Calling - Vorschau, Action-Adventure, Wii

Calling
21.01.2010, Michael Krosta

Vorschau: Calling

Handys können manchmal der blanke Horror sein - vor allem in der S-Bahn zehren die Klingelorgien, das ständige Piepsen sowie der Drang mancher Drama-Queens, lauthals ihr Privatleben auszubreiten, immer wieder an den Nerven. Doch das ist nichts gegen das, was die Protagonisten in Konamis Calling (ab 19,95€ bei kaufen) erwartet, denn hier kommen die Anrufe nicht von hysterischen Ex-Freundinnen oder besorgten Müttern, sondern direkt aus dem Jenseits. Dabei erwartet Wii-Besitzer alles andere als ein gemütlicher Plausch unter Freunden...

Das Telefon als Psycho-Waffe - wer z.B. Scream gesehen hat, der weiß, wie man den Terror auf die Spitze treiben kann. Entwickler Hudson geht es bei Calling dagegen weniger um Splattereffekte, sondern um das Gefühl der Beklemmung und Angst, wie man sie auch vornehmlich in japanischen Horrorfilmen erlebt. Hintergrund für die übernatürlichen Geschehnisse bildet eine Blank Page-Webseite, auf der lediglich ein Counter angezeigt wird, der kontinuierlich nach oben zählt. In einer urbanen Legende heißt es, dass jeder, der diese Seite ansurft in eine Geisterwelt zwischen Leben und Tod entführt wird, die aus den Erinnerungen der Toten besteht. Dabei zählt der Counter die Opfer, die dabei ums Leben gekommen sind. Klingt ein bisschen



"Schaaaatz, dein Handy klingelt"

nach The Ring - und auch sonst fahren die Entwickler viele der aus Filmen bekannten Zutaten auf: Angefangen bei verstörten kleinen Geistermädchen mit Teddybär über lange schwarze Haare im Raum bis hin zu markerschütternden Schreien aus dem Nichts ist so ziemlich alles an Verstörungen vertreten...

Video: Eine einzigartige Funkverbindung: In Calling reicht der Empfang bis ins Jenseits!

Hört sich nach Gänsehaut an? Der Einstieg in die Welt des Psycho-Horrors ist leider auf eine ganz andere Art unheimlich - nämlich unheimlich schlecht. Man liest quasi live auf dem Bildschirm mit, wie sich ein paar Teenager im Chat über die mysteriöse Webseite unterhalten; es erscheint lediglich Text mit ein paar Tipp-Soundeffekten. Stimmung abseits von Langeweile will hier noch nicht aufkommen. Auch später im Spiel hat Sprachausgabe einen Seltenheitswert, denn meist belässt man es hier bei simplen Einblendungen. Krächzen dann doch mal die Stimmen der Untoten aus dem Lautsprecher der Remote oder unterhalten sich Charaktere miteinander, wünscht man sich allerdings aufgrund der miesen Synchronstimmen die reine Beschränkung auf Textdarstellungen. Die Idee, die Remote als Telefonhörer zu missbrauchen, ist nett, aber nicht neu - immerhin trieben uns schon die

Das Abschütteln der Geister ist eine nervige Angelegenheit.
Rabbids in einem ihrer Minispiele in den Wahnsinn. Die Qualität des Lautsprechers ist zwar nicht besonders hoch; trotzdem versteht man selbst unter dem starken Rauschen in der Regel noch die Worte, die die Geister von sich geben. Zur Not hilft aber auch ein Blick auf den Bildschirm...

Zäher Einstieg

Anstatt den Alptraum wie beim artverwandten Project Zero, Resident Evil oder Silent Hill aus der Verfolgersicht zu erfahren, erlebt man ihn hier aus einer ungewöhnlichen Ego-Perspektive. Die Kamera schwenkt man, indem man mit der Remote den Bildschirmrand anvisiert - die Reaktionszeit ist jedoch viel zu träge. Alternativ lässt sich mit einem Druck auf den Z-Knopf eine schnelle 180 Grad-Drehung durchführen. Vom Ansatz her erinnert der Titel mehr an ein Adventure als an klassischen Survival-Horror. So durchforstet man u.a. Schränke und Kommoden nach Hinweisen, wobei die Bewegungssensoren der Fernbedienung beim Nachahmen der Gesten sowie beim Öffnen von Türen zum Einsatz kommen. Obwohl es überwiegend ruhig zugeht und die Atmosphäre hauptsächlich durch kleine, gezielt eingesetzte Schockeffekte lebt, ist manchmal auch Hektik angesagt. So ist man plötzlich in einem Raum eingeschlossen, während sich ein grausiges Etwas direkt auf einen zu bewegt. Was tun? Zum Glück gibt es einen Hinweis auf dem Bildschirm, dass ich es vielleicht doch mal mit der verschlossenen Tür versuchen sollte. Ich renne also hin und rüttele panisch am Türknauf bzw. der Remote, bis das Schloss schließlich aufbricht und ich der tödlichen Falle entkommen kann. Neben den kleinen Psychospielchen, bei denen z.B. auch vorher zugängliche Räume plötzlich verschwinden, zählen diese Momente zu den dramatischen Höhepunkten.

