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Pro Evolution Soccer 2011
16.08.2010, Jörg Luibl

Vorschau: Pro Evolution Soccer 2011

Konami muss nachsetzen: Seit zwei Jahren stagniert der Rekordmeister des virtuellen Fußballs auf einem guten, aber lange nicht mehr so spektakulären Niveau wie noch zu besten Zeiten auf der PlayStation 2. Was kann man tun, um am Spitzenreiter FIFA vorbei zu ziehen? Man braucht einen ebenso kreativen wie konsequenten Neuanfang! Auf der E3 hat sich beim kurzen Kick einer Halbzeit bereits ein frisches Spielgefühl angedeutet, jetzt konnten wir den Ball endlich länger rollen lassen.

Es ist noch kein Messi vom Himmel gefallen: PES 2011 spielt sich so anders, dass selbst Veteranen üben, üben und üben müssen.
Man fühlt sich in die Kreisklasse zurückversetzt. Da kickt man seit gefühlten zwanzig Jahren PES, hat sich mit japanischen Importen durch die Meisterliga gekämpft und jetzt bricht man sich bei einem Flankenwechsel fast einen ab: Der Ball landet wieder im Aus - ärgerlich! Und das, obwohl man mit dem FC Barcelona nicht gerade den schlechtesten Verein gewählt hat und Piqué als Verteidiger auch technisch beschlagen ist. Aber das eigene Passspiel ist auch auf engem Raum weit von katalanischer Kurzpasseleganz entfernt. Also heißt es: Üben, üben, üben...

Ballverluste für Veteranen

Mal ist das Zuspiel zu kurz, mal landet das Leder irgendwo beim Gegner - es kommt in den ersten Minuten zu einem Fest der Ballverluste und Missverständnisse. Selbst Kenner der Serie werden sich ganz neu einstellen müssen. Obwohl die Steuerung nahezu identisch ist, fühlt sich PES so an als hätte jemand auf die totale manuelle Kontrolle geschaltet: Eine neue Energieleiste zeigt ähnlich wie in FIFA 11 an, wie kraftvoll das eigene Zuspiel ist - nur muss man hier viel sensibler dosieren. Genauso wichtig für präzises Passen ist auch die Richtung des Analogsticks, denn sonst landet der Ball in den gefährlichen Zwischenräumen, wo die Verteidiger lauern.

Ob es dieses Jahr wieder für einen Award reicht? PES 2011 zeigt jedenfalls deutliche Fortschritte.
Plötzlich stimmen Timing, Druckpunkt und Richtung: Das Leder jagt flach durch das Mittelfeld, durch die Viererkette in den Lauf des Stürmers! Plötzlich wird das Spiel schnell, weil man es richtig gelesen und den Pass über X gut dosiert hat. Messi nimmt die Kugel mit und als der Verteidiger ihn stellen will, zaubert er eines der ansehnlichen neuen Dribblings auf den Rasen: Den Regenbogen-Schnipser! Hört sich bescheuert an, sieht aber klasse aus, wenn man sich die Pille per L2 und Doppel-R3-Druck im Lauf über den eigenen Kopf und den verdutzten Gegner lupft. Das scheint noch etwas zu leicht funktionieren, aber derartige Tricks sind auch sehr stark von den Werten der Profis abhängig - ein weniger starker Profi wie Schweinsteiger lupft den Ball nur etwas an.

Geniale Tempowechsel

Zwei Elemente der Spielmechanik sorgen bisher für ein neues Spielgefühl - die offenen Pässe und die effizienten Dribblings. Es gab bisher kein PES, das sich vor allem im Mittelfeld so frei angefühlt hat: Man kann aus dem Stand einen Tempowechsel einleiten und das Spiel schneller machen, indem man kreativ passt oder trickst. Und man hat mehr Zeit dafür, denn auch die Automatismen in der Abwehr, in der Konami die Animationen im Zweikampf endlich lebendiger gestaltet, sind nicht mehr ganz so effizient: Man kann den Ball nicht mehr so leicht über Pressing erobern, indem man zwei Mann wie Terrier auf den Ballführenden hetzt. 

