Let's Tap - Vorschau, Geschicklichkeit, Wii

Let's Tap
12.03.2009, Benjamin Schmädig

Vorschau: Let's Tap

Schon seltsam: Da sitzt der Mann vor mir, der den coolsten Igel diesseits der Milchstraße zum Leben programmiert hat - und versichert mir, dass Zwischendurch-Casual-Familienunterhaltung jetzt sein Ding ist. Ursprünglich wollte er einen neuen Actionhelden zum Leben erwecken, aber dann war die Wii-Remote auf einmal der eigentliche Star. Irgendwann führt er dann noch aus, dass es dem Erlebnis zugute kommt, wenn alle Spieler erst eine Pappschachtel suchen, bevor sie überhaupt anfangen können. Alles klar? Also, dass Yuji Naka mit schnellen Stacheltieren nur noch am Rande zu tun hat, habe ich kapiert. Aber wovon zum Teufel redet Sonics Papa da?

Prope heißt die Verlockung, der Yuji Naka vor drei Jahren erlegen war. Wegen Prope begleitet er das Erwachsenwerden seines stacheligen Nachwuchses nur noch als Produzent. Prope wird genau so ausgesprochen wie es geschrieben wird. Prope - das ist der Name von Yuji Nakas eigenem



Mr. Prope

Dabei hatte Nakas Team in der Tat erst am Konzept eines Actiontitels gefeilt - als den Entwicklern auffielt, was sich mit Remote und Nunchuck alles anstellen lässt. Irgendwie entstand aus diesen Experimenten schließlich eine Art Minispielsammlung mit ungewöhnlicher Steuerung: Let's Tap (ab 4,30€ bei kaufen). Das so heißt, weil man genau das macht: mit den Fingern auf eine Tischkante tippen. Oder auf einen Schuhkarton. Denn am besten eignet sich eine gerade Oberfläche, die leicht Vibrationen weiterleitet. Im eigentlichen Spiel liegt die Remote schließlich auf der Pappschachtel, während man auf selbiger tippt. Doch woher den Karton nehmen? Und woher gleich vier Kartons nehmen, wenn mal Besuch vor der Tür steht? Pech gehabt: Wo der japanischen Version eine entsprechende Unterlage beiliegt, müssen Europäer erst ihre Wohnung durchsuchen. Klasse Idee, wirklich! Weckt laut Herrn Naka Assoziationen mit dem gemeinschaftlichen Brettspielabend. Natürlich!

So sieht es aus, wenn die ganze Familie glücklich tippt.Entwicklerstudio. Und Let's Tap ist das erste große Spiel der jungen Schmiede.

Klopf' doch mal!

Eine weitere Ankündigung stimmt mich ebenfalls stutzig, denn Sega erklärt Let's Tap zum ersten Videospiel, in dem man keinen Controller in der Hand hält. Stimmt aber nicht. Oder tragt ihr eure EyeToy-Kamera beim Spielen durchs Wohnzimmer? So ganz ohne Remote kommt Let's Tap außerdem nicht aus, denn in den Menüs wird ganz normal gepointet & geklickt. Lediglich das Nunchuk gönnt sich eine Auszeit.

So weit, so gut. Und so merkwürdig die Idee auch klingt: Sie macht neugierig auf den ungewöhnlichen Titel. Denn wie steuert sich ein Horizontal-Shooter, ein Jenga, eine Art 1000m-Hürdenlauf und ein Rhythmusspiel nur durch Antippen? Zugegeben, dass man den Rhythmus fetziger Popmusik mit den Fingern nachtippt, klingt wie ein logisches Konzept. Diesen Modus durften wir in Segas Demo-Version allerdings noch nicht testen. Das gilt auch für den Shooter "Bubble Voyager". Durch leichtes

Hier baut ihr möglichst unfallfrei Klötzchen ab.
Tippen erhöht man dort die Flughöhe eines Kampfjägers, mit einem starken Druck schießt man in das Minenfeld. Abschließend gibt es noch einen Modus, in dem unterschiedliches Tippen verschiedene Effekte hervorruft; u.a. gestaltet man ein Feuerwerk oder spritzt Farbkleckse auf eine Leinwand. Eine kreative, spielerisch aber wohl belanglose Idee.

