Virtua Tennis 2009 - Vorschau, Sport, 360, PC, Wii, PlayStation3

Virtua Tennis 2009
15.04.2009, Jörg Luibl

Vorschau: Virtua Tennis 2009

Könnte Ottonormalzocker auf Anhieb zehn Fußballstars nennen? Aber sicher. Jeder kennt die Gladiatoren des Volkssports Nr.1, die gerade wieder auf ihre sommerlichen Höhepunkte zusteuern. Könnte Ottonormalzocker auch auf Anhieb zehn Tennisstars nennen? Also lebende? Da bin ich mir nicht so sicher, denn der Ballsport hat nach dem Beckerboom stetig an Faszination verloren. Immerhin gibt's Roger Federer auch auf Joghurtverpackungen. Aber wer kennt Djokovic, Nalbandian oder Ferrer?

Na, wen haben wir denn da? Nicht nur auf Joghurtverpackungen, sondern auch in Virtua Tennis gibt es den Schweizer Profi. (360)
In Virtua Tennis 2009 (ab 6,99€ bei kaufen) für 360, PS3, PC und Wii kann man nicht nur diese drei spielen, sondern acht weitere männliche und neun weibliche Profis. Darunter befinden sich natürlich die Spitzenreiter der jeweiligen Weltrangliste wie Nadal oder Federer. Neu dabei sind u.a. der Brite Murray sowie die beiden Serben Djokovic und seine Kollegin Ivanovic. Die Fragezeichen im Menü deuten zudem auf ein halbes Dutzend freispielbarer Charaktere, darunter auch "Legenden" wie Edberg oder Becker - unterm Strich wird man so auf acht neue Spieler kommen.

Alte und neue Stars

Auf den ersten Blick hat sich auf Xbox 360 und PS3 nicht viel getan: Wie im Vorgänger zeichnet sich jeder Spieler durch ein Attribut wie "Starke Vorhand", "Allrounder" oder "Großer Aufschlag" aus. Wie im Vorgänger schlägt man entweder Topspin, Slice, Stopp oder Lob und kann ohne viel Training sehr schnell sehr spannende Matches mit bis zu vier Freunden lokal per Splitscreen oder online austragen. Und wie im Vorgänger kann man als Solist eine Karriere starten, die einen an 40 Schauplätze über den kompletten und deutlich verschönerten Erdball führt, um zahlreiche Trainings, Minispiele sowie Turniere zu absolvieren.

Dabei verbessert man nach jeder Herausforderung nicht nur die drei Bereiche Grundschläge, Laufarbeit & Technik sowie Serve & Volley, sondern kann auch sein Konto mit Dollars auffüllen, um in Shops neue Outfits und Schläger zu kaufen - satte 800 Gegenstände soll es geben. Nur so kann man die Karriereleiter vom unbekannten Amateur zum Weltstar aufsteigen. In diesem Modus freut man sich dann über die nah am Spieler postierte Schulterkamera, die sofort für ein Mittendringefühl sorgt. Ob die KI der Gegner mehr als ein müdes Gähnen entlockt, werden wir im Test klären; bisher konnte man sie mit etwas Erfahrung locker besiegen.

Die Tennis-Karrierleiter

Neu ist, dass man den eigenen Charakter dank eines erweiterten Editors wesentlich individueller hinsichtlich Gesicht, Haar, Statur & Co gestalten kann. Außerdem hat Sega sechs neue Minispiele in petto, so dass man jetzt auf ein Dutzend kommt: Im "Piratenkrieg" weicht man z.B. Kanonenkugeln aus und muss die Tennisbälle auf die Schiffe schlagen, damit sie sinken - die eigene Highscore kann man übrigens in Online-Ranglisten laden, was diese kleine Nebenbeschäftigung natürlich etwas interessanter macht.

Ungewöhnlich gut sieht die Wii-Fassung aus: Zwar hinkt man im Detail der Gesichter und der Zuschauer hinter den großen Konsolen her, aber die Centrecourt-Grafik ist ansehnlich. (Wii)
Aber was ist mit dem Spielgefühl? Auch das gleicht auf den ersten Blick dem Vorgänger, da die Steuerung auf PS3 und 360 quasi identisch ist - dazu später. Nur auf Wii ist die Steuerung natürlich anders - und zwar schlechter, viel schlechter: Zwar konnten wir noch nicht mit WiiMotion Plus antreten, das zum ersten Mal bei Virtua Tennis 2009 zum Einsatz kommen und für mehr Präzision sorgen soll. Aber das, was wir bisher mit Nunchuk und Remote erleben konnten, war alles andere als präzise. Es kam nicht ansatzweise ein intuitives Spielgefühl mit flüssigen sowie hinsichtlich Richtung und Taktik gewollten Ballwechseln auf - wir sind nach vielen Glücksballwechseln schnell wieder auf die großen Konsolen umgestiegen.

