Warhammer 40.000: Dawn of War 2 - Vorschau, Taktik & Strategie, PC

Warhammer 40.000: Dawn of War 2
12.12.2008, Benjamin Schmädig

Vorschau: Warhammer 40.000: Dawn of War 2

Wer an einer historischen Abhandlung über Glanzlichter der Echtzeitstrategie interessiert ist, braucht nur eins tun: Er muss die Worte "WarCraft" oder "StarCraft" im Gespräch mit einem erfahrenen PC-Feldherren erwähnen - schon lernt er alles über Basisbau, Produktionsketten, Truppenzusammenlegung und dass Entwickler Blizzard die Erfolgsgeschichte in Kürze fortsetzen wird. Wer hingegen wissen will, wie moderne Echtzeitstrategie aussieht, der fragt nach Entwickler Relic und dessen Fortsetzung der Warhammer 40.000-Saga...

Denn wo StarCraft 2, Supreme Commander oder Command & Conquer den Schwerpunkt auf herkömmliche Werte wie den Aufbau eines Hauptquartiers oder das Bewegen großer Truppenverbände setzen, baut Dawn of War 2 das Myth-Prinzip weiter aus. Sprich: Es verzichtet auf den Basisbau und konzentriert sich auf packende Geplänkel, in denen die besonderen Fähigkeiten einer Hand voll Einheiten mehr zählen als banale Überlegenheit. Dabei geht es vor allem darum, die eigenen Männer an geschützten Position in Stellung zu bringen, denn nur in Deckung



Alt gegen neu

Brandneu: Der frische Trailer zeigt Szenen aus den Mehrspieler-Gefechten.können die Truppen dem gegnerischen Kugelhagel standhalten, während sie in Gebäuden besonderen Schutz finden. Nicht nur deshalb erinnert Dawn of War 2 stark an Relics letzten Titel, Company of Heroes, und natürlich an seinen direkten Vorgänger.

Wer den nicht kennt und neu im Warhammer-Universum ist, dürfte sich zu Beginn allerdings fragen, worum es eigentlich geht. Da ist ein Krieg, da sind Orks, da sind Space Marines, mit denen ihr zur Befreiung eines Planeten schreitet. Das Warum bleibt zunächst im Dunkeln. Immerhin wird die Geschichte in aufwändigen Render-Sequenzen erzählt, die das Spielzimmer zum Privatkino machen. Und spätestens dann, wenn sich der Konflikt über mehrere Planeten ausweitet, gewinnt die Story auch an Fahrt. Weil ihr auf jedem Planeten zwischen mehreren Aufträgen wählen dürft, müsst ihr euch aber entscheiden: Führt ihr lieber eine Rettungsmission aus oder startet ihr gleich den nächsten Angriff? Ob und wie sich die Wahl auf den Plot auswirkt, konnten wir jedoch noch nicht feststellen.

Echte Helden

Das wichtigste Erzählelement war für mich ohnehin nicht die martialische Handlung, sondern die darin vorkommenden Figuren. Blizzard nennt seine Protagonisten Helden und mischt sie als wenige unter vielen unter die restlichen Truppen - das ist Relic zu wenig. Die Kanadier haben an einer wuseligen Klon-Armee kein Interesse; sie wollen interessante Charaktere in den Vordergrund stellen. Und so gebt ihr in Dawn of War 2 ausschließlich Figuren Befehle, die einen Namen haben, die in Zwischensequenzen auftreten und deren Entwicklung ihr beeinflusst. Tarkus ist z.B. ein Allrounder, Cyrus klärt mit dem Scharfschützengewehr und Thaddeus landet nach einem Sprung mit dem Jet-Pack inmitten seiner Gegner. Jeder dieser Helden hat führt

Charaktere spielen in Dawn of War 2 die Hauptrolle - sowohl inhaltlich als auch spielerisch.
zwar ein kleines Squad, aber ihr befehligt nur die Offiziere. Aufgrund dieser Bindung an die Anführer habe ich noch nie so stark mit einzelnen Truppen mitgefiebert - selbst die Blizzard-Helden waren mir im Vergleich nichts wert!

