edel klingendes Kauderwelsch ist. Selbst das Kampfsystem ist ein eigenes: alle Animationen wurden von einem professionellen Martial Arts-Team vorgeturnt und per Motion Capturing eingefangen, der dazu gehörige Kampfstil wurde speziell fürs Spiel entwickelt. Generell ist die Kulisse sehr auf einen cineastischen Effekt getrimmt: die Kameraeinstellungen in den Zwischensequenzen werden von Filmteams in Position gebracht, ein realistisches Wettersystem sorgt dafür, dass Richtung und Stärke von Wind und Regen  zum richtigen Zeitpunkt ebenso für einen dramatischen Effekt sorgen wie rumpelnder Donner und gleißende Blitze. Haare und Mäntel flattern im Wind, getötete Gegner fallen in Zeitlupe und physikalisch korrekt zu Boden.

Ein gemütlicher Waldspaziergang

Nicht zuletzt soll auch die Architektur des Spiels auch dem gewieftesten Kirchenbaumeister die Spucke im Mund austrocknen lassen: Da es auf der neusten Unreal-Technologie basiert, konnten die Designer mit Polygonen um sich werfen wie Paris Hilton mit blondem Haar. Und so sind Paläste, Bergketten, Brücken, weite Hallen, gigantische Innenhöfe mit noch größeren Statuen oder verfallene Duellplätze hochkomplex aufgebaut, mit fantastisch filigranen Texturen versehen und mit coolen Post Processing-Effekten nachbearbeitet, die für einen dezenten Wasserfarben-Effekt sorgen. Für noch tiefer baumelnde Kinnladen sollen allerdings die Wälder sorgen, die noch realistischer als bei Oblivion aussehen sollen: Jeder Baum ist anders, es gibt keine geraden Stämme, sondern knorrige und verknotete, gigantische Gewächse, die wild in alle Richtungen wuchern. Die Kronen basieren zwar auf der Speedtree-Technologie, die

Ein episches Werk in hinreißender Kulisse: Elveon packt das Beste aus Severance und Rune in eine große Story.
auch Gothic 3 zum Blühen bringt, die Stämme sind jedoch gesondert modelliert, um möglichst organisch auszusehen, der Boden ist dicht bewachsen. Für diesen natürlich Look arbeiten Architekten und Modellbauer im Team, die sonst nicht viel mit Computerspielen am Hut hatten - dafür aber umso mehr Expertise mit guter Architektur vorweisen können.

Auch die Physik soll Standards setzen: Neben den üblichen Standards (gefällte Gegner, umfallende Geländeteile etc.) sollen es vor allem die kleinen Feinheiten sein, die Physikleistungskursler in Verzückung versetzen. Steht ihr z.B. längs auf einer Treppe, würdet ihr in jedem anderen Spiel mit der einen Körperhälfte in der Luft schweben. Nicht so in Elveon: Hier steht der Elb auf beiden Stufen, mit einem leichten Höhenunterschied zwischen den Füßen. Klingt eigentlich selbstverständlich. Ist es aber bislang nicht.         

Ausblick

Elveon hat mich eiskalt erwischt: Vor der Games Convention 2006 gab es kaum Infos, um was für eine Art von Spiel es sich überhaupt handelt, auf der Messe konnte ich selbst Hand anlegen - und war gefesselt! Kein Rollenspiel, kein Hack'n Slay, stattdessen ein episches Beat'em up in der Tradition von Severance oder Rune - und in eine derart hinreißende Kulisse gewandet, dass einem die Knie schwach werden können! Harte, kombolastige Einzelgefechte gegen schlaue Gegner, cool integrierte Flashbacks, saubere Physiknutzung und viele gute Ideen tragen in sich das Potenzial eines Hits. Mir war allerdings die Grafik trotz aller technischen und architektonischen Finessen noch zu sauber, zu leblos - es fehlen noch Details wie umherschwirrende Blätter, bröckelndes Mauerwerk oder eine abwechslungsreiche Fauna. Außerdem bleibt noch abzuwarten, wie gut die Story den Marsch von Kampf zu Kampf umrahmt.

Ersteindruck: sehr gut