Das neue Wii-Gefühl?

Wieso, weshalb, warum? Mit dem Analogstick des Nunchuk läuft man, was gut funktioniert. Mit der Remote, die man wie den Griff eines Tennis-Schlägers hält, kann man den Aufschlag ähnlich wie in Wii Sports ausführen sowie Vor- und Rückhand nachahmen, was - bis auf den Aufschlag - bisher schlecht funktioniert. Man kann frei oder mit einer Grafikhilfe spielen, die einen Balken samt Mittelpunkt anzeigt, auf dem sich ein Strich von links nach rechts bewegt: Fuchtelt man mit der Remote früh, schlägt man nach links, fuchtelt man genau zentral, schlägt man mittig, fuchtelt man spät, schlägt man nach rechts, fuchtelt man zu spät, trifft man gar nichts.

Aber leider spielt sich das Ganze bisher sehr chaotisch. Ob das daran liegt, dass wir bisher nicht mit WiiMotion Plus antreten konnten? Immerhin klappen die Aufschläge noch. (Wii)

Ich sage bewusst fuchteln, denn die Remote-Haltung ist nur bedingt relevant: Mal schlägt man eine Vorhand, obwohl man klar die Rückhand nachahmt, mal kommt der Ball kräftig, obwohl man nur leicht schlägt, mal gibt es Slice, mal Topspin, mal Stopp - obwohl man etwas ganz anderes vorhatte. Und auch das Balkensystem ist nur in der Theorie sowie auf der Grundlinie tauglich, denn spätestens beim Serve & Volley kann man es vergessen, da man am Netz nur noch wild um sich schlägt und keine Zeit für Richtung oder Schlagart hat.

Man kann auf Wii ohnehin nur einen Schlag auf Knopfdruck erzwingen: den Lob. Warum kann man nicht auch Topspin und Slice erzwingen, obwohl doch genau diese Wahl ganz entscheidend für die Taktik ist? Oder haben wir den bzw. die Buttons nicht gefunden? Kann man dieses Spiel mit WiiMotion Plus vielleicht noch retten oder gar präziser gestalten? Wer weiß, ob das Training innerhalb der Wii-Fassung da noch wichtige Fragen beantwortet, aber das war in der Vorschaufassung leider nicht zugänglich - was natürlich denkbar unglücklich ist, wenn man sich einen ersten Eindruck verschaffen soll. Unterm Strich hinterlässt der Filzball auf dem Nintendo-Centrecourt jedenfalls eine überaus wankelmütige Flugkurve. Direkter, präziser und unterhaltsamer wird es nebenan bei Sony und Microsoft.      

Keine Hechtsprünge mehr, stärkere Lobs - dieses Tennis wurde an den richtigen Stellen verbessert. (PS3)
Also schnell weg von der Wii-Fassung, die im jetzigen Zustand klar unter Mario Power Tennis - New Play Control! anzusiedeln ist, hin zum richtigen Virtua Tennis-gefühl auf Xbox 360 und PS3: Hier entdeckt man spätestens auf den zweiten Blick kleine, aber feine Unterschiede gegenüber dem Vorgänger, die das Spiel letztlich besser machen. Es wird z.B. nicht mehr übertrieben gehechtet, dafür geraten Spieler in eine sehr gut animierte Stolperphase, wenn sie einen Ball gerade noch erreichen, die nicht nur wesentlich natürlicher aussieht, sondern auch einen Zeitverlust nach sich zieht - sprich: Der Spieler muss sich erst drehen oder aufrappeln.

Weniger spektakulär, etwas realistischer

Außerdem hat man den Lob deutlich effizienter gemacht: Konnte man im Vorgänger noch fast jeden hohen Ball kräftig zurück schmettern, wird man jetzt viel öfter überrumpelt, wenn man einfach ans Netz stürmt - das bereichert das Spielgefühl um einen Überraschungsmoment. Schließlich ist auch die eigene Position beim Schlag wichtiger: Kam es im Vorgänger noch zu einigen automatischen Anpassungen, wirkt sich jetzt viel markanter aus, wo man vor dem Schlag steht.

