FIFA 10 - Vorschau, Sport, 360, PC, iPhone, PlayStation3, Wii, PSP, PlayStation2, NDS

FIFA 10
04.09.2009, Jörg Luibl

Vorschau: FIFA 10

Wenn die Flure lebendig werden: Eine zu 95% fertig gestellte Version von FIFA 10 (ab 1,99€ bei kaufen) sorgt seit knapp zwei Wochen für Jubel, Flüche und Geschrei in der Redaktion. Bisher konnten wir immer nur kurz reinschnuppern und über die neuen Features berichten, aber jetzt rollte der Ball endlich so lange und flüssig, dass auch die Spielmechanik beurteilt werden kann. Fühlt sich der Kick besser an? Lohnt sich das Warten? Wir haben die Xbox 360- und PS3-Fassungen ausgiebig gespielt.

Lebendig, packend und körperbetont: Je nach Statur und Stärke ändert sich das Zweikampfverhalten.
Das Beste an diesem FIFA 10 ist das unheimlich lebendige Zweikampfverhalten: Es sieht einfach klasse aus, wenn Stürmer und Verteidiger aufeinander treffen und ihren Körper einsetzen, um das Leder am Fuß zu behalten - da wird geschoben, gedrängt und gehalten; vor allem, wenn beide Spieler etwa gleich groß sind und hartnäckig um jeden Zentimeter kämpfen. Je nachdem, wie energisch es im Tackling zur Sache geht, kann man hier das Gleichgewicht verlieren, den Ball verstolpern und gleich wieder zurückerobern. Das mag sich banal anhören, aber dieses Hin und Her wird hier besser simuliert als im Vorgänger.

Lebendige Zweikämpfe

Und man kann sehr gut erkennen, wie sich die Statur auf diese Duelle auswirkt, wenn etwa ein Riese wie van Buyten einfach so einen Zwerg wie Messi abprallen lässt oder gar wegschiebt. Im Gegensatz zur Vorschaufassung von Pro Evolution Soccer 2010 kommt es hier nicht zu diesen geradlinigen und künstlich wirkenden Spurts, in denen der Ball führende selbst bei Kontakt mit dem Verteidiger nicht die Balance verliert. Ich bin gespannt, ob Konami in der finalen Fassung dieses wichtige Zweikampfverhalten besser simuliert.

Wo wir gerade bei der Konkurrenz sind: Erstaunlicherweise liegen die Japaner in einem anderen Bereich vorne - dem der Gesichter. In FIFA 10 sehen selbst bekannte deutsche Profis wie Mertesacker, Trochowski, Jansen oder Enke nicht wie ihre

EA muss an den Kopfbällen arbeiten: Sie sind noch nicht wuchtig genug.
realen Vorbilder aus; auch bei einigen internationalen Kickern kommt man nicht an die Authentizität heran, die man dieses Jahr in PES 2010 findet. Dafür ist FIFA 10 wiederum akustisch und auf den Fanrängen besser: Das Publikum geht lautstark mit und in den Blöcken hüpfen die Ultras gleich im Kollektiv auf und ab - sehr schön.

Die Schiedsrichter pfeifen diesmal übrigens nicht nur bei Grätschen, sondern auch beim normalen Körpereinsatz; das wirkte in vielen Situationen allerdings noch etwas kleinlich. Überraschend ist dennoch: Es gab kaum rote Karten, kaum einen Elfmeter! Und die Vorteilsregel wurde bisher gut gepfiffen - bis auf ein, zwei ärgerliche Ausnahmen. Außerdem sollten die schwarzen Männer in der finalen Fassung nicht so oft als Prellbock dienen; der Ball prallt zu oft an ihnen ab.

Zurück zu Messi: Der profitiert von der neuen 360-Grad-Kontrolle, denn er kann auch ohne spezielle Dribblings sehr schnell die Richtung wechseln. Spieler mit hohen technischen Werten halten den Ball dabei eng am Fuß und können quasi mit einer einfachen Körpertäuschung oder einem leichten Schlenker die behäbigen Verteidiger abhängen; so entstehen wesentlich

Die Verteidiger samt Torwart sind wesentlich wachsamer als im Vorgänger - es gibt spektakuläre Rettungstaten in letzter Sekunde.
mehr individuelle Situationen und Spielöffnungen als noch in FIFA 09. Allerdings scheint es bisher so, dass die klassischen Finten hinsichtlich ihrer Effizienz nicht spürbar verbessert worden sind - aber das muss der Test klären.

Freie Dribblings

Die Offensive wurde jedenfalls in ihren Möglichkeiten bereichert, und manchmal scheint es so, als könne man die Abwehr mit Pässen in die Tiefe zu leicht aushebeln, aber die Defensive hat ebenfalls dazugelernt - und davon profitiert die Dramatik auf dem Platz: Sie ist nämlich deutlich wachsamer und reaktiver als im Vorgänger! Es gibt jetzt spektakuläre Rettungen in letzter Sekunde: Sowohl wenn ein Verteidiger gerade noch die tödliche Flanke wegschlagen kann als auch wenn ein Torwart noch mal zurück hechtet, um einen Lupfer noch zu erreichen.

Allerdings haben die Torhüter noch ein großes Problem: Sie fangen grundsätzlich (!) keine Flanke ab, die im Fünfmeterraum über ihnen her segelt - so kann man fast sichere Tore schießen, wenn der lauernde Stürmer am langen Pfosten einfach einnickt oder einschiebt. Das darf in der finalen Fassung auf keinen Fall passieren, sonst verliert FIFA 10 noch sein Gold!

