RIFT - Vorschau, Rollenspiel, PC

RIFT
23.02.2011, Marcel Kleffmann

Vorschau: RIFT

Rift (ab 9,99€ bei kaufen), ehemals Rift: Planes of Telara oder Heroes of Telara, ist das erste Online-Rollenspiel von Trion Worlds und verschlang gleich über 50 Millionen Dollar Entwicklungskosten. Mit dynamischen Ereignissen und ständigen Angriffen möchte sich Rift von den Kontrahenten absetzen, doch irgendwie will das nicht so richtig funktionieren, denn abgesehen von diesen Events setzt das Spiel auf Bewährtes und Bekanntes...

Ein Dutzend scharfe Spinnenunterkiefer, sechs glänzende Juwelen und ein mysteriöses Tagebuch befinden sich in meinem Inventar, während ich gerade den letzten zu tötenden Kommandanten mit meiner Zweihandaxt bearbeite. Damit wären alle meine Aufgaben abgeschlossen und ich mache mich auf den Rückweg. Doch wo ist der Questgeber hin? Auf der Minikarte sehe ich zwar sein charakteristisches Fragezeichen, aber an dem Ort, wo er stehen sollte, ist weit und breit nichts zu sehen, außer schwarz/violettem Bodenmatsch und daraus sprießenden Tentakeln. Darüber thront ein Unheil verkündender Ebenenriss (Dimensionsriss) und einige streitsüchtige Untote materialisieren sich gerade...

Risse durchziehen die Welt

Und da ist auch mein Questgeber: Er befindet sich im Kampf und versucht die Eindringlinge auf eigene Faust zu bekämpfen. Er braucht Hilfe! Also schicke ich meinen Begleiter auf einen der Gegner, werfe einige Feuerspeere, setze meine Axt in Flammen und presche voran. Die vier Gegner werden der Reihe nach abgefertigt, bevor der feindliche Anführer auf der vermoderten Fläche erscheint und verhindern will, dass die Mini-Invasion zurückgeschlagen wird. Trotz erhöhter Lebenspunkte und eines gehörigen Ausmaßes zeichnet sich der Anführer nicht durch allzu große Stärke aus und ich kann ihn problemlos zu Boden schicken. 

Danach ziehen sich die Tentakel wie von Geisterhand zurück, der Riss schließt sich und das schwarze Feld, das vorher die grasgrüne Landschaft überlagerte hatte, gibt die Pflanzen wieder preis. 

Ein Brückenkopf ist mitten in einem NPC-Lager erschienen und sämtliche Questgeber, Händler, Lehrer, etc. sind verschwunden.
Kaum ist die wie aus dem Nichts erschienene Bedrohung verschwunden, läuft der Questgeber, der glücklicherweise überlebt hat, an seinen angestammten Ausgangspunkt zurück und steht nun bereit, um mich für meine vorher erledigten Aufgaben zu entlohnen und mir weitere Quests zu unterbreiten...

Die Online-Rollenspielwelt Telara wird fast pausenlos von anderen Ebenen (Dimensionen) angegriffen. Wie soeben beschrieben können fast überall Risse entstehen, die Vertreter aus anderen Ebenen (Tod, Wasser, Luft, Erde, Feuer oder Leben) mit sich bringen und dort Chaos stiften. Diese Risse scheinen keinen festen Erscheinungsort zu haben, können sich also hier und da öffnen und sogar in unmittelbarer Nähe eines Lagers mit Questgebern, Klassenlehrern, Verkäufern, Berufslehrern, etc. auftauchen.



Dynamik in der Welt

Die namensgebenden Risse (Rifts) können mit den öffentlichen Quests aus Warhammer Online verglichen werden und präsentieren sich meist als mehrstufige Ereignisse: Zunächst lauern einfachere Gegner, dann stoßen stärkere Kontrahenten oder gar Grüppchen hinzu und  am Ende wartet meist ein "kleiner" Endgegner. Jeder Spieler, der sich in einem bestimmten Umfeld um diesen Riss befindet, kann an dem Kampf teilnehmen. Je nach Anzahl der Spieler bzw. der am Kampf teilnehmenden Mitstreiter steigt oder sinkt die Zahl der Feinde und in den Anfangsregionen kann es unter Umständen vorkommen, dass ihr alleine einen Riss bekämpft - auch das funktioniert durchaus gut. 

Um Rift spielen zu können, müsst ihr ein monatliches Abo für 12,99 Euro abschließen; bzw. 10,