Guild Wars 2 - Vorschau, Rollenspiel, PC

Guild Wars 2
09.09.2010, Marcel Kleffmann

Vorschau: Guild Wars 2

Welches Online-Rollenspiel hat auf der gamescom 2010 den besten Ersteindruck bei uns hinterlassen? Nein, es war weder Star Wars: The Old Republic noch Tera oder gar Rift. Guild Wars 2 (ab 31,07€ bei kaufen) setzte sich klar mit seinem Story-Fokus, seinen Events statt Quests, seiner malerischen Welt sowie seinem aktiven Kampfsystem durch. Jetzt können wir ausführlicher auf diese Stärken eingehen.

Guild Wars war schon immer anders als viele Online-Rollenspiele - und das nicht nur, weil es auf ein monatliches Abosystem verzichtet hat, sondern weil es eigene Wege in Sachen Fertigkeiten, Instanzierung, PvP, Story und Co. ging. Der Nachfolger wird sich zwar einigen anderen Konventionen unterwerfen, trumpft aber mit mindestens genauso vielen neuen Ideen auf.

Es bleibt alles anders...



Video: Die Entwickler stellen Guild Wars 2 in Kurzform vor (mit deutschen Untertiteln).

Er beginnt klassisch mit der Erstellung des Charakters, der Auswahl eines Volkes und einer Klasse. Acht Klassen sind geplant und vier haben die Entwickler bisher vorgestellt: Nekromant, Waldläufer, Krieger und Elementarmagier. Meine Wahl fiel auf einen menschlichen Krieger. Danach war es Zeit für eine Fragestunde in Form eines kleinen Persönlichkeitstests, um die Hintergründe bzw. Gesinnung des Charakters festzulegen (z.B. würdevoll, grausam oder charmant) und unter welchen Umständen er die Welt betreten hat - Erinnerungen an den Söldnertest aus Jagged Alliance 2 werden wach.

Der eigene Charakter

Einige dieser Fragen werden vom Volk, der Klasse oder der Herkunft bestimmt. So wird beispielsweise ein Asura gefragt, welches Kolleg er besucht hat (Synergetik, Dynamik oder Statik), während ein Mensch gebeten wird, seinen sozialen Hintergrund zu bestimmen (Adel, Bürger oder auf der Straße lebend). In anderen Fragen stellt sich vielleicht heraus, dass der Charakter Mitgefühl mit einem niederen Volk haben könnte oder auch nicht. Mittels dieses Tests werden einige Attribute eures Protagonisten festgelegt und es folgt das gezeichnete und animierte Intro, das einen Überblick über die bisherige Geschichte gibt und mit einigen Ingame-Szenen garniert ist, in die mein Alter Ego gleich mit eingebunden wird.

Nach dem Intro lande ich direkt in einer Menschensiedlung, die von Zentauren angegriffen wird und große Überraschung: Es gibt keine Questgeber, die mir erzählen, dass das Dorf attackiert wird und mich bitten die Zentauren zu töten. Ich sehe selbst, was vor sich geht und sobald ich weiter in das Gebiet vordringe, erscheinen automatisch die "Auftragsziele" an der rechten Bildschirmseite: "Dorfbewohner retten". Das erinnert stark an die öffentlichen Quests aus Warhammer Online: Jeder Spieler, der sich in der Nähe solch eines "Events" befindet, kann zu jeder Zeit an den Aufgaben teilnehmen und bekommt einen Anteil an den Belohnungen - abhängig von seiner Beteiligung, z.B. durch den Schaden, den er angerichtet hat; plus weitere Faktoren.



Direkter Einstieg

Das Haus steht in Flammen und kein Questgeber weit und breit! Also rein da und schauen, wer oder was sich retten lässt...

