Might & Magic: Clash of Heroes - Vorschau, Taktik & Strategie, 360, PlayStation3, NDS, iPhone, iPad, PC

Might & Magic: Clash of Heroes
28.07.2009, Benjamin Schmädig

Vorschau: Might & Magic: Clash of Heroes

Warum gibt es eigentlich so wenig Puzzle Quest-Nachahmer? Ein entsprechendes Gerüst ist - laut Aussage der Entwickler - immerhin schnell konzipiert, die Produktionskosten halten sich in Grenzen und das Prinzip "Du sollst den Angriff nicht vor dem Puzzle (aus)lösen" erfreut sich offenbar großer Beliebtheit. Wieso schnappt sich also z.B. Ubisoft nicht einfach eine namhafte Lizenz, sagen wir Might & Magic, formt die taktischen Gefechte in Knobel-Kämpfe um - und fertig wäre ein Erfolgsgarant!

Doch da liegt eben das Problem: Ubisoft ist einfach viel zu dickköpfig! Die Franzosen wollen sich partout darum drücken, uns eine solch dreiste Kopie vorzusetzen. Knobel-Kämpfe? Die Idee ist ja gut. Aber man muss doch etwas finden können, das die Puzzle Quest-Macher nicht schon selbst in irgendeiner Form ausgeschlachtet haben. Und siehe da: Entwickler Capybara hat's gefunden!

Dickköpfige Lizenznehmer!

Capybara - nie gehört? Kein Wunder: Die kanadischen Independent-Entwickler haben ihr Mobilfunk-Repertoire erst vor kurzem um den DS (Clash of Heroes) sowie das PlayStation Network (Critter Crunch) erweitert. Und meine Herren, sie könnten mit dem Might & Magic-Ableger gleich einen richtigen

Dabei habe ich mich trotz meiner vergangenen Puzzle Quest-Sucht und einiger Parallelen in der ersten Stunde richtig schwer mit dieser Fantasy-Geschichte getan. Mit dem einfachen Zusammenbau gleichfarbiger Steine ist es diesmal nämlich nicht getan. Im Gegensatz zu Infinite Interactive setzt Capybara schließlich nicht auf bekannte Puzzle-Mechanismen wie Bejeweled im ersten Puzzle Quest oder Reversi in neopets. Stattdessen mischen die Entwickler typische Elemente wie das Kombinieren gleicher "Steine" mit taktischen Überlegungen, die über das Sammeln von Magiepunkten und den Einsatz von Zaubersprüchen hinausgehen.

Video: Der Trailer gibt einen kurzen Einblick in den Might & Magic-Ableger.Volltreffer landen!

Die wilden Jahre beginnen erst

Aber worum geht es eigentlich? Was hat der "kleine" DS-Abstecher mit dem großen Might & Magic zu tun? Wieso wird die Geschichte in Comic-Bildern erzählt? Und warum spielen plötzlich Kinder die Hauptrolle - vom Argument der angepeilten Zielgruppe mal abgesehen? Was in dem sonst so erwachsenen Fantasy-Universum merkwürdig erscheint, ist allerdings durchaus nachvollziehbar. Immerhin erzählt Clash of Heroes davon, was den bekannten Abenteurern Anwen, Godric, Aidan, Fiona und Nadia 40 Jahre vor der Heroes V-Saga geschehen ist. Kindlich geht es dabei nur auf den ersten Blick zu, denn die späteren Helden müssen gleich zu Beginn mit ansehen, wie ihre Welt von Dämonen überrannt wird; wie ihre Familien und Freunde in Gefangenschaft geraten oder gar getötet werden. Den Kids bleibt nur eine Wahl: Erst müssen sie verhindern, dass die Wesen der Unterwelt Zwietracht unter ihren Völkern säen, um die Dämonen anschließend endgültig zu vertreiben!