Im Gegenteil: Wo ich bei War- oder StarCraft höllisch aufpassen muss, dass dieser oder jener Charakter bloß nicht das Zeitliche segnet, gilt eine Mission hier nicht als gescheitert, wenn ein Held am Boden liegt. Denn so lange wenigstens eine Einheit übrig ist, kann diese ihren Kameraden verarzten. In dem Wissen, dass ich einen geliebten Kämpfer später "flicken" kann, wage ich deshalb auch gefährliche Vorstöße. Das sorgt nicht nur für spannende Momente, sondern macht aus starren Schusswechseln dynamische Scharmützel. Ihr habt Angst, dass das Spiel mit dieser Hilfe zu einfach werden könnte? Mitnichten! Wer seine kleine Armee in einem unbedachten Vorstoß verheizt, hat nämlich alle Hände voll zu tun, den meist gut positionierten Gegner dann noch zurückzudrängen. Schließlich sind stets nur eine Hand voll Squads im Einsatz und man kann es sich einfach nicht leisten, einen weiteren Kameraden in jenes Kreuzfeuer zu schicken, dass dem Verletzten zum Verhängnis wurde...           

Verknotet statt gespeichert

Dawn of War 2 bietet zudem keine Speicherpunkte. Ja, ihr müsst jede Mission in einem Anlauf absolvieren - doch was für PC-Gewohnheitstiere wie eine klägliche Zusage an Gelegenheits-Taktiker klingt, funktioniert dank der kurzen Einsätze ganz hervorragend. Zum Einen verhindert es unüberlegte Frontalangriffe, vor denen man ja ohnehin gespeichert hat und zum Anderen sind die Aufträge mit zehn bis 15 Minuten (später sicherlich auch mehr) kurz genug. Ich habe den Speicherknopf zwar ebenfalls gesucht - aber nie vermisst. Vor allem haben die Entwickler an ein cleveres

Verliert ihr zu viele Einheiten, begebt euch zum letzten Knotenpunkt, um eure Truppen aufzustocken.
"Checkpunkt"-System gedacht: Ihr setzt eine gescheiterte Mission zwar nie an einem dieser Knotenpunkte fort, allerdings werden alle verlorenen Einheiten jedes Squads an diesen Punkten wieder aufgestockt.

Die Knotenpunkte sind dabei so verteilt, dass ihr praktisch darüber stolpert, falls ihr den primären Zielen folgt - in den ersten Stunden geht es meist nur darum, einen besonders mächtigen Gegner aufzuspüren und auszuschalten. Auch, wenn die Einsätze somit sehr geradlinig ablaufen und das in Company of Heroes vorgestellte Erobern von Gebieten wegfällt: Abseits des Weges gibt es viel zu entdecken! Wer sich die Zeit nimmt, das Gebiet ausführlich zu erkunden, findet z.B. Extras wie zusätzliche Munition für sekundäre Waffen oder sogar Ausrüstung, die er einem Charakter später anlegen darf. Es gibt einiges zu entdecken, viele unterschiedliche Wege und damit verschiedene Vorgehensweisen. Vielleicht gelingt es euch ja, eine gut geschützte Position des Gegner einzukreisen und euch so einen Vorteil zu erkämpfen...

Ich kann was, was du nicht kannst!

