Risen - Vorschau, Rollenspiel, 360, PC
Robinson Namenlos
Die Sonne lacht über riesigen Palmen, während die Brandung im Rücken des Helden rauscht - es fehlt nur noch weißer Sand und eine Pina Colada. Aber ganz so idyllisch ist es dann doch nicht, denn der Strand ist erstens steinig und dunkel. Und zweitens liegen überall Trümmer und Tote, während irgendwo im Hintergrund eine schwarze Wolke gen Himmel schwelt und der Boden bebt. Was war das für ein Schiff? Wo kommt man her? Was ist hier bloß passiert?
Auf jeden Fall haben die Essener ihre Kulisse gegenüber Gothic 3 deutlich verbessert. Zwar kommt man nicht mal ansatzweise an die Details heran, die ein Crysis oder Uncharted in einem ähnlichen Szenario anbietet, aber auch ohne diese Polygonpower kann sich die Umgebung sehen lassen. Und vor allem hören lassen: Zwar lässt so manches Monsterfauchen akustisch zu wünschen übrig, aber dafür passen die sanften Gitarrenklänge mit ihren markanten Zupfern wunderbar zum mediterranen Eindruck - die traurige Melodie hat mich ein wenig an das Thema von Eastwoods aktuellem Film Gran Torino erinnert. Aber weg von Clint, hin zu Risen: Insgesamt ist die Spielwelt kleiner als noch in Gothic 3; sie erreicht quasi die Größe von Gothic 2, wobei 60% über und 40% unter Tage in diversen Katakomben verteilt sind. Davon habe ich erst ein paar mit Fackel erforschen können und hoffe, dass da noch mehr an Fallen und Überraschungen auf mich wartet - bisher war das sehr gewöhnlich. Wer nicht alles zu Fuß erkunden will, kann übrigens nicht auf Reittiere steigen, aber Teleporter nutzen.
Idyllisches Inselflair
Zwar nutzt man für die Hintergründe immer noch einen Weichzeichner und bei Kontakt bewegt sich weder ein Blatt noch ein Farn, aber die Insel wirkt überaus stimmungsvoll. Dazu trägt auch die exotische Architektur bei: Freut euch auf Tempel, die windschief aus dem Dschungel ragen und mediterrane Häuser mit kalkweißem Anstrich. Aber zurück zum Helden ohne Gedächtnis: Was soll er eigentlich machen? Die Insel ist schön, aber wo ist die Story? Ein kurzer Klick auf eine Lady in weinrotem Rock bringt diese wieder auf die Beine und das Tutorial kann beginnen.
Sara in Langeweile
Mal abgesehen davon, dass sie aufgrund ihrer extremen Oberweite auch sofort in der Künstliches-Babe-Schublade landet, die andere Entwickler aus gutem Grund mittlerweile vermeiden: Das Einzige, was an ihr gut aussieht, ist in Ansätzen die Mimik sowie der Wollstoff - der wirkt natürlicher als ihr Monstertop. Aber alles, was sie von sich gibt, auch später als sie tatsächlich alleine in einem verlassenen Haus bleiben will, wirkt einfach unglaubwürdig. In den Dialogen fallen dann sofort die veralteten Gesten auf: Die Leute heben und senken ihre Arme wie Gelenkpuppen - das sieht heutzutage viel zu steif aus. Mal abwarten, ob Dialoge und Quests das auf lange Sicht augleichen können.
Plumper Ersteindruck
Sehr schön, denn wenn man das durchzieht, versöhnt das für den ersten Auftritt eines Charakters, der hoffentlich nicht symptomatisch für den Rest der schauspielerischen Leistungen ist - immerhin sind mir schon einige glaubwürdige Charaktere begegnet. Denn ansonsten fühlt sich Risen durchaus an wie ein Gothic 4: Spätestens, wenn man Kräuter pflückt, Tiere ausnimmt und sein Fleisch wie in alten Zeiten in einer Pfanne am Feuer brät - übrigens immer noch, ohne dass man es sieht. Könnte man da im Jahr 2009 nicht wenigstens einen zischenden Polygonklumpen rein legen? Trotzdem wird man in manchen Situationen nostalgisch besänftigt, auch wenn dieses Risen dem ersten Anschein nach nicht der wichtige kreative Schritt nach vorne sein wird, der innerhalb des Genres und auch für Piranha wichtig wäre.