Ungewöhnliche Perspektive

Das kann man vom Kampf gegen die Untoten nicht gerade behaupten: Wollen sie einem an die nass geschwitzte Wäsche, kann man höchstens vor ihnen davon laufen oder sie mit einem heftigen Schütteln der Remote abschütteln - im Idealfall drückt man dabei noch im richtigen Moment die A-Taste. Lange Ruhe hat man allerdings nicht, denn innerhalb weniger Sekunden hat man die nervigen Verfolger schon wieder an der Backe. Der Begriff "Quälgeist" bohrte sich regelrecht in meinen Kopf... Dabei zeigt eine so genannte Horrorleiste, wie viel Angst und Schrecken der Charakter momentan verspürt. Nimmt der Terror überhand, segnet man nach einem Herzkasper das Zeitliche. Waffen gegen die übernatürlichen Unruhestifter scheint es keine zu geben - zumindest bin ich innerhalb der ersten beiden Episoden über keine Dematerialisierer im Stil von Ghostbusters oder andere Anti-Geist-Geschütze gestolpert. Eines der wichtigsten Utensilien ist neben dem Handy (inkl. Kamerafunktion) die Taschenlampe, die jedoch ebenfalls gefunden werden will. Denn erst mit Licht können die düsteren Kulissen, darunter auch ein verlassenes Schulgebäude, nach Hinweisen untersucht werden. Dabei wiederholte sich dieses Schema zumindest am Anfang der ersten beiden Episode: Zunächst tappt man sprichwörtlich 

Am Anfang ist man verloren in der Dunkelheit. Erst mit einer Taschenlampe kann man die Umgebung näher untersuchen.
im Dunkeln, bis man endlich Taschenlampe und Handy im Inventar hat. Da man aber nicht nur mit einem Charakter unterwegs ist, ergibt dieses Procedere zumindest halbwegs Sinn...

Nervige Geister

Dass man mit der Wii-Hardware auch ansprechende Kulissen auf den Bildschirm zaubern kann, haben zuletzt einige Titel bewiesen - allen voran Dead Space: Extraction, aber auch Konamis zweiter Horrortitel für die Nintendo-Plattform, Silent Hill: Shattered Memories. Wenn man in Calling mit der Taschenlampe im Anschlag durch die Korridore schleicht, sich über die fehlenden Echtzeitschatten an Objekten wundert und schnell die Nase von den vielen matschigen Texturen voll hat, wird schnell klar, dass man hier bei weitem nicht an die Qualität der genannten Titel anschließen kann. Zusammen mit der geringen Sichtweite erinnert dieser ungewöhnliche Trip technisch viel mehr an eine Zeitreise zurück in die N64-Ära - und das ist angesichts der starken Konkurrenz einfach nicht mehr genug.   

Technisch veraltet

Ausblick

Calling hat seine Momente - ohne Frage. Wenn ich mir unter den panischen Atemgeräuschen meines Charakters einen Weg durch die düsteren Kulissen im dritten Stock bahne, plötzlich das Klingeln meines Handys die gruselige Stille durchbricht und eine gequälte Stimme aus dem Lautsprecher ein "Ich bin jetzt auf der Treppe im dritten Stock" flüstert, dann steigt der Puls. Kurze Zeit später fällt er dagegen schnell wieder ins Bodenlose, denn sowohl die schwache Technik, die träge Steuerung sowie die vielen Texteinblendungen ohne Sprachausgabe sind heute nicht mehr zeitgemäß. Auch das Kampfsystem, wenn man es denn so nennen kann, sorgte beim Anspielen und Rumwedeln der Remote mehr für ein genervtes Fluchen statt Spannung. Zudem ist die mäßige deutsche Synchro bisher eher ein Garant für ungewollte Situationskomik als Angst.

Ersteindruck: befriedigend