Aber nicht nur auf dem Schlachtfeld, auch zwischen den Missionen könnt ihr anpassen, entwickeln, auswählen wie es euch beliebt. Denn ihr sammelt Erfahrungspunkte, mit denen ihr diverse Eigenschaften eurer Charaktere verbessert. Jede Eigenschaft ermöglicht bzw. verbessert dabei in mehreren Stufen spezielle Fertigkeiten, so dass ihr euren Männern mächtige Nahkampf-Attacken, ein starkes Sperrfeuer oder gewaltiges Artilleriefeuer ermöglicht - jeder Held verfügt über ganz unterschiedliche Werte und entsprechend eigene Fähigkeiten. Bald stehen vier Squads mit jeweils einer Hand voll besonderer Angriffe zur Verfügung - willkommen im Zeitalter der modernen Echtzeittaktik! In dieser Welt darf euch übrigens jederzeit ein Kumpel kooperativ unterstützen. Nicht zuletzt weist ihr euren Squads noch die aufgelesenen Waffen oder Rüstungen zu, und dann folgt die abschließende Wahl: Welche Charaktere fügt ihr den begrenzten Plätzen eures Aufgebots für die kommende Mission hinzu?

Von der entspannten Entscheidungsfreiheit bleibt im Einsatz natürlich nicht viel übrig: Ihr lasst eure Männer vorrücken, Deckung suchen und schon geht es meist auch los. Stück für Stück arbeitet ihr euch durch mehr oder weniger befestigte Stellungen, wobei ihr die Deckung der Orks schnell zerstören solltet - 

Die Kerle mit den Jets sorgen für viel Tumult, wenn sie in den feindlichen Reihen landen...
passt aber auf, dass es euch der Gegner nicht gleich tut! Die Kulissen sind immerhin, von natürlichen Hindernissen abgesehen, komplett zerstörbar; ihr müsst daher spätestens dann das Gelände stets neu evaluieren, wenn die bestialischen Kriegsmaschinen des Testosteron-geschwängerten Warhammer 40K-Universums über den Schauplatz rollen...

Kleinigkeiten

Kleine Dinge haben mir dabei noch nicht so gut gefallen. Ich kann meine Squads z.B. zusammenfassen - darf die Auswahl aber nicht speichern. Gleichzeitig bewegte Truppen laufen außerdem mit unterschiedlichem Tempo, und wenn ich einen Verband hinter Mauern oder Felsen in Sicherheit bringen will, gehen nur wenige Einheiten tatsächlich in Deckung. Das mutet umso merkwürdiger an, da sich jede Einheit eines einzeln bewegten Squads selbstständig eine schützende Position sucht. Abgesehen davon ließ die Wegfindung bei Freund und Feind in der vorgestellten Version noch zu wünschen übrig. Da rennen Squads, die den "Rückzug"-Befehl erhalten, schon mal mitten durch durch eine voll besetzte feindliche Stellung. In der Hektik des Gefechts war so mehr Klickarbeit gefordert als nötig und für die Übersicht gut gewesen wäre. Gerade, weil man seine Krieger richtig positionieren und zahlreiche Fähigkeiten verwalten muss, entschlackt Relic die Benutzerführung hoffentlich noch.             

Das Gegenteil trifft auf die Mehrspieler-Variante der martialischen Schlachten zu, denn damit das anfängliche Truppenkontingent nicht schon nach zwei Geplänkeln erschöpft ist, bestellt ihr in eurer Basis Nachschub. Auch hier konzentriert sich Dawn of War 2 aber auf das Wesentliche: Ihr dürft lediglich Einheiten produzieren, Upgrades erforschen und natürlich mehrere Produktions- und Forschungsaufträge aneinanderketten. Zwei zusätzliche Tech-Stufen könnt ihr dabei aufsteigen, was den Bau von einer Hand voll weiterer Einheiten erlaubt. Darunter befinden sich große Supereinheiten, gegen die gewöhnliche Truppen kein Land mehr sehen. Doch die sind langsam und teuer; bevor ihr solche mechanischen oder biologischen Monster auf euren Kontrahenten loslasst, solltet ihr deshalb die Mehrzahl der zu erobernden Gebiete eingenommen haben.

