Borderlands - Vorschau, Shooter, 360, PC, PlayStation4, Switch, PlayStation4Pro, PlayStation3, XboxOneX, XboxOne

Borderlands
30.09.2009, Benjamin Schmädig

Vorschau: Borderlands

Als Borderlands (ab 9,89€ bei kaufen) das erste Mal vorgestellt wurde, wusste ich nicht so recht, was ich damit anfangen soll. Ein Ego-Shooter würde es sein, so viel war klar - und auch verständlich. Immerhin hat sich Gearbox vor allem mit Erweiterungen zu Half-Life sowie der Brothers in Arms-Serie einen Namen gemacht. Doch wofür benötige ich eigentlich mehrere hunderdtausend Bleispritzen? Dabei hätten es mir die Entwickler deutlich leichter machen können, wenn sie ihren Open World-Shooter von Beginn an als reinrassiges Action-Rollenspiel präsentiert hätten. Denn genau das ist Borderlands!

Irgendwo im Weltall, viele Jahre in der Zukunft - und der amerikanisierten Menschheit fällt nichts Besseres ein, als auf dem Planeten Pandora einen neuen Wilden Westen auszurufen. Weil dort angeblich unbeschreiblich viele Mineralien darauf warten, von Siedlern geschürft zu werden, entsteht auf Pandora bald ein zweite Neue Welt. Doch weil sich der tatsächliche Reichtum des Planeten in Grenzen hält, verfällt der amerikanische, Verzeihung: menschliche, Traum bald in armseligen Siedlungen. Banditen übernehmen das Kommando und das Einzige, was den verbleibenden Abenteurern jetzt noch Hoffnung gibt, sind die hoffentlich wertvollen Überreste einer außerirdischen Zivilisation...

Der Wilde Westen stirbt nie!

Ob die vier spielbaren Charaktere auf Schatzsuche gehen wollen oder in ganz anderer Mission unterwegs sind, bleibt allerdings vorerst ein Geheimnis, denn zum einen setzte mich die Vorschau-Version ohne Vorgeschichte auf Pandora ab und zum anderen gibt es in den ersten

VIDEO: Die Borderlands - ein kurzer Überblick über Land und Leute.Stunden ohnehin nur einen hauchdünnen roten Faden. Genauer gesagt ist da eine Lady, deren verschwommenes Antlitz sich gelegentlich bei mir meldet. Ich sei genau der richtige Auserwählte - aha. Mit dem, was ich im außerirdischen Grenzland tue, hat die Dame aber ohnehin erst mal nichts zu tun. Immerhin soll ich mich zunächst mit meiner Umgebung vertraut machen und Kontakte knüpfen, die mir im Gegenzug hilfreich zur Seite stehen. Was freilich nichts anderes bedeutet, als dass mir irgendwelche Figuren einen Auftrag nach dem nächsten servieren - die meisten sind optional, nur manche sind für die Handlung relevant.

Doch wer sind eigentlich die erwähnten vier Charaktere, von denen ich einen verkörpere? Da ist z.B. die hübsche Lilith, die sich kurzzeitig unsichtbar machen kann und beim Wiedereintritt in die normale Dimension sämtlichen Gegnern in ihrer Umgebung per Druckwelle eins auswischt. Der Scharfschütze hetzt hingegen eine Art Greifvogel auf seine Ziele, Soldat Roland kann einen automatisch feuernden Geschützturm absetzen und Berserker Brick teilt besonders im Nahkampf mächtig aus. Das schräge Design der abgewrackten Helden sieht klasse aus. Schade aber, dass ich meine Figur, deren Fähigkeiten ich immerhin meinen Vorlieben gemäß entwickeln werde, nicht selbst kreieren darf. Ob die Entwickler mir nun den Einstieg oder sich selbst die Arbeit erleichtern wollten: Ein Charakter-Editor hätte Borderlands besser gestanden!

Wer bin ich?

Unverständlich ist mir vor allem, weshalb ich in einer vorgefertigten Rolle keine darauf zurechtgeschnittene Geschichte erlebe, sondern wie in jedem antiken Action-Rollenspiel von einer Person zur nächsten hetze, um einmal soundso viele Wüstenratten abzuknallen und ein andermal soundso viele Wüstenratten samt großem Zwischengegner abzuknallen, um diesen oder jenen Gegenstand zu erobern. Sollte sich das Spiel nicht doch noch aufraffen und einen packenden Plot um die Aliens und meine "Funklady" stricken, kriecht es jedenfalls nur mit Mühe aus der erzählerischen Ursuppe heraus.

