Die Siedler 7 - Vorschau, Taktik & Strategie, PC

Die Siedler 7
18.12.2009, Marcel Kleffmann

Vorschau: Die Siedler 7

Als Ubisoft im Oktober Siedler 7 offiziell präsentierte, blieben zahlreiche und vor allem wichtige Fragen offen. Erstens hüllten sich die Entwickler zum Wirtschaftssystem in Schweigen und zweitens gelangte mit den Siegpunkten ein treibender Wettbewerbsfaktor ins einst so gemütliche Aufbauspiel. Viele der Spielmechaniken blieben also im Verborgenen. Jetzt konnten wir den "verflixten" siebten Teil endlich ausführlich spielen...

Das Herz der Siedler-Reihe war immer das Wirtschaftssystem und je nach Güteklasse stand oder fiel das gesamte Spiel damit. So enttäuschte mich "Die Siedler 5 - Das Erbe der Könige" mit magerem wirtschaftlichen Treiben und mit "Die Siedler 6 - Aufstieg eines Königreichs" wurde der Wirtschaftsminimalismus etwas ausgebügelt. Den Trend zur komplexeren Ökonomie wird der siebte Teil glücklicherweise fortsetzen, wenn auch

Die Hütte in der Mitte ist von zwei Fischern umgeben.
nicht im Anno 1404-Maßstab. Dafür sind einige Anleihen an "Die Siedler 2" zu erkennen - Stichwort: Fahnen und Träger. Trotzdem wird vieles anders...

Von Krisen und Wirtschaften

Zu Beginn einer Partie beherbergt eure Siedlung ein Bauarbeiterhaus, ein Lagerhaus, eine Taverne sowie ein Schloss, das Disney entsprungen sein könnte. Mehr nicht! Nun dürft ihr die Feder übernehmen und expandieren. Mit wenigen Startrohstoffen à la Bretter, Werkzeuge und Steine müsst ihr zunächst die Grundversorgung sicherstellen. Dies geschieht ein wenig anders als bei den bisherigen Siedlern, dennoch wirkt es irgendwie vertraut:  Steine liefert der Steinmetz, aber wenn ihr das Baumenü öffnet, seht ihr nur sechs Gebäude! So wenig?

Alternativer Aufbau

Ja, jedes der sechs Bauwerke ist eine Art "Hauptgebäude", das ihr mit fünf oder sechs unterschiedlichen Arbeitsplätzen erweitern könnt. Ihr müsst euch das so vorstellen: Um einen Steinmetz zu bauen, platziert ihr das entsprechende "Hauptgebäude", sprich die "Berghütte" und könnt anschließend drei Erweiterungen rund herum platzieren, wie eine Kohle-, Eisenerz- oder Goldmine, eine Erzschmelze oder den gewünschten Steinmetz. Dass ihr diese Gebäude in der Nähe der natürlichen Vorkommen oder Minen bauen solltet, versteht sich von selbst.

Sobald ihr den Bauauftrag gegeben habt, verlässt ein Zimmermann sein Bauarbeiterhaus und errichtet an der Baustelle das gewünschte Werk, sofern die benötigten Materialen von den Trägern aus dem Lagerhaus angeliefert wurden. Ist die Berghütte mit zwei angeschlossenen Steinmetzen fertig, laufen fortan zwei mit Spitzhacken bewaffnete Sieder zu den (endlichen) Steinvorkommen und produzieren Steine,

Niedliche Animationen und die frei drehbare 3D-Kamera laden zum Zuschauen ein, obwohl man dank der Siegpunkte eigentlich gar keine Zeit dafür hat...
die vom Träger des nächstgelegenen Lagerhauses in eben dieses verstaut werden. Lagerhäuser sind übrigens das A und O der Wirtschaft von Siedler 7, dazu später mehr, sonst wird es zu verwirrend. Zudem versteckt sich bei dem Bauarbeiterhaus eine weitere Neuerung, da die Anzahl eurer Konstrukteure anfangs auf zwei begrenzt ist, was zwei parallele Bauprojekte erlaubt - plus einer Auftragskette mit verschiebbaren Prioritäten.