Duell zu sechst

Im Gegensatz zur Solokampagne gilt es per Internet oder LAN nämlich, Knotenpunkte einzunehmen. Das erhöht nicht nur die Geschwindigkeit des automatischen Ressourcen-Nachschubs; wer zuerst drei bestimmte Siegpunkte eingenommen hat, gewinnt auch die Partie. Relic

Auch online oder im LAN erwarten euch packende Deckungsgefechte im Kampf um Territorien.
konzentriert sich dabei vollständig auf das Team-Duell: Es treten stets zwei bis zu drei Mann starke Gruppen gegeneinander an, die Variante "Jeder gegen Jeden" gibt es leider nicht. Der Sieg hängt somit zu großen Teilen davon ab, wie eingespielt ein Team agiert - ein Matchmaking-System hilft auf Wunsch immerhin, begabte und weniger erfahrene Spieler gerecht zu verteilen. Freie Plätze werden wahlweise mit unterschiedlich schweren, vom Spiel gesteuerten Widersachern gefüllt.

Und obwohl ihr in den Mehrspieler-Gefechten namenloses Fußvolk aufeinander hetzt, wählt ihr auch hier vor jedem Match einen Helden, dem ihr im Verlauf der Schlacht eine Vielzahl zusätzlicher Fähigkeiten beibringt. Für jede der vier Parteien gibt es dabei drei Charaktere, die euren Truppen auf unterschiedliche Art und Weise unter die Arme greifen. Beeindruckend ist z.B. die Nahkampfattacke eines Tyraniden: Tyraniden sind Zerg-ähnliche Aliens, deren Arme in riesigen Krallen enden, und als ich mit einem solchen Helden den Anführer des Gegners attackierte, spießte dieser seinen Feind nicht nur auf, sondern schmiss ihn in hohem Bogen hinter sich. Anschließend fielen meine restlichen Einheiten über den armen Tropf her - und der Gegner musste buchstäblich dafür bezahlen, um seinen Helden wiederzubeleben.

Zerganiden

Meistens durfte ich als Langsam-Spieler allerdings zusehen, wie mir selbst der Garaus gemacht wurde. Besonders in den späten Minuten der Mehrspieler-Scharmützel kam ich mit dem Bau großer Fahrzeuge nicht mehr hinterher. Denn das Fußvolk verliert im Verlauf einer Partie scheinbar zusehends an Bedeutung - was die kleinen Einheiten etwas entwertet. Sei's drum: Die packenden Stellungsgefechte sind auch zu sechst sehr intensiv! Kleine Ungereimtheiten merzt Relic hoffentlich noch aus.        

Ausblick

Falls Blizzards Sci-Fi-Spektakel ebenfalls im nächsten Jahr erscheint, dürfen sich Taktiker auf ein Duell der Giganten freuen: StarCraft 2 gegen Dawn of War 2 - herkömmliche gegen moderne Echtzeitstrategie. Und Relic wird einen sehr starken Kandidaten ins Rennen schicken! Denn weil das komplette Geschehen im und um den Krieg wenige Charaktere in den alleinigen Mittelpunkt stellt, könnte der distanzierte Blick von der Übersichtskarte endlich in die Köpfe der Protagonisten gehen - etwas, das Valkyria Chronicles erst vor Kurzem auch für die Rundentaktik erreicht hat. Die umfangreichen Möglichkeiten zum Ausbau der Charakter-Werte, die zahlreichen Fähigkeiten und nicht zuletzt die aufwändig inszenierte Geschichte machen jedenfalls Lust auf den zweiten Abstecher in die Warhammer-Zukunft - der taktische Stellungskrieg auf den detaillierten Schlachtfeldern lässt mich die Koffer packen. An Kleinigkeiten in Sachen Steuerung arbeiten die Entwickler hoffentlich noch, und vielleicht verlaufen viele Missionen trotz räumlicher Handlungsfreiheit zu geradlinig. Trotzdem: Als StarCraft-Fan hat mich Dawn of War 2 vorerst überzeugt!

Ersteindruck: sehr gut