Manche Dinge wirken angenehm vertraut, manche verstaubt, manche einfach plump: Warum liegen z.B. überall Goldmünzen herum? Und sogar Diamanten? Selbst wenn man die Ausgangssperre berücksichtigt, die die Inquisition ausgesprochen hat, würden sich die Wachen oder die herum streunenden Banditen mit dem funkelnden Klunker eindecken. Auch so manche prall gefüllte und natürlich unverschlossene Kiste wirkt wie ein Fremdkörper in der Gegend. Klar nimmt man die leichte Beute gerne mit, aber freut man sich darüber? Nein, denn dafür müsste es vorher den Reiz der Erkundung und geschickte Andeutungen geben. So sammelt man einfach nur alles ein, was scheinbar ohne Grund verstreut wurde.
Man kann sich drei Fraktionen anschließen - und das weiß man schon nach ein, zwei Gesprächen: Den Ordenskriegern, die
quasi als Kampfmagier auftreten, den Magiern, die sich nur auf Zauber konzentrieren sowie den Banditen, die als reine Kämpfer auftreten. Hier lüftet man für meinen Geschmack zu schnell den Mantel der politischen Verhältnisse. Man weiß sehr früh, was auf der Insel Sache ist. Wäre es nicht besser gewesen, den Spieler erst mal etwas recherchieren zu lassen? Es gibt nur ein Geheimnis, das Risen hoffentlich im späteren Verlauf etwas mysteriöser macht: Die seltsame dunkle Welle, die das Land erschütterte und all die Ruinen hervor brachte, die die Spielwelt scheinbar bedrohen.Eine Insel, drei Parteien
Immer wieder kommt es zu kleinen Beben auf der Insel, die allerdings nicht immer überzeugend inszeniert werden. Während es in den Höhlen noch angenehm von der Decke rieselt, fühlt sich das Ganze in der freien Natur an wie ein Kamerafehler, zumal der Held keinerlei körperliches oder akustisches Feedback wie ein Schwanken oder einen verwunderten Kommentar von sich gibt. Warum nimmt der die Beben einfach so hin? Mal abwarten, welche Rolle das noch dramaturgisch spielt.
Mit Schwert, Axt & Bogen
In den ersten Spielstunden hat das gegen Wölfe, Vogelviecher, Grabmotten & Co allerdings noch keinen großen Spaß gemacht. Man haut alles weg, ohne dass Nervenkitzel aufkommt. Das liegt nicht nur am plumpen Auftauchen, sondern auch an den hölzernen Animationen der Feinde - die Wölfe weichen zwar aus, aber bewegen sich dabei viel zu kantig. Und bei Treffern bemerkt man im Kampf kaum ein Zucken oder je nach Trefferart eine andere Verletzungsbewegung beim Gegner. Und wieso kann ich mich ohne Schleichkunst überhaupt einem Wolf so weit nähern, dass ich ihm direkt drei Hiebe von hinten verpassen kann, ohne dass er mich vorher wittert? Anlass zur Hoffnung, was Animationen und Figurendesign angeht, geben die Gnome, die wie Ewoks durch den Dschungel wuseln, Leichen fleddern und selbst den Helden bestehlen. Hoffentlich kommen da noch weitere humanoide Wesen mit Überraschungseffekt.
Der Wildschweintest
Erst im Laufe des Abenteuers geht es etwas ausgefeilter mit Konterschlägen und Kombinationen zur Sache, wobei der Held je nach Ausbildung auch seine Kampfhaltung ändert; man kann auch den Schild zur Abwehr oder für eine überraschende Finte nutzen. Im Vergleich zu Gothic 3 geht es dabei etwas weniger chaotisch zur Sache, aber die Kämpfe müssen sich auf lange Sicht erst noch beweisen - packende Zweikämpfe à la Demon's Souls (PS3), in denen man bei jedem Gegner mitfiebert und mit Herzklopfen in jeden Kampf geht, weil es auf jede kleine Bewegung ankommt und die Riposte wirklich tödlich ist, sucht man in den ersten Stunden jedenfalls vergebens.
Eine echte Party oder Gefährten gibt es nicht, dafür kann man z.B. ein Skelett beschwören, das für einen kämpft, oder mal einen Quest in Begleitung absolvieren. Die ersten Missionen sorgen allerdings noch für müdes Gähnen: Sammle zehn Kornpflanzen, töte ein Rudel Wölfe, finden die Hafenstadt, besorge dir einen Kampfstab. Man muss natürlich abwarten, wie sich das Abenteuer entwickelt, aber der Einstieg ist denkbar gewöhnlich. Und auch die Tatsache, dass man auf zwei Wegen in die Stadt kommen kann, kennt man aus zig Rollenspielen - hoffentlich wird das Questdesign noch kreativer.