Die neue Freiheit: Dank des offenen Pas-Systems kann man auch mit x tödliche Zuspiele in die Tiefe einleiten.
Im Gegenteil, die Defensive verlangt jetzt mehr Überlegung, mehr Weitsicht. Allerdings ist noch nicht ganz klar, ob die neue Steuerung hier wirklich hilfreich ist: Man kann seinen Verteidiger jetzt parallel zum Stürmer mitlaufen lassen, so dass er diesen eher abschirmt als attackiert - erst wenn man den Analogstick nicht mehr zum eigenen Tor, sondern zum Gegner ausrichtet, geht er drauf. Das hört sich theoretisch gut an, ähnlich wie das Jockey-Feature in der Defensive von FIFA, aber war praktisch noch recht wirkungslos, da man so kaum einen Ball erobert hat. Und wer nur den Raum abschirmt, lässt dem Gegner viel Zeit für tödliche Zuspiele. Effizienter wirkte da schon die optional automatische Grätsche, die manche Verteidiger von selbst einsetzen, wenn man sie wie gehabt über Viereck auf den Gegner schickt.

Defensive mit mehr Raumdeckung

Die neue Freiheit hat also ihren Preis: Man braucht sehr lange, um mit der Steuerung klar zu kommen. Das ist auch nicht das Problem, denn zu einer anspruchsvollen Simulation gehört auch eine Einarbeitungszeit. Aber selbst wenn sich ein Puyol und ein Messi nur drei Meter ohne gegnerischen Druck gegenüber stehen, kann tatsächlich ein Fehlpass entstehen. Ist das noch authentische Freiheit oder etwas zu viel des Manuellen? EA ist bei seiner Optimierung des Passsystems wesentlich behutsamer vorgegangen. Beide Strategien bergen ihre Vor- und Nachteile: PES 2011 wirkt dadurch ganz anders, fast wie ein neues Spiel. Aber damit geht man hinsichtlich der Balance auch ein größeres Risiko ein, weil der Spielaufbau zwar unberechenbarer, aber auch brüchiger wirkt - bis ein Fluss aufkommt, vergeht viel Zeit.            

Man kann die automatische Grätsche einstellen, wenn der zweite Mann beim Pressing vollen Einsatz zeigen soll.
Gab es früher den nahezu sicheren Kurzpass über X und den offenen Pass in die Tiefe über Dreieck, kann man jetzt auch mit X die tödlichen Zuspiele einleiten, aber auch wesentlich mehr Fehlpässe verursachen. Bei unseren ersten fünf bis zehn Partien waren die ansehnlichen Glanzpunkte eher Mangelware und die Tiefpunkte die Regel - es braucht sehr viel Vorbereitung, damit wirklich spektakuläre Szenen und kreativer Spielfluss entstehen. Das war in PES zwar immer so, aber noch nie so radikal, was einfache Patzer und Ballverluste angeht. Immerhin bleibt es beim alten Flankensystem: Je nachdem, ob man einmal, zweimal oder dreimal Kreis drückt, fliegt die Kugel flach, weit oder hoch in den Strafraum; hier hat man im Gegensatz zum hypersensiblen Flankenwechsel auf die manuelle Dosierung verzichtet.

Die Macht des X

So lobenswert die Öffnung des Spiels und die Abkehr von Automatismen im Passspiel auch ist, kann man noch nicht von einem konsequenten, also kompletten Neustart der Serie sprechen. Dafür gibt es noch einige Altlasten: Vor allem die Fankulisse kann in unserer Vorschaufassung weder optisch noch akustisch überzeugen. Hoffentlich sind die eintönigen Gesänge und die Aussetzer von Raunen oder Beifall bei Torchancen noch dem unfertigen Status zuzuschreiben. In PES 2011 darf man nicht erneut dieselben Endlosschleifen von "Auswärtssieg" hören. Dafür scheinen die Japaner im Bereich der Gesichter wieder vor FIFA 11 zu liegen: Die Profis sehen ihren Vorbildern unheimlich ähnlich, vor allem in den Katakomben und bei den Zeitlupen, die übrigens von einer ruhigeren Kamerafahrt profitieren.