Als ich die erste Konfrontation mit den Pferdemenschen überstanden habe, erreiche ich eine von Zentauren belagerte Gefängnisfestung. Sobald ich wieder eine bestimmte Gebietsgrenze (Burggraben) überquere, poppt das erste Ziel auf, das alle Spieler in dem Areal gemeinsam und kooperativ lösen können, ohne je einen Questgeber konsultiert, eine Aufgabe angenommen oder eine Gruppe gegründet zu haben. Die Zentauren greifen munter die Festung an und ich muss sie zurückschlagen. Je nachdem wie viele Mitspieler in der Gegend sind, desto stärkere Feinde bzw. mehr Gegner tauchen auf. Als ich diese Angriffswellen zurückgeschlagen habe, wird das Event fortgesetzt. Der Boden beginnt zu beben und ich muss mit den anderen Mitstreitern ein aus der kargen Umgebung geformtes Elementarwesen als Bossgegner bekämpfen und das gleich am Anfang des Spiels. Nein, ich sammle anfänglich keine Eichhörnchenohren oder Rattenbeine, sondern darf gleich gegen echte Gegner bzw. Monster loslegen. Am Ende dieser Eventreihe bekomme ich dann Auszeichnungen, Erfahrungspunkte, Geld oder wohlmöglich Gegenstände als Beute.

Events statt Quests

Doch woher weiß ich überhaupt, wo ich hin muss, um diese Events zu finden? Hier helfen einem Scouts auf die Sprünge, die zum nächsten Areal weiterleiten bzw. es auf der zoombaren Karte markieren. Schnellreisemöglichkeiten gibt

Malerische Orte und reichlich Stoff zum Erkunden wird es in Tyria geben. Wie beim Vorgänger sind übrigens keine monatlichen Abogebühren geplant.
 es ebenfalls zwischen bestimmten Positionen und gegen ein kleines Benutzungsentgelt. Außerdem versprechen die Entwickler, dass diese Events im weiteren Verlauf einen dynamischen Einfluss auf die Welt haben können - ohne permanent zu bleiben. Beispielsweise können feindliche vom Computer gesteuerte Kreaturen ein Dorf erobern, sofern sich die Spieler nicht dagegen wehren und wenn das Dorf in Feindeshand ist, fehlen sämtliche Händler, etc. Die Lösung: Entweder die Stadt zurückerobern oder es erst gar nicht zum Angriff kommen lassen. Oder wenn ich die Brut eines großen Monster ausgelöscht habe, kann es durchaus sein, dass Mutter oder Vater auf Rache aus sind und zurückschlagen...

Von Scouts und Dynamik

Arena.net beschreibt es wie folgt: Ihr müsst keine langen Questbeschreibungen lesen, um zu wissen, was los ist. Das erlebt ihr nämlich selbst durch das, was ihr in der Welt hört und seht. Wenn also ein Drache angreift, erfahrt ihr das nicht, indem ihr drei Absätze mit allen Informationen dazu lest, sondern ihr seht Gebäude, die in Flammen aufgehen und hört, wie die Charaktere in der Spielwelt panisch schreien, dass ein Drache auf Beutezug ist. Ihr hört, wie die Wachen in den umliegenden Städten Spieler rekrutieren, um in den Kampf gegen den Drachen zu ziehen, und seht in der Ferne Rauchwolken von dem belagerten Dorf aufsteigen.

Im Gegensatz zum ersten Teil von Guild Wars ist ein Großteil der Welt nicht instanziert, sondern beständig (persistent), also wie bei World of WarCraft, Warhammer Online oder EverQuest. In dieser Welt erwarten mich mehrere getrennte, aber gleichzeitig miteinander verwobene Handlungsstränge. Der eine behandelt die Gesamtgeschichte der Welt, die Auferstehung der Alt-Drachen und die Verwüstung, die sie in Tyria anrichten. Der andere dreht sich um den Aufstieg und Fall der Abenteurergilde "Destiny's Edge".



Persönliche Story

Zudem wird es möglich sein, dass jeder Charakter eine persönliche Geschichte erlebt und diese wird instanziert realisiert. Diese "Personal Story" wird mit voll vertonten Zwischensequenzen fortgeführt, in denen die Protagonisten miteinander interagieren. Manche Dialoge bieten auch mehrere Antwortmöglichkeiten mit unterschiedlichen Konsequenzen und schon hier bietet Guild Wars 2 dem BioWare-Titel Star Wars: The Old Republic mächtig Paroli. Ebenso ist es bei der Präsentation der Gespräche, da die Charaktergesichter und die Umgebungen/Schauplätze in Guild Wars 2 keinen so generischen Eindruck hinterlassen wie beim Star Wars-Pendant, sondern markanter und detaillierter wirken.