Genauso funktioniert es mit der Holzproduktion, nur dass die Gebäude in die Kategorie "Hütte" (Lodge) fallen. Eine Hütte hat (wie die Berghütte) selbst keine Produktionsfunktion, sondern wird erst durch die Erweiterungen nützlich. Blue Byte stellt es sich so vor, dass die Siedler im Hauptgebäude wohnen und quasi "nebenan" arbeiten. Fischer, Jäger, Sägewerk, Holzfäller und Förster könnt ihr jeweils in die drei Slots der Hütte platzieren, wobei ihr austarieren müsst, wie viele Holzfäller nötig sind, um ein Sägewerk adäquat auszulasten und wie viele Förster, wo unterwegs sein sollen, um für Baumnachschub zu sorgen. Eine Hütten-Mischung aus Holzfäller und Sägewerk produziert übrigens sofort "Bretter", während ein "dreifacher Holzfäller" mit reichlich Baumstämmen um sich wirft und diese erst über den Umweg eines Lagerhauses zu einem Sägewerk gelangen müssen. Generell dürft ihr an die Hauptgebäude nicht mehr als drei Erweiterungen anbauen und jeder neu geschaffene Arbeitsplatz benötigt ein "Werkzeug" (Rohstoff). Werkzeug könnt ihr übrigens mit dem Werkzeugmacher herstellen - dafür ist Eisen erforderlich und dafür wiederum Eisenerz, Kohle sowie eine Eisenschmelze. 

Holz vor der Hütten

Ist für die Grundversorgung mit Brettern und Stein gesorgt, solltet ihr euch um Nahrung kümmern, die in zwei Kategorien aufgeteilt ist: Normales und ausgefallenes Essen. "Normale Nahrung" produziert zum

Eine Bäckerei und reichlich Getreidefarmen.
Beispiel der Fischer oder die klassische Baukette Bauernhof (Getreide), Mühle (Mehl) und Bäckerei (Brot), wobei Bauernhof und Mühle in die Kategorie "Farm" fallen und eine Bäckerei an eine "Siedler-Residenz" angeschlossen wird.

Nahrung und neue Siedler

"Ausgefallenes Essen" besteht aus weiterverarbeitetem Fleisch, dessen Grundlage beispielsweise ein Jäger durch die Wildjagd liefert, das dann beim Schlachter zu leckerem "Fancy Food" verarbeitet wird - eine Schweinezucht schafft später Abhilfe, die hingegen mit Getreide und Wasser (Brunnen) versorgt werden möchte und so greifen mehrere Produktionskreisläufe ineinander. So komplex wie bei Anno 1404 wird es nicht: Meist ist nach zwei Zwischenprodukten Schluss, egal ob ihr die neuen Waren wie Pferde, Papier, Bücher, Kleidung, Gewänder, Juwelen (Eisen und Gold) oder Räder herstellen wollt.

 

Darüber hinaus gibt es ein aus Echtzeit-Strategiespielen bekanntes Einheiten-/Siedlerlimit, das ihr erweitern könnt, in dem ihr "Residenzen" oder "Noble Residenzen" baut. Neben dem "Lebensraum" offerieren sie ebenfalls erweiterbare Arbeitsplätze für Münzprägung oder Bäckerei. Wollt ihr zwischendurch die Produktion eines Betriebes für kurze Zeit ankurbeln, könnt ihr befehlen, dass entweder normale oder ausgefallene Nahrung in das Haus gebracht werden soll, was die Produktionsgeschwindigkeit erhöht, jedoch die im Umlauf befindende Futtermenge reduziert -

Neben solcher Panorama-Blicke könnt ihr die Karte auch so weit auszoomen, dass ihr das ganze Spielfeld auf dem Bildschirm seht - quasi wie bei Supreme Commander.
hilfreich bei Engpässen.

Da die Gebäude mit angeschlossenen Arbeitsplätzen viel Platz in Anspruch nehmen und nicht alle Rohstoffe im Startsektor verfügbar sind, müsst ihr möglichst schnell expandieren. Ganz nach dem Vorbild von "Die Siedler 6 - Aufstieg eines Königreichs" ist die Karte in zahlreiche Sektoren aufgeteilt, die entweder neutral oder feindlich besetzt sind und die ihr friedlich oder feindlich übernehmen könnt. Eine feindliche Übernahme geschieht mit militärischer Macht, in dem ihr die Festung des Sektors angreift, während eine freundliche Übernahme meist durch Goldzahlung geschieht.

Lagerhäuser sind die neuen Flaggen

Weil die Transportwege mit zunehmender Reichgröße immer länger werden, kommt es darauf an, dass ihr Lagerhäuser geschickt und nahezu überall platziert. Wie Produzent Benedikt Grindel so schön sagt: "Lagerhäuser sind die neuen Flaggen", denn an jedes Lagerhaus ist ein Träger gebunden und wenn ihr den Transport von A nach B beschleunigen wird, hilft es ungemein, wenn ihr mehrere Lagerhäuser dazwischen baut. Auch Lagerhäuser an Produktionsstandorten (Sägewerk, Minen, Höfe, etc.) beschleunigen die Wirtschaft ungemein, sonst tauchen schnell Engpässe beim Transport auf und die Wirtschaft lahmt. Die Lagerhäuser sind daher ein neues Kernelement beim Transport, jedoch versäumt das Tutorial diese "Kleinigkeit" adäquat vorzustellen. Besserung wird gelobt! 