Der Großteil der Geschichte wird in solchen Dialogen erzählt.
 Straffes Drehbuch

Ganz ähnlich wie in Puzzle Quest bewege ich also meine Elfe (in der Vorschau-Version ist nur Anwen spielbar - erst spätere Kapitel führen die Handlung aus der Sicht der anderen Helden fort) über eine Weltkarte, die mich durch einen Wald samt Höhlen, Dörfern und einem turmhohen heiligen Baum führt. Per Knopfdruck unterhalte ich mich mit wichtigen oder unwichtigen Personen, nehme für einen zusätzlichen Obolus optionale Aufträge entgegen, beginne Kämpfe oder kaufe an entsprechenden Stellen neue Einheiten. Anders als in Puzzle Quest scheint mein Weg allerdings stark vorgezeichnet; die wenigen freiwilligen Missionen und die automatische Charakterentwicklung (Anwens Verteidigungsfähigkeiten und Gesundheit werden im Laufe der Zeit stärker) führen mich jedenfalls sehr geradlinig durch die Erzählung. Einige Fußmärsche zu den Auftraggebern oder Händlern fallen hingegen unangenehm lang aus. Hoffentlich öffnet sich das Spiel in späteren Abschnitten, während es die Laufwege verkürzt.

Im Gegenzug wirkt die Geschichte dadurch natürlich straffer, was der Spannung zugute kommt. Und wichtige Gefechte stehen damit an der Tagesordnung, während man sich in Puzzle Quest wochenlang in nebensächlichen Missionen verlieren konnte. Doch was passiert, wenn sich die gegnerischen Armeen schließlich gegenüberstehen - der Feind auf dem oberen Bildschirm, die eigenen Truppen auf dem unteren Bildschirm? Jetzt beginnt der Kopf zu rauchen!

Denn anders als in Puzzle Quest reicht nicht das Zusammenlegen irgendwelcher Steine, Perlen oder Minen, um Mana aufzuladen oder dem Feind mit einer Explosion zuzusetzen. Vielmehr ist es mein Ziel, den Bildschirmrand hinter den gegnerischen Truppen anzugreifen, denn nur dort kann ich meinem Widersacher Schaden zufügen. Einzelne Einheiten können allerdings nicht attackieren - das können nur zu Dreiergruppen gestapelte gleichfarbige Truppen. Ich muss also dort Drillinge zusammenziehen, wo die feindlichen Reihen möglichst dünn sind und wo mein Widersacher keine eigenen Dreiergruppen gebildet hat.       

Aus drei mach eins

Würde ich mich jedoch nur auf den Angriff verlassen, stünde ich bald auf verlorenem Posten - eine starke Defensive entscheidet fast immer über Sieg oder Niederlage! Gut deshalb, dass drei nebeneinander platzierte Einheiten zu einer Verteidigungsmauer mutieren und selbstständig direkt vor die feindlichen Truppen rücken. Noch besser: Ich kann jede Mauer durch eine dahinter gebildete Mauer verstärken. Ähnliches gilt auch für Angriffs-Trios. Denn wenn ich irgendwo eine Troika derselben Farbe bilde, führen beide einen stärkeren Angriff aus. Noch mächtiger wird die Attacke, falls ich einen gleichfarbigen Drilling direkt hinter dem bereits vorhandenen positioniere.

Doch kann ich denn beliebig walten und schalten? Mitnichten - schließlich stehen mir für meinen Zug gerade mal drei Bewegungen zur Verfügung! Nur wenn es mir gelingt, durch das dauerhafte Entfernen einer Einheit eine Dreiergruppe zu bilden, erhalte ich eine zusätzliche Bewegung... Sind alle Truppen irgendwann verbaut, muss ich übrigens Nachschub rufen, was ebenfalls eine Bewegung kostet. Auf jeden Fall "regnet" es hier nach einer Bewegung keine neuen Spielfiguren auf das Schlachtfeld.

Der verzögerte Angriff

Ich habe also Dreiergruppen gebildet, mein Zug ist beendet - und jetzt beginnt die Attacke meiner Truppen? Immer noch weit gefehlt. Je nach den zusammengerückten Einheiten benötigen die Angreifer nämlich unterschiedlich viele Züge, bevor sie überhaupt losstürmen.

Spezialangriffe wie dieser können die gesamte Abwehr durchbrechen - hoffentlich halten die Mauern...
Und um das Prinzip noch kniffliger zu machen, laden sich sowohl Mauern als auch Angreifer so lange auf, bis sie vernichtet werden oder attackieren... Zu diesem schon jetzt hervorragend vertrackten Denkspiel kommen außerdem noch mächtige Fähigkeiten hinzu, die man nur alle Jubeljahre einsetzen darf, also möglichst clever nutzen sollte.