Obwohl jeder Charakter seine persönliche Geschichte hat, kann ein Spieler (mehrere) Freunde einladen, um ihn zu begleiten. So können Spieler anderen dabei helfen, ihre Ziele zu erreichen, und zusehen, wie sich ihre Geschichte weiterentwickelt. Freunde können sich also gegenseitig bei ihren Zielen unterstützen und dadurch andere Bereiche der Handlung in Guild Wars 2 erleben, die sie in ihrer eigenen Geschichte nicht gesehen hätten. 

Anstatt Waffen zu wechseln, kann sich die Elementarmagierin auf neue Gefahren einstellen, indem sie sich auf ein geeignetes Element einstimmt. In diesem Fall (Wasser) verzichtet sie auf den Schaden von Luft und Feuer und kontrolliert stattdessen die Bewegung eines Gegners. So kann sie rutschiges Eis erzeugen oder Feinde einfrieren. Verbündete in der Nähe der auf Wasser eingestimmten Elementarmagierin werden ständig geheilt.
Je nach Anzahl der Teilnehmer wird dieses persönliche Event entsprechend skaliert. Darüber hinaus hat jeder Charakter eine eigene Heimatinstanz, die meist in der Hauptstadt seines Volkes liegt. Innerhalb dieses Heimatbereichs ist alles auf euren Charakter abgestimmt und verändert sich zusammen mit der Entwicklung eures Protagonisten im Verlauf der Geschichte. Die persönlichen Bereiche von zwei Spielern werden sich je nach den getroffenen Entscheidungen im Handlungsstrang unterschieden.

Andere Wege geht Guild Wars 2 ebenfalls bei den Kämpfen, die wesentlich aktiver und actionreicher im Vergleich zu vielen Genre-Vertretern ausfallen; sogar kommende Titel wie Star Wars: The Old Republic oder Rift ziehen den Kürzeren. Dies liegt daran, dass es im Prinzip keinen automatischen Angriff gibt, ich aktiv Ausweichen muss und die meisten Fertigkeiten in Bewegung ausgeführt werden können. Es ist vergleichsweise viel Leben und Tempo in den Duellen, die Positionen werden oft gewechselt und dank des dynamischen Klassensystems spielen sich die einzelnen Protagonisten trotz oder gerade wegen der Klassen vielfältig. Krieger können so nicht nur Nahkampfschaden anrichten oder als Tank fungieren, sondern mit einem Bogen nützlichen Fernkampfschaden entfesseln (Flächeneffekte à la Salve), Mitspieler wiederbeleben (kann jede Klasse) oder andere Spieler in seinem Umkreis heilen, sofern der Krieger mit einem Banner in der Hand durch die zu heilenden Reihen läuft. Die klassischen Grenzen zwischen Tank, Heiler und Damage-Dealer verschwimmen.

Aktives Kampfsystem

Ausblick

Arena.net hat sich mit Guild Wars 2 viel vorgenommen - verdammt viel. Während sich anstehende Online-Rollenspiele mit einer Story inklusive Entscheidungen und Standardkämpfen profilieren wollen (Star Wars: The Old Republic) oder auf ein aktives Kampfsystem mit Standardquests setzen (Tera), vereint Guild Wars 2 einfach beide Vorteile in sich. Darüber hinaus bietet das Spiel gute Ideen, die den Spielfluss entschlacken und zugleich Dynamik versprechen: So werden Quests und öde vorgestellte Geschichten durch (mehrstufige) Events in der fest bestehenden Welt abgelöst. Die weitgehend instanzierten Story-Sequenzen werden zudem ansprechend präsentiert, bieten Entscheidungsmöglichkeiten und formen Charaktere mit unterschiedlichem Hintergrund. Dazu gibt es ein Kampfsystem, das euch nicht nur auffordert aktiv gegen die Gegner zu kämpfen, sondern die Umgebung mit in eure Überlegungen einzubeziehen und eure Fertigkeiten mit denen von anderen Klassen zu kombinieren. Jetzt müssen die Entwickler "nur noch" ihre Versprechen halten, mehr als genügend Inhalte schaffen (auch im High-Level-Bereich) und die Fertigkeiten in Ruhe ausbalancieren. Müsste ich mich für ein Online-Rollenspiel entscheiden, das derzeit das größte Potenzial ausstrahlt, so wäre es zweifelsohne Guild Wars 2.

Ersteindruck: sehr gut