Unterm Strich fühlt sich dieses Tennis aufgrund dieser Änderungen zwar etwas weniger spektakulär, etwas weniger arcadig, aber dafür auch realistischer an - und das ist gut so, denn die Ballwechsel gewinnen an taktischer Tiefe. Trotzdem bleibt eher ein Add-On-Geschmack zurück, denn Sega war hinsichtlich der Spielmechanik nicht so konsequent, dass man wirklich von einem neuen Erlebnis sprechen könnte: Dafür hätte man auch die Aufschläge und die Stopps spürbarer verbessern bzw. leicht verändern müssen. Es bleibt dabei, dass Erstere nicht effizient genug und Asse damit quasi Fehlanzeige sind, wenn der Retournierer nicht selbst einen Fehler macht. Außerdem bleibt es dabei, dass Letztere nur über das gerade Zurückziehen des Analogsticks bei einem Slice eingeleitet werden können - das hätte man intuitiver gestalten können.

Leider hat man sich bei den Aufschlägen und Stopps nicht so viele Gedanken gemacht: Die wirken noch genau so wie im Vorgänger. (PS3)
Grafisch wirkt das Spiel vor allem hinsichtlich der Animationen ansehnlich. Egal ob Volley, Schmetterball oder Topspin - das sieht alles flüssig und natürlich aus; frustrierte Profis treten schon mal um sich, wenn sie einen Fehler machen, oder recken die Faust in die Höhe. Außerdem kann man endlich bewegte Kameramännern und Fotografen sehen. Aber das sind alles grafische Selbstverständlichkeiten, die die kleinen Schwächen nicht verdecken: Wenn die Kamera in die Gesichter oder auf die Statur der Stars zoomt, hinterlassen diese noch einen wächsernen und damit künstlichen Eindruck. Außerdem bemerkt man kaum den auffliegenden Staub auf einem Sandplatz, die Kleidung klebt statisch am Körper und viele Hintergründe, vor allem Gebäude, wirken noch zu platt und steril. Und wieso stehen eigentlich zwei Kameramänner samt Fotograf bei einem schnöden Training in der Karriere auf dem Platz?

Kulisse & Publikum

Unterm Strich ist die Kulisse dennoch ansehnlich - vor allem auf Wii wurden wir überrascht, denn dort werden die technischen Möglichkeiten der Plattform sehr gut ausgenutzt. Bis auf die weniger detaillierten Gesichter erreicht man fast das Niveau der großen Konsolen. Die Geräuschkulisse ist allerdings noch die größte Baustelle auf allen Systemen, denn sowohl Spieler als auch Publikum reagieren noch nicht authentisch genug auf das, was um sie herum geschieht - hoffentlich kommt da noch eine bessere akustische Dynamik auf, die wirklich auf das reagiert, was auf dem Centrecourt passiert. Auch so manches unfreiwillig komische Vokalstöhnen der Marke "Aah", "Ooh" und "Uhh" wird sicher noch genau so für die finale Version überarbeitet wie die viel zu langen Ladezeiten in der Karriere oder sporadische Ruckler im Offline-Tennis.    

Ausblick

Sega wird als erster Dritthersteller WiiMotion Plus unterstützen. Und dieses Tennis wird auf Wii komplett online spielbar sein. Und der Sport sieht auf Nintendos Konsole zudem unheimlich gut aus. Hört sich alles gut an? Ja. Ist es aber nicht. Denn Virtua Tennis fühlt sich mit Remote und Nunchuk auch unheimlich chaotisch an - es will einfach kein intuitiver Spielfluss mit packenden Ballwechseln aufkommen, stattdessen regieren Glück und Gefuchtel. Das ist unheimlich schade, denn das Drumherum stimmt ja. Ob WiiMotion Plus das noch retten kann? Abwarten und Daumen drücken, aber bisher konnten wir das nicht ausprobieren. Wichtig ist: Virtua Tennis 2009 fühlt sich auf PS3 und Xbox 360 deutlich besser an als der Vorgänger. Es macht sofort Spaß, denn es zeigt sich taktischer und authentischer, da man die Hechtsprünge entfernt und den Lob aufgewertet hat. Zwar geistert auch ganz schnell das Add-On-Gespenst über dem Centrecourt, weil Änderungen beim Aufschlag oder dem Stopp in der Spielmechanik fehlen, aber in der Redaktion folgte schnell ein heiß umkämpftes Match dem anderen - das macht einfach Laune! Wir sind gespannt, ob die Karriere langfristig unterhalten kann und was man sich für Online-Profis ausgedacht hat. Und natürlich hoffen wir, dass WiiMotion Plus den Steuerungs-Matchball gegen Nintendo noch abwehrt.


Ersteindruck PS3/Xbox 360: gut

Ersteindruck Wii: ausreichend