Auf dem Trainingsplatz kann man jetzt auch Freistöße einstudieren oder kleine Spiele wie 4 vs. 4 ohne Regeln starten.
Abgesehen davon sorgen die Last-Second-Rettungen für deutlich mehr Spannung und bereichern die Defensive, denn der Druck auf die Tacklingtaste kann im richtigen Moment zu einer Rettungstat führen. Aber die neue 360-Grad-Kontrolle sorgt auch hinten dafür, dass man besser aufpassen muss - man kann schon mal an einem Ball vorbei rennen, weil man die Richtung nicht optimal angepasst hat. Und der Einsatz der Doppeldeckung verlangt ebenfalls mehr Aufmerksamkeit, denn es entstehen große Löcher.

Mehr Dramatik auf dem Platz

Die Ballphysik wurde gegenüber dem Vorjahr zwar verbessert, denn das Leder fühlt sich tatsächlich etwas schwerer an. Und wenn Profis wie Ballack oder Totti mit ihrer hervorragenden Schusstechnik abziehen, dann jagt der Ball auch aus der Distanz wie ein Hammer Richtung Tor. Aber es kracht immer noch nicht gut genug, es fehlt auch bei Volleys und Kopfbällen diese letzte Wucht des Aufpralls. Vor allem Letztere verpuffen fast unspektakulär, selbst wenn sie dann noch reingehen. Ob das am noch nicht finalen Sound liegt? Oder den letzten fünf Prozent? Abwarten. Momentan liegt PES 2010 in diesem Bereich jedenfalls vorne.

Klasse ist, dass man seinen Freistößen und Ecken eine individuelle Note verpassen kann, indem man sich Taktiken mit aufgezeichneten Laufwegen zurechtlegt. Der Editor ist denkbar einfach zu bedienen und erlaubt weitreichende Manöver. Dank des "Set Piece Creators" kann man bis zu neun Spieler in acht Gebieten um den Strafraum einzeln anwählen und deren Laufwege aufzeichnen - z.B. zwei Mann per Zickzack zum Elferpunkt, zwei andere zum Fünfmeterraum etc. Davon kann man bis zu vier Routinen speichern und per Digikreuz im Spiel abrufen. Allerdings waren diese gespeicherten Manöver in unserer Fassung auch für den Gegenspieler abrufbar - das sollte man natürlich ändern.

Standards einstudieren

Die schnell ausführbaren Freistöße tragen ebenfalls zu rasanten Szenen und überraschenden Offensivmanövern bei. Wer üben will, kann ab sofort auf den Trainingsplatz und dort z.B. acht gegen zwei oder Ähnliches spielen. Schade ist

Kopfballspannung in den Zweikämpfen.
allerdings, dass es immer noch keine speziellen Dribbelaufgaben oder situationsbezogene Übungen gibt, in denen man gezielt seine Fähigkeiten verbessern kann. Man kann lediglich 5 gegen 5 oder 4 gegen einen Torwart spielen, Freunde dazu einladen und komplett ohne Regeln mit wüsten Fouls loslegen. Übrigens wird es keine Tore mehr vom Anstoßkreis geben - diesen Bug,den manche online ausgenutzt haben, hat EA ausgemerzt.

Wer selber zum Star werden will, freut sich über "Virtual Pro" und lädt sein eigenes Gesicht hoch, wahlweise auch auf den Körper von Messi oder Ballack. Wer sich einen Zweimeterriesen baut, wird übrigens mit den Konsequenzen leben müssen - Gewicht und Größe wirken sich auf Tempo und Beweglichkeit aus. Nach der Erstellung muss man sich ohne besondere Skills hoch kicken, indem man Herausforderungen meistert, körperliche Fitness und Spezialfähigkeiten hinzu gewinnt.

Virtual Pro & Online-Service

Online will EA hinsichtlich des Filterservice Vollgas geben: Man kann endlich gezielt nach Spielpartnern suchen, die z.B. Zweitligateams bevorzugen; man kann sogar deaktivieren, dass man im Zufallsmatch immer wieder gegen Barcelona, Manchester oder andere übermäßig genutzte Teams antreten muss. Die wichtigste Frage bleibt natürlich, ob der Netzcode überzeugen kann. Wenn er das tut und die Spiele flüssig laufen, ist FIFA 10 der Award nicht mehr zu nehmen.

Ausblick

Kann Electronic Arts an den Erfolg des letzten Jahres anknüpfen? Ja, sie können! Dieser Fußball wurde so konsequent verbessert, dass sich ein freieres und dynamischeres Spielgefühl ergibt. Vor allem die lebendige Simulation des Zweikampfverhaltens, in der die Statur und Geschwindigkeit der Profis beim Rempeln und Ziehen zur Geltung kommen, sowie die spektakulären Rettungsmanöver in der Defensive, sorgen für deutlich mehr Spannung auf dem Platz. Lediglich im Bereich der Ballphysik kann man noch nicht ganz diese Schwere und dieses Krachen simulieren, das bei der Konkurrenz entsteht. In der finalen Version müssen zum einen die Kopfbälle wuchtiger kommen und die Torhüter dürfen sich auf gar keinen Fall diese Aussetzer bei Flanken erlauben - sie fangen keinen Ball, der über den Fünfmeterraum segelt! Zwar bleiben damit noch einige Wünsche offen, aber EA hat diese Punkte bereits im Auge und wenn man den Online-Modus genau so sauber entwickelt wie bisher, ist FIFA 10 der Gold-Award fast sicher. Die spannende Frage ist nur, wie hoch sich das Team um David Rutter mit diesem Kick in der Wertungsliga schießen kann - mir gefällt das Spiel auf Xbox 360 und PS3 selbst mit den kleinen Macken jedenfalls schon besser als FIFA 09.


Ersteindruck: sehr gut