Prestigepunkte sind ebenso neu, die ihr zum Beispiel für das Errichten bestimmter Siedlungsverschönerungen bekommt. Diese kosten allerdings einmalig Ressourcen und nehmen Platz weg. Mit Prestigepunkten schaltet ihr Gebäudeoptionen und Verbesserungen in einem

Lagerhäuser und Träger sind der Motor der Wirtschaft.
 kleinen Techtree frei. Neben einigen Upgrades könnt ihr die Straßen verbessern, damit die Siedler schneller laufen, ihr könnt das Gebäude "Bauarbeiterhaus" aktivieren und danach mehr als nur zwei Bauarbeiter beherbergen oder ihr setzt auf Festung/Kirche/Handelsposten und bekommt so Zugang zu drei Möglichkeiten wie ihr an die "Siegpunkte" gelangen könnt: Militär, Forschung oder Handel.

Prestige

Wollt ihr mit militärischer Macht zum Sieg gelangen, solltet ihr ordentlich Truppen zusammenstellen. Eure Einheiten rekrutiert ihr in der Taverne und benötigt je nach gewünschtem Militärtyp Gold, Nahrung, Pferde und Co. Zur Auswahl stehen Pikeniere (Nahkampf), Musketiere (Fernkampf), Reiterei (Nahkampf) sowie Kanoniere (Fernkampf), die sich an einen General als Anführer hängen. Diesen Truppenverband könnt ihr nicht direkt wie in einem Echtzeit-Strategiespiel kontrollieren, stattdessen klickt ihr auf den "Warfare-Modus" und verschiebt die Armeen wie bei Risiko zwischen den Kartensektoren. Betretet ihr feindliches Land, wird die gegnerische Armee dies verteidigen und ohne Einfluss auf das Geschehen nehmen zu können, seht ihr den Ausgang der Schlacht entgegen. Ist die feindliche Armee besiegt, wird die Festung des Sektor übernommen, was einige Zeit dauert, damit der Gegenspieler Zeit für eine Konterattacke hat. Erst danach werden die Gebäude in dem Sektor niedergebrannt und ihr könnt euch dort niederlassen. Defensive Naturen sollen sich durch Wälle/Palisaden und Verteidigungsanlagen vor aggressiven Siedlern zur Wehr setzen können.

Drei Arten zu spielen...

Im Debüt-Trailer wird das Konzept mit den drei Siegmöglichkeiten bzw. Spieltypen vorgestellt... Als Forscher müsst ihr auf die Kirche setzen, denn die Technologien (Ballistik, schnellere Arbeit, verbesserte Kampfwerte, etc.) aus dem großen Technikbaum, benötigen Zeit und viele fromme Forscher. Letztere bildet ihr nicht in der Taverne aus, sondern in der Kirche. Es gibt drei Typen von religiösen Forschern und zwar Novizen, Brüder und Priester. Bier, Brot und Bibeln (Triple B) werdet ihr hierfür brauchen. Für jede Forschung wird eine Zahl an Personen fällig, wie zum Beispiel vier Novizen und ein Bruder. Ist eine Technologie erfunden, können andere Mitspieler diese nicht mehr erlangen, doch sie können euch versuchen während der Erforschung mit der Forscherzahl zu überbieten... Geistliche sind im Übrigen die einzigen Einheiten, die von Gegnern besetztes Territorium durchqueren können und sie dürfen neutrale Sektoren gegen einen Gold-Obolus friedlich "einkaufen".

Last but not least gibt es Händler. Über einen neutralen Hafen oder Handelspunkt könnt ihr mit drei Händlertypen (Straßenhändler/Geschäftsmann/Handelsmann) die wirtschaftlichen Siegpunkte und einzigartige Rohstoffdeals anstreben. Diese illustren Gestalten werbt ihr im Handelsposten gegen Kleidung/Juwelen an - ähnlich kommen die Geistlichen ins Spiel. Der Handelsfortschritt erfolgt auf einer "stilechten Weltkarte", auf der ihr bestimmte zusammenhängende Routen entdecken/besetzen könnt, für die jeweils eine bestimmte Zahl von Händlern nötig ist, um sie zu erschließen. Selbstverständlich erhaltet ihr damit Zugriff auf die dort gehandelten Waren, wie z.B. Gold gegen Stein. Bestimmte Technologien bzw. Handelsrouten werden ebenfalls mit Prestigepunkten honoriert. 

Okay, dies sind also drei Möglichkeiten, mit denen ihr Siegpunkte anhäufen könnt. Pro Karte/Mission gibt es ein bestimmtes Limit, das ein Spieler erreichen muss. Wer als erster diese Marke übersprungen hat, ist der Sieger, egal ob militärisch, technologisch oder wirtschaftlich. So gibt es Siegpunkte für spezielle Technologien, Handelsrouten, aber auch für Erfolge wie "25 Gold Vorsprung vor den Gegnern", "20 Soldaten mehr als die Konkurrenten" oder "drei Sektoren mehr". Es gibt Siegpunkte, die euch dauerhaft gehören ("wer zuerst kommt mahlt zuerst") und andere Punkte, um die ihr euch mit Anderen ständig die Köpfe einhaut.