Auch bei den Animationen gibt es Fortschritte: Das Zweikampfverhalten wirkt jetzt wesentlich lebendiger als in PES 2010 - es wird gehalten, gedrückt und geschoben.
Was abseits der schwachen Torhüter, die bei vielen Ecken hilflos gegenüber recht einfachen Kopfbällen scheinen, auf jeden Fall noch behoben werden muss: Die Schiedsrichter pfeifen nicht, wenn man Spieler ohne Ball foult - so kann man bisher jeden Stürmer ohne Folgen weggrätschen, der in den freien Raum durchstartet, um sich anzubieten. Unverständlich ist für mich auch das Festhalten am oberflächlichen Trainingsmodus: Außer dem freiem Spiel sowie Ecken und Freistößen kann man nichts gezielt üben. Und das, obwohl gerade dieses PES so deutlich hinsichtlich des Passens und Dribbelns umgestellt wurde, dass situationsabhängige Tutorials hilfreich gewesen wären. Es gibt immerhin drei vorgefertigte Trick-Sets mit 16 Dribblings! Warum kann ich die nicht einstudieren?

Fouls & Training

Wer z.B. einen komplizierteren Trick über mehrere Tastenfolgen trainieren will, wird umständlich durch die Menüs gescheucht und kann sich die Befehle nicht auf dem freien Trainingsrasen anzeigen lassen. Immerhin kann man auch selbst bis zu vier Makros anlegen, die bis zu vier verschiedene Dribblings hintereinander verbinden und dann über L2 plus Analogstickrichtung ausgeführt werden. Das erleichtert das Zaubern auf dem Platz und sorgt dafür, dass PES hinsichtlich der Dribblings an FIFA vorbeizieht. 

Alles schön neu: Die Benutzeroberfläche bietet Mausgefühl plus Drag&Drop-Komfort.
Die neue Benutzeroberfläche wirkt zunächst etwas verwirrend, bietet aber schon vor dem Anpfiff mehr taktischen Komfort: Entweder lässt man defensive, balancierte oder offensive Formationen spielen, die automatisch verwaltet werden - dann braucht man sich quasi um nichts kümmern. In diesen vorgefertigten Strategien wird festgelegt, wie sich ein Team bei einer Führung oder im Rückstand verhält. Auf dem Platz kann man dann sehr schön beobachten, wie sich Mannschaften im Raum zurückziehen oder nach vorne gehen. All das kann man als Experte auch komplett manuell einstellen, so dass ausgeklügelte Kombinationen möglich sind, die das Verhalten des Kollektivs beeinflussen.

Das neue Mausgefühl

Hilfreich ist, dass man jetzt nicht nur per Maussystem navigieren, sondern per Drag&Drop seine Profis wechseln kann. Für Einsteiger ideal: Sobald man einen Kicker anklickt, wird umgehend eine passende Alternative für seine Position angezeigt. Und wenn man einfach mal einen dritten Stürmer auf das 4-4-2-Feld zieht, wird die Formation umgehend auf 4-3-3 umgestellt. Es gibt noch viele kleine Änderungen in der Benutzeroberfläche, die wir genau so wie die Meisterliga sowie den Legendenmodus erst im Test genauer betrachten. Kann Konami in den Wettbewerben für mehr Leben und Dramaturgie sorgen?    

Ausblick

Einerseits bin ich positiv überrascht: Zum ersten Mal seit drei Jahren fühlt sich dieses PES wirklich anders an - und das tut gut! Es bietet ein frisches Spielgefühl, weil die freien Pässe für eine neue Dynamik im Aufbau sorgen und man die taktische Situation auf dem Feld besser lesen muss. Auch die effizienten Dribblings tragen dazu bei, dass man zähes Hin und Her im Mittelfeld schnell auflösen kann. In diesen beiden Bereichen sowie beim im Vergleich zu PES 2010 wesentlich besser animierten Zweikampfverhalten ist ein großer Fortschritt spürbar. Aber der Spielfluss litt in unserer Fassung noch unter der hohen Fehleranfälligkeit sowie der relativ schwachen, auf Raumdeckung fokussierten Verteidigung - selbst Kenner der Serie werden sich total umstellen müssen, weil einfache Zuspiele manchmal im Nichts landen. Außerdem scheint Konami trotz komplett überarbeiteter Benutzeroberfläche samt lobenswertem taktischen Komfort noch einige Altlasten mitzuschleppen: Soundkulisse, Fangesänge, Flankensystem, Eckstoßverhalten sowie das einfallslose Training wirken noch wie unaufgeräumte Reste der Vergangenheit. Wird die finale Fassung da noch frischer wirken? Und wie präsentieren sich Meisterliga und Legendenmodus? Ich drücke die Daumen, dass Spielmechanik und Präsentation bis zum Release im Oktober noch weiter zulegen!

Ersteindruck: gut

Wie präsentiert sich FIFA 11? Zur Vorschau!