Top Spin 4 - Vorschau, Sport, 360, PlayStation3, Wii

Top Spin 4
20.01.2011, Benjamin Schmädig

Vorschau: Top Spin 4

Sieht man von Virtua Tennis 2009 ab, ist es beinahe drei Jahre her, dass die großen noch lebenden Tennis-Asse zu ihrem dritten Aufschlag ansetzten. Doch nach Top Spin 3, Virtua Tennis 3 und Smash Court Tennis 3 ist es ruhig um den Filz geworden. Erst in diesem Jahr geht das Duell Top Spin gegen Virtua Tennis - Simulation gegen Arcade - in eine neue Runde. Schon im März schlägt 2K Sports gegen Sega auf!

Man kann nicht über Top Spin 4 (ab 3,97€ bei kaufen) sprechen, ohne über Top Spin 3 zu reden. Denn als 2k Sports zuletzt aufschlug, stellte man eine neue Generation des digitalen Tennis' vor: Zum ersten Mal war nicht nur das Timing beim Schlagen wichtig - zum ersten Mal spielte auch die Position des Spielers zum Ball eine entscheidende Rolle. Ballwechsel waren zudem bedeutend langsamer als in den Vorgängern und bei der Konkurrenz. Die einfache Bezeichnung »Tennis-Simulation« wurde zum Leitmotiv der Entwicklung und genau daran knöpft Top Spin 4 an.

Die Karrierefrage

Der Leitsatz ist heute wie damals lobenswert. Damals gelang es Entwickler Pam Development allerdings nicht, die vorbildliche Physik in einem guten Spiel zu verpacken. Es fehlten die Dynamik realer Ballwechsel, clevere Gegner sowie eine umfangreiche Karriere. Und obwohl wir inzwischen etliche Duelle mit einer frühen Xbox 360-Version von Top Spin 4 ausgetragen haben: Noch wissen wir nicht, wie die neue Karriere aussehen wird. Denn die Vorschau-Fassung erlaubt ausschließlich einzelne Partien vor einer Konsole. Immerhin verrät eine Texteinblendung, dass man erneut in jeder Spielvariante, egal ob offline oder online, Erfahrungspunkte verdient. Auf Informationen zur Charaktererstellung, dem Onlinespiel sowie der Move-Unterstützung müssen wir aber vorerst verzichten.

Entstanden ist die diesjährige Ausgabe übrigens bei den Mafia 2-Machern 2K Czech - Pam Development wurde leider geschlossen. Glück im Unglück: Wichtige Entwickler des ursprünglichen Studios arbeiten weiterhin an der Serie. Und schon nach den ersten Ballwechseln war uns klar, dass die Mischung aus französischer und tschechischer Besetzung ganz hervorragende Arbeit geleistet hat. Solche packenden Matches haben wir uns seit dem hervorragenden Virtua Tennis 3 nicht geliefert!

Simulation statt Sega

Dabei verzichtet Top Spin erneut auf alles, was Segas Gegenstück zum Arcade-Weltmeister macht. Zwar kommt es auf schnelle Reaktionen und geschicktes Taktieren an, doch der Ball fliegt nicht mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit über den Platz. Die Profis hechten auch nicht wie Comicfiguren an der Grundlinie entlang. Charakteristisch ist vielmehr eine glaubwürdige Trägheit:

Damen: Wozniacki, Ivanovic, Jankovic, Serena Williams, Safina, ZvonarevaSie sprinten nicht im Handumdrehen ans Netz und wechseln nicht binnen eines Wimpernschlags die Laufrichtung. Wer sich seinen Gegner geschickt ausguckt, kann ihn deshalb mit einem gut platzierten Cross ausspielen. Wer nah am Netz steht, erreicht hingegen selbst bei guter Reaktion keinen Lob, der auf die Grundlinie fällt. Kraftvolle, präzise Schläge gelingen dabei nur, wenn der Spieler den Ball gut auf den Schläger bekommt. Umso sinnvoller ist die Fähigkeit, per Tastendruck von Vor- auf Rückhand oder umgekehrt zu wechseln - eine großartige Möglichkeit, um einen wichtigen Ball mit der starken Hand zu spielen!

Übrigens

25 lizenzierte Asse stehen auf dem Platz, darunter die aktuelle Spitze mit Federer und Nadal sowie ältere Herren wie ein kahlgeschorener Agassi und natürlich Boris Becker:

Herren: Nadal, Agassi, Federer, Borg, Becker, Courier, Rafter, Djokovic, Lendl, Sampras, Roddick, Chang, Murray, Blake, Simon, Davydenko, Tomic, Bouchard, Wawrinka

Der wichtigste Aspekt ist aber wie im Vorgänger das Timing. Denn nur wer die Taste für Slice, Lob, Top Spin oder den flachen Schlag im richtigen Moment loslässt, kann den Gegner mit gefährlichen Bällen unter Druck setzen. Für einen starken Return drückt man die Taste also zeitig und lässt sie los, kurz bevor der Ball den Spieler erreicht. Ein solcher Power-Schlag will gut überlegt sein: So richtig mächtig gelingt er nämlich nur, wenn man genug Zeit zum Aufladen hat. Gott sei Dank wurde dabei jener Unsinn abgestellt, nach dem man in Teil drei unmittelbar nach einem Schlag bereits den nächsten aufladen konnte und damit kaum imstande war, auf den Spielverlauf zu reagieren. Das Aufladen beginnt diesmal frühestens nach dem Schlag des Kontrahenten.           