Inventar & Charakterentwicklung
Bei der Entwicklung des Helden bleibt alles beim Alten: Wie gehabt gewinnt man über Kampf und Quests Erfahrung bzw. Lernpunkte, die man nicht sofort in den Ausbau seiner Fähigkeiten investieren kann, sondern erst bei einem entsprechenden Trainer, die sich je nach Fraktion unterscheiden. Wer Diebeskünste entwickeln will, sollte sich bei den Banditen in der Hafenstadt umschauen; wer mit dem Stab zuschlagen will, sollte sich bei den Mönchen umschauen. Neben sechs körperlichen Werten wie Lebenspunkte, Stärke oder Geschick gibt es fünf Kampfkünste vom Schwert über Axt bis hin zur Armbrust sowie die vier Bereiche Kristallmagie mit drei Zaubern, Runenmagie für Schriftrollen, Herstellung für Alchemie und Schmiedekunst . Schließlich gibt es auch noch Diebesfähigkeiten wie das Schleichen oder Schlösser knacken.
Reaktionen anno Gothic
Aber leider ist man hier nicht konsequent: Man stiehlt eine teure Schriftrolle vor den Augen des Besitzers und wird bewusstlos geschlagen - aber sie bleibt dennoch im eigenen Inventar! Danach raubt man seine Truhe aus, wird wieder bewusstlos geschlagen - aber alle Schätze bleiben ebenfalls im Inventar! Was soll das? Wieso soll ich das Schleichen überhaupt erlernen, wenn ich mich so plump bedienen kann? Und warum bekomme ich nach diesem Diebstahl nicht umgehend Hausverbot?
Erst wenn ich mich mit der Waffe wehre bzw. attackiere, kann es passieren, dass der Charakter nicht mehr mit mir sprechen will. Das führt dazu, dass er mir keine Quests mehr geben kann - das ist endlich mal konsequent. Hier hilft dann nur noch die Anwendung eines Witze-Zaubers, um seine schlechten Erinnerungen quasi auszulöschen und von vorne zu beginnen - das ist wiederum künstlicher Humbug zum Wohle des Spieldesigns, denn nur so lassen sich Sackgassen verhindern. Oder hätte man das auch geschickter lösen können?
Die Charaktere haben übrigens einen Tagesablauf und natürlich geht die Sonne unter. Ein Tag in der virtuellen Spielwelt soll etwa zweit Stunden echter Spielzeit entsprechen. Ich bin gespannt, inwiefern sich der Alltag der Leute bzw. die Tageszeit auf die Quests auswirken.
Ausblick
Mit Risen geht das Team von Piranha auf Nummer sicher. Das ist aufgrund des Gothic 3-Debakels psychologisch und wirtschaftlich verständlich - noch so ein Bugmonster und das Studio in Essen ist gegessen. Und das wünscht den Jungs niemand. Aber so hübsch der Dschungel auch aussieht, so angenehm die Gitarrenzupfer klingen: Aus rein inhaltlicher Sicht bedeutet das scheinbar auch Stillstand. Gothic war einmal kreativer Pionier und auch auf internationaler Ebene hinsichtlich des Figurenverhaltens ein Vorreiter. Risen scheint Anfang Oktober solides Rollenspielhandwerk anzubieten, quasi ein Gothic, wie es 2006 sein sollte - nur mit kleinerer Spielwelt, übersichtlicherem Inventar, besserem Gegnerverhalten und taktischerem Kampfsystem. Ein Bugdesaster ist nicht zu befürchten: Technisch gab es in unserer Fassung lediglich kleinere Probleme, wenn der Held manchmal ohne Grund einen halben Meter zurück glitt oder statt des Inventars der Frisureneditor aufgerufen wurde. Aber wichtiger ist: Kann man auch inhaltlich mit den Dialogen, Quests und Erkundungsreizen überzeugen? Kann man Spannung im Kampf erzeugen? Kann man mich neugierig auf die Insel machen? Der Einstieg hat mich jedenfalls noch nicht begeistert. Da wirkt vieles zu künstlich und gewöhnlich, mir fehlt der kreative Fortschritt und die Inszenierung packender Momente. Aber noch bleibt festzuhalten: Ich habe viel zu wenig gesehen. Und wichtige Dinge wie die Story oder die Charakterentwicklung zwischen den drei Fraktionen habe ich daher in diesem Ersteindruck außen vor lassen müssen. Die vier Kapitel sollen laut Entwickler knapp 50 Stunden unterhalten. Wenn sie nach fünf Stunden die Kurve kriegen, wird das vielleicht noch ein richtig gutes Rollenspiel - ich drücke die Daumen!
Ersteindruck: befriedigend