Der schiefe Turm von Sega

Von den beiden Varianten, die wir uns während der Vorführung ansehen durften, gefiel mir "Silent Blocks" am besten - eine Art Jenga, bei der man zunächst einen Block auswählt, um ihn anschließend durch vorsichtiges Tippen herauszuziehen. Knallt man den Finger wahllos auf die Pappe, bricht der Turm natürlich auseinander. Mitunter kann ein einzelner, harter Tap aber ähnlich nützlich sein wie das schnelle Wegreißen der Tischdecke unter Omas vermeintlicher Ming-Vase. Auf diese Art wird der Turm Stück für Stück abgebaut, wobei von oben ständig neue Steine nachrücken. Ziel ist, dass nach dem Wegziehen eines Steins mindestes drei Steine der gleichen Farbe zusammenkommen. Und am besten baut man so vor, dass man irgendwann mit dem Entfernen eines Steins gleich mehrere Kombos aneinander reiht. Durch Kombos entstehen im simultanen Mehrspieler-Duell besonders markierte Steine, die ebenfalls kombiniert werden müssen - wer das als Erste/r oft genug macht, gewinnt die Runde. Das ist fordernd und für ein paar Minuten verdammt unterhaltsam.

Spielbare Variante Nummer zwei nennt sich "Tap Runner" und erinnert an einen Hürdenlauf der "Summer Games". Sprich: Man sieht vier Strichmännchen, die, von Menschen- oder Computerhand gesteuert, von links nach rechts über einen Hindernisparcours rennen. Rhythmisches Tippen erhöht die Geschwindigkeit, nach einem starken Tippen springt die eigene Figur. Mitunter muss man auch möglichst schnell einen Tipp-Sprint hinlegen,

Und so sieht es aus, wenn bis zu vier Tap Runner taktvoll um die Wette tippen.
schwingt sich über Abgründe - die zahlreichen Laufbahnen werden immer anspruchsvoller. Alternative Routen bringen vor allem später Zeitvorteile, falls man die kniffligere Strecke fehlerfrei absolviert...

Tron Tapper

Man tippt vorsichtig, man tippt im Rhythmus, man tippt mit stärkerem Einsatz: Nein, lange konnte mich das kurze Anspielen für die Vorschau nicht begeistern. Dazu sind die Spiele zu kurz, es fehlen langfristige Ziele und die Steuerung reagiert zwar meist zuverlässig auf das Tippen - manchmal wird aber nicht klar, warum die Remote zu sensibel oder gar nicht reagiert. Ich muss allerdings gestehen, dass die zwei verfügbaren Spiele für eine kurze Zeit durchaus ihren Reiz hatten: Der Wettlauf ist spannend und mit Kumpels ausgesprochen spaßig, während die Jenga-Variante besonders im Duell ein angenehm vertrackter Nerventest sein kann. Abgesehen davon sehen die farbenfrohen Neonwelten vor allem klasse aus! Naka ist zwar bewusst, dass eine Tron-Hommage nicht in die Riege der typischen Familienunterhaltung passt. Er hofft aber, dass sich auch die "Wohnzimmer-Gemeinde", für die das Spiel übrigens zunächst gar nicht gedacht war, mit dem schnittigen Stil anfreunden wird.     

Ausblick

Ich weiß, dass es bereits richtig gute Wertungen zu Let's Tap gibt - trotzdem konnten mich die kurzlebigen Minispiele noch nicht richtig packen. Sie sehen gut aus, sind fordernd und machen vor allem zu zweit, zu dritt oder zu viert Laune. Und da ist natürlich eine innovative Steuerung, die zum größten Teil auch richtig gut funktioniert - wer sich rhythmisch nur ein bisschen zusammenreißt, könnte sein nervöses Fingertippen hier in bare Punkte verwandeln. Doch ich kenne bislang nur zwei von vier Spielvarianten und die Remote reagierte in der vorgestellten Version nicht immer nachvollziehbar. Dass sich hiesige Spieler die zweite Hälfte ihrer Controller erst selbst suchen müssen, ist außerdem eine verdammt unglückliche Lösung. Ich tippe jedenfalls schon mal fleißig - und zwar auf eine nette, aber auch ungewöhnlich mickrige Minispiel-Sammlung. Übrigens: Den ursprünglich geplanten Actiontitel hat Prope inzwischen begraben. Schade um die gute Idee?

Ersteindruck: befriedigend