Der richtige Zeitpunkt

So kommt außerdem einer weiteren Schlagvariante eine große Bedeutung zu: dem weniger kraftvollen, genaueren Schlag. Denn man kann den Gegner nur dann mit harten Bällen unter Druck setzen, wenn man ihn z.B. mit schlecht zu erreichenden kurzen Slices oder weiten Top Spins in Bedrängnis gebracht hat. Es reicht das kurze Antippen einer Taste im richtigen Augenblick und schon landen platzierte Schüsse in den Ecken oder knapp hinterm Netz. Für einen Stop muss man zusätzlich die rechte Schultertaste ziehen - das letzte Überbleibsel eines Markenzeichens der Serie, den Risikoschüssen. Und deren Wegfall tut der Dynamik erstaunlich gut! Denn jetzt dreht sich alles um die richtige Position und das genaue Timing. Vielfältige, dynamische Ballwechsel statt verkopfter Spielmechanismen: Das zeichnet diese ausgewachsene Simulation aus.

So sind es bisher nur kleine Schwächen, die die ganz große Euphorie bremsen. Denn die Trägheit der Profis mag eine Stärke sein - trotzdem scheint es manchmal, als ob ein kurzer Sprint in Richtung Ball eigentlich möglich wäre, um einen Punktverlust zu verhindern. Stattdessen traben die Spieler manchem gut platzierten Cross recht gemächlich hinterher.

Charakteristische Gesten und Bewegungen der Profis fängt Top Spin 4 hervorragend ein!
Warum gibt es keine kurzen manuellen Sprints, die im Gegenzug an der Ausdauer zehren? Diese wirkt sich schließlich ohnehin auf Präzision und Stärke aus.

Und der Mühe Lohn?

Ein solcher Sprint könnte auch das Serve & Volley-Spiel ersetzen, für das man schon beim Schlagen eine Taste ziehen muss. Nur dann, aber auch nicht immer, läuft der Profi schnell ans Netz. Im Vergleich zur sonst sehr direkten und glaubwürdigen Laufarbeit empfanden wir dies noch als unangenehm störrisch. Nicht zuletzt sieht es oft so aus, als würde der eigene Profi einen schwierigen Ball lustlos verschenken, anstatt sich mit ausgestrecktem Schläger um Rettung zu bemühen. Als erfahrener Videospieler versteht man natürlich, dass der Ball in solchen Situationen als verfehlt berechnet wurde. Trotzdem würde es dem Spielgefühl gut tun, wenn man signalisiert bekäme: »Schade, aber du hast dich redlich bemüht und es sah cool aus!«

Dieser letzte Punkt wiegt nicht schwer. Er scheint allerdings umso unnötiger, je genauer man sich Spieler und Tennisplätze anschaut. Denn von Kleinigkeiten abgesehen kommt Top Spin 4 einer Fernsehübertragung verführerisch nahe! Das Publikum raunt bei knappen Ballwechseln angespannt mit, Zwischenrufer sprechen die Sportler beim Namen an und die Angesprochenen drehen sich daraufhin ins Publikum. Sie blicken entspannt, wenn das Match noch jung ist und schauen verbissen drein, sobald sie gefordert werden. Es ist die ganze Dynamik - die Art und Weise, mit der sich die Spieler zwischen den Ballwechseln an den Aufschlagspunkt bewegen oder die Mimik, mit der sie auf einen Punktgewinn reagieren - die verblüffend an reale TV-Bilder erinnert.

Die Fernsehstars

Und manchmal gibt es diese animierten Momente auch im Spiel: Einmal rettete »unser« Boris mit einer Hechtrolle den Ball, dann kommt Agassi mit einem Schlag durch seine Beine zum Punktgewinn - Weltklasse! Die spektakulären Tricks sind natürlich eine Seltenheit. Wenn sie gelingen, wirken sie dafür umso glaubwürdiger, machen diese Tennissimulation umso packender. Die Saison beginnt im März dieses Jahres? Ich brenne schon jetzt auf diesen heißen Titelanwärter!     

Ausblick

Zuletzt hatte ich mich schwer getan: Virtua Tennis 3 war Top Spin 3 trotz seines Arcade-Charakters deutlich überlegen. Da ist es schwer, als eingeschworener Fanboy die Top Spin-Fahnen oben zu halten. Seit sich die Vorschau-Version in unserem Laufwerk dreht, gibt es aber kein Halten mehr: Top Spin ist zurück und könnte in der gezeigten Verfassung die Tennissimulation schlechthin werden! Die Stimmung auf dem Platz ist grandios, die Profis sind von ihren Originalen kaum zu unterscheiden und die Ballwechsel wunderbar dynamisch. Trotz der vereinfachten Steuerung und dem Wegfall der Risikoschüsse sind dabei jederzeit taktische Finessen möglich und wichtig. Tödliche Bälle müssen herausgespielt, anstatt allein durch eine richtige Taste abgerufen werden. Über der bislang völlig unbekannten Karriere steht natürlich ein riesiges Fragezeichen, über dem Onlineumfang, Move-Unterstützung und der kompletten Wii-Ausgabe ebenso. Was wir bislang gesehen haben, macht Top Spin 4 allerdings zu einem starken Hoffnungsträger!

Ersteindruck: sehr gut