Hinzu kommt nämlich eine denkbar starre Welt, in der sämtliche Monster, Banditen und Zwischengegner nicht nur nach wenigen Minuten von den Toten wiederauferstehen. Das ist in einem altmodischen Action-Rollenspiel, das sich um den ständigen Erfahrungsgewinn durchs Kämpfen dreht, durchaus nachvollziehbar. Und es ist ja auch ungemein motivierend, wenn man mitten im Gefecht eine Stufe aufsteigt, Erfahrungspunkte verteilen

Küsschen? Süß! Aber was macht Lilith eigentlich in dem Grenzland?
und anschließend noch schlagkräftigere Argumente austeilen kann. Es kommt aber auch hinzu, dass eine Nebenfigur partout nicht mit mir reden will, weil ich die Welt auf eigene Faust erkunde, anstatt auf den entsprechenden Auftrag zu warten. "Altmodisch" bedeutet hier jedenfalls auch "überholt". Sympathien für die motivierende Levelhatz hin oder her: Ein moderner Entwickler muss einer großen Spielwiese Leben einhauchen können. Wenn man beim freien Erkunden wenigstens irgendetwas anderes als Munition und Schmerzmittel finden würde...

Glück im Unglück: So oberflächlich die Entwickler das Potential ihrer stimmungsvollen Comic-Kulisse ignorieren, so souverän hatten mich die bleihaltigen Gefechte auf Pandora von Beginn an gepackt. Ich treffe zwar immer wieder und wieder auf dieselben Kreaturen und Wegelagerer, aber wenn, dann brannte stets die Luft! Denn obwohl das Abenteuer seinem Genre inhaltlich nur eine neue Perspektive abgewinnt, spielt es sich wie ein großartiger Ego-Shooter. Wo verschiedene Action- und Online-Rollenspiele gerne damit protzen, echte Action statt drögem Klickwahn zu inszenieren, verbindet Borderlands tatsächlich das Beste der beiden Welten.   

Der brachiale Jäger

Es führt sogar ein gelungenes Prinzip ein, um ein Zurücksetzen an den letzten Wegpunkt zu verhindern: Sinkt die Lebenskraft auf null, bleiben mir noch einige Sekunden, in denen ich von meiner aktuellen Position aus weiter schießen kann. Falls es mir dann gelingt, einen Feind zu erledigen, findet mein Charakter zu "neuer Kraft" und kann weitermachen. Das verleiht dem Ablauf gehörig Pep und verhindert frustrierende Momente. Und ob Schrotgewehr, MG oder Raketenwerfer: Die Waffen haben mächtig Wumms, Schüsse schlagen kraftvoll ein und wer die verwundbare Stelle eines Feindes trifft, richtig eventuell kritischen Schaden an. Schön, dass solche starken Treffer nicht nur von den Charakter- und Waffenwerten abhängen, sondern dass reales Zielwasser von entscheidender Bedeutung ist!

Apropos Waffen: Weil diese von einer Mischung aus Zufall und Notwendigkeit je nach Situation und gewähltem Charakter vom Spiel erstellt und modifiziert werden, gibt es in der Tat eine grenzenlos scheinende Anzahl verschiedener Schießeisen. Viele davon unterscheiden sich farblich voneinander, diverse Zielvorrichtungen und andere Aufsätze sorgen für den optischen Unterschied. Entscheidend sind aber die inneren Werte: So kann eine Pistole z.B. Feuerschaden anrichten, ein Scharfschützengewehr über einen besonders starken Zoom verfügen,

Jagen, Sammeln und sich weiterbilden: Im Kern ist Borderlands ein waschechtes Action-Rollenspiel.
das Nachladen könnte um 30% schneller als normal erfolgen, der angerichtete Schaden zehnmal so hoch wie für den Waffentyp üblich sein und elektrischer Schaden schädigt den Schild des Ziels, falls vorhanden.

Die Stärke des Sammlers

Meist fallen mir starke Waffen nach einem harten Kampf in die Hände, mitunter finde ich auch bei meinem Händler ein erlesenes Stück. Dort kann ich weniger mächtige Ausrüstung zudem verkaufen, und das betrifft nicht nur meine offensiven Mittel, sondern auch meinen Schutzschild sowie zusätzliche Munition. Ein getroffener Schild lädt sich übrigens nach wenigen Sekunden selbstständig auf - entscheide ich mich also für eine höhere Schildstärke oder nutze ich lieber das Modell mit der schnelleren Regenerationszeit? Außerdem stehen mir Upgrades zur Verfügung, mit denen ich die Größe meines Patronengürtels erhöhe. Schmerzlich vermisst habe ich jedoch Möglichkeiten, mit denen ich meine vorhandenen Bleispritzen eigenhändig modifizieren darf. Eine gefundene Waffe, die mir stundenlang treue Dienste leistet, ist ja auch psychologisch Gold wert. Noch mehr würde sie mir jedoch ans Herz wachsen, wenn ich sie mit hart erarbeiteten Upgrades weiter verbessern dürfte!