Siegpunkte

Die Hardwareanforderungen der farbenfrohen, mit vielen kleinen Details und hübschen Animationen versehenen 3D-Welt sollen trotz neuer Grafiktechnologien niedrig ausfallen. Die Entwickler haben es sich zum Ziel gesetzt, dass eine GeForce 8800 (alle Details) die Darstellung von 20 Bilder pro Sekunde schafft.
 Wie es gerade um die Siegpunkte steht, also welche Person momentan wie viele hat, wird an der rechten Bildschirmseite angezeigt und im Siegpunkte-Menü könnt ihr nachschauen, welcher Gegner wo Punkte erreicht hat, wie die Rangfolge aussieht und wo es eng werden könnte. Hat ein Spieler die vorher festgelegte und für einen Sieg erforderliche Punktezahl erreicht, startet ein "globaler Countdown". Die anderen Spieler haben fortan eine Gnadenfrist, um ihm den Sieg abspenstig zu machen, vor allem im Mehrspieler-Modus könnte es wohl zu spontanen Bündnissen gegen den Übermächtigen kommen...

Wie in der letzten Vorschau vermutet, gewinnen die Partien durch die Siegpunkte an Tempo und was mich wirklich überrascht hat: Die Grundlage jeden Erfolges ist eine funktionierende und effiziente Wirtschaft, die dank der Neuerungen erstaunlich schnell aus dem Boden gestampft ist, sofern ihr euch früh genug entscheidet, in welche Richtung ihr euch entwickeln möchtet. Allein durch das jederzeit präsente Siegpunktesystem und die eingeblendeten Veränderungen der Punkte werdet ihr als Spieler so sehr unter Handlungsdruck gesetzt wie bei allen anderen Siedler-Teilen zusammen. Für Mehrspieler-Gefechte und vor allem den Wettbewerbsgedanken halte ich die Siegpunkte und die zahlreichen Arten wie ihr diese erlangen könnt, für gut durchdacht. Ein Knackpunkt dürfte die Balance zwischen den drei Spielweisen sein, nicht, dass gleich nach der Veröffentlichung ein Musterweg zum "ultimativen" Gewinn vorliegt, dem alle nacheifern...

Mehr Tempo

Es ist sicherlich ein Wagnis, den typischen, eher langsamen Spielablauf derart zu beschleunigen. Für den Mehrspieler-Modus halte ich diese Idee jedenfalls für gut und treibend. Obgleich sagt mit dieses Konzept im Einzelspieler-Modus noch nicht so ganz zu, doch wenn Blue Byte die Story-Kampagne geschickt in Quests und Co. einhüllt und man im Skirmish-Modus dieses Siegpunktesystem völlig ausschalten darf, könnten sogar Hektik verabscheuende Aufbaunaturen  zufrieden gestellt werden. 

Ausblick

Das auf Geschwindigkeit getrimmte Siedler 7 hatte mich auf den ersten Blick eher abgeschreckt. Doch nachdem ich jetzt selbst ausführlich spielen konnte, empfinde ich die Veränderungen längst nicht mehr so störend! Warum? Gerade weil das Wirtschaftssystem die Grundlage für jeden Erfolg ist, die Träger bzw. Lagerhäuser für den nötigen Schub für die Infrastruktur sorgen und die Wirtschaft zum Glück nicht so mickrig ausfällt wie ich zunächst befürchtet hatte. Trotz über 30 Gebäudetypen, die der Übersicht halber intelligent in Kategorien eingeteilt wurden, gehen Aufbau und Verwaltung wirklich rasant voran, sofern man sich nicht irgendwo verzettelt und die typischen Siedler-Downtimes, in denen man zum Zugucken verdammt war, sind weniger geworden. Außerdem müsst ihr euch entscheiden, wie ihr vornehmlich Siegpunkte generieren wollt und dabei auch einschätzen, wie und was eure Gegner wohl machen könnten - hier steht man im direkten Wettbewerb und das sorgt für Spannung. Da das Wirtschaftssystem bisher ganz ordentlich ausgefallen ist, wird das Spielerlebnis mit der Balance zwischen den drei Siegmöglichkeiten stehen oder fallen. Es wäre fatal, wenn in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung ein goldener Lösungsweg gefunden würde. Ob die Kampagne mehr zu bieten hat als eine Ansammlung von Skirmish-Karten rund um Siegpunkte gegen KI-Gegner, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Ersteindruck: gut