Abgesehen davon gibt es besonders starke, vier Felder große Einheiten, deren Kauf bares Geld kostet und die nicht weniger als vier gleichfarbige Truppen zum Aktivieren benötigen. Nicht zu vergessen auch der spezielle Ausrüstungsgegenstand, den ich Anwen anlegen darf: So steigt entweder ihre Lebenskraft, ihre Mauern regenerieren sich schneller oder gemeinsam attackierende Einheiten richten mehr Schaden an. Nicht zuletzt kommt zwischen den Gefechten auch hinzu, dass meine verwendeten Einheiten durch die gewonnene Erfahrung stärker werden. Immerhin kann Anwen auf der Weltkarte jederzeit wählen, welche der acht Einheitentypen mit welcher Wahrscheinlichkeit zufällig auf dem Schlachtfeld verteilt werden...

"Puzzle Quest? Kinderspiel!"

Gut, dass sich Clash of Heroes viel Zeit nimmt, mich mit seinen Eigenheiten vertraut zu machen! Diese Knobel-Kämpfe sind verdammt clever ausgeklügelt - das Bejeweled-Prinzip wirkt rückblickend wie ein Kinderspiel. Ich hoffe nur, dass die späteren Kämpfe fordernder werden. Denn selbst nachdem mir das Konzept irgendwann vertraut war, stellten selbst Zwischengegner keine Herausforderung dar. Ich rechne nicht damit, aber es wäre einfach zu schade, würde Capybara spielerisch nur Gelegenheits-Knobler ansprechen.

Es wäre vor allem um die Abwandlungen des normalen Prinzips schade. Um Bossgegner, z.B., die Zug für Zug über den oberen Bildschirm stapfen, vor einem Angriff langsam ausholen und mich vor die Entscheidung stellen: Soll ich den Angriff blocken, das Zentrum des baldigen Geschosses attackieren oder den Gegner direkt angreifen? Es wäre auch um Ziele schade, die ich vor einem Angriff schützen muss. Oder um "Zivilisten", die in der oberen Hälfte hin und her rennen - wann kann ich wo Truppen kombinieren, damit sie bei ihrem später stattfindenden Angriff nicht meinen verwundbaren Verbündeten treffen? Und es wäre schade um kleine Rätsel: Wie muss ich die vorgegebenen Einheiten kombinieren, damit ich mit nur einem Zug alle Gegner besiege? Ich glaube zwar daran, dass sich die Entwickler des Potentials bewusst sind - der Ableger wirkt einfach zu ausgefeilt, als dass er an Unvorsichtigkeiten scheitern darf. Dennoch: Die ersten Stunden waren noch zu wenig fordernd.

Bastler, Bosse & Beschützer

Eine Unvorsichtigkeit leistet sich unsere Vorschau-Fassung allerdings: Mehrspieler-Gefechte kamen noch nicht zustande, weil sich unsere zwei Handhelds partout nicht finden wollten. In der fertigen Version dürfen aber zwei Spieler aus jeweils zehn Helden wählen und ihre Armee zusammenstellen, um sich anschließend im WiFi-Duell zu beweisen. Doch falls sich bestätigt, was aus Hauptmenü und Pressetext hervorzugehen scheint, steht das Solo-Abenteuer ohnehin im Vordergrund.    

Ausblick

Ich hatte mir von diesem Might & Magic-Ableger ähnlich viel erwartet wie von einem Uwe Boll-Film: Ein Abstecher auf der "schwachen" Hardware KANN doch nur bedeuten, dass Ubisoft nur die namhafte Lizenz ausschlachten möchte... Gott sei Dank hatte ich keinen Schimmer davon, woran die kanadischen Entwickler tatsächlich werkeln - dann hätte ich nämlich schon seit Wochen wie auf Hummeln auf das fertige Spiel gewartet! So muss ich zumindest "nur" seit einer Woche mit den dicken Insekten leben; wer auch nur ein Fünkchen für süchtig machendes Knobeln und packende Kämpfe übrig hat, sollte Clash of Heroes jedenfalls sofort auf seinen Einkaufszettel setzen. Denn während die liebevollen Zeichnungen und Figuren im Stil japanischer Rollenspiele eine spannende Geschichte erzählen, ließen mich die überraschend vielschichtigen Gefechte gefährlich tief in dem Spiel versinken. Wenn das Abenteuer weiterhin abwechslungsreiche Aufgaben parat hält, wenn sich seine Welt noch öffnet und wenn ich in den kommenden Kämpfen stärker gefordert werde, dann dürfte Clash of Heroes das neue Puzzle Quest werden!

Ersteindruck: sehr gut