Damit bleibt Rollenspielern nur ihr Alter Ego, dem sie einen individuellen Charakter verleihen: Jede Figur verfügt über vier Fähigkeitsbäume, in denen man jeweils zwei Fertigkeiten von Stufe eins bis Stufe fünf entwickeln kann. Roland kann z.B. sein Geschütz so aufwerten, dass es die Gesundheit aller umstehenden Verbündeten heilt. Lilith kann sich hingegen für wenige Sekunden unverwundbar machen, nachdem sie aus ihrer Unsichtbarkeit wieder aufgetaucht ist. So kann ich bald auch große Gruppen mit dem Dimensionssprung relativ gefahrlos aufreiben. Hat man mindestens eins der beiden Geschicke eines Baums bis zu Stufe fünf verstärkt, stehen die nächsten zwei desselben Fähigkeitsbaums zur Verfügung. Praktisch: Sollte ich plötzlich feststellen, dass die gewählten Aufwertungen doch nicht meinen Vorstellungen entsprechen, kann ich den kompletten Prozess gegen eine Gebühr umkehren und von vorn beginnen. Das ist nicht neu, aber vorbildlich.

War gerade noch von Verbündeten die Rede? Ist man nicht alleine im Wasteland, Verzeihung: in den Borderlands, unterwegs? Ist man auch. Ich könnte aber auch jederzeit einen Kumpel

Besonders beim gemeinsamen Online-Kampf von bis zu vier Gleichgesinnten dürfte es auf dem Wüstenplaneten ordentlich krachen!
meiner Freundesliste in mein Spiel einladen oder mit einem Partner vor Ort den Splitscreen-Kampf beginnen! Für Letzteres muss ich zwar zurück ins Hauptmenü, darf dann allerdings vom letzten Rücksetzpunkt aus weitermachen. Und während ich vor einer Konsole auf das Duett angewiesen bin, begleiten mich per Internet sogar bis zu drei Partner - hervorragend! Dabei darf jeder Teilnehmer jeden beliebigen Charakter steuern. Wer unbedingt mit vier Berserkern losziehen will, darf das also gerne tun.

Gruppensitzung

Wie sich die Online-Gefechte mit zwei, drei oder vier Spielern anfühlen, muss aufgrund der noch fehlenden Menge an Bereitwilligen natürlich erst die fertige Version offenbaren. In dieser wird sich auch erst zeigen, mit welchen Fahrzeugen man durch die Comic-Wüste rasen darf, da die Vorschau-Fassung lediglich einen zweisitzigen Buggy enthält. Den darf man immerhin mit Schnellfeuerkanone oder Raketenwerfer bestücken und bei jedem neuen Herbeirufen neu lackieren. Und spätestens, wenn man mit vier Rädern unterwegs ist, gelangt man dann schnell an die Grenzen der ansonsten offenen Welt: Zu häufig führt der Weg in ein benachbartes Gebiet nur über Ladebildschirme, vor denen ich mein Fahrzeug stehen lassen muss. Nach höchstens einer Minute hat man zudem das aktuelle Gebiet durchquert. Sei's drum: Gearbox erschafft eine stimmungsvolle Einöde, in der lediglich aus Metallplatten errichtete Baracken von zivilisiertem Leben zeugen. Spätestens, wenn die zurückhaltenden Percussion-Klänge durch menschenleere Canyons hallen, werden wohlige Erinnerungen an die ersten zwei Fallouts wach. Inhaltlich kann das banale Ego-RPG natürlich nicht mit dem Endzeit-Epos mithalten - dank seiner atmosphärischen und spielerischen Klasse bin ich allerdings hoch motiviert, mich in die endgültige Version dieses Wilden SciFi-Westens zu stürzen!  

Ausblick

Wer auf eine große Geschichte hofft, wem lebendige Charaktere am Herzen liegen - der wird in den Borderlands nicht glücklich werden. Dem ersten Eindruck nach ist es verblüffend erschreckend, wie verbohrt die Entwickler nur auf das Prinzip "Jagen und Sammeln" setzen. Es gibt schlicht und ergreifend keinen anderen Grund, die Welt zu erkunden als das Abklappern banaler Aufträge von sonst unbedeutenden Nebenfiguren. Das soll allerdings nicht davon ablenken, dass die Comic-Welt nicht nur umwerfend aussieht und stimmungsvoll in Szene gesetzt wird - sie hat auch spielerisch einiges zu bieten. Mich hat die ständige Jagd nach neuen Waffen auch hier wieder fast einen ganzen Arbeitstag an den Fernseher gefesselt. Es ist nun mal unverschämt befriedigend, mit einer frisch erbeuteten Waffe durch eine ganze Horde Aliens zu pflügen. Die Verbindung eines Ego-Shooters mit dem Action-Rollenspiel funktioniert jedenfalls hervorragend und mit bis zu drei Kameraden im kooperativen Online-Spiel dürfte es umso brachialer zugehen. Mit dem eigenhändigen Verbessern meiner Fähigkeiten bekomme ich zudem einen Hauch von dem ab, was die Freiheit dieses modernen Wilden Westens sein könnte. Egal, wie sich Borderlands weiter entwickelt: Ich bin gespannt, was mich auf Pandora noch erwartet!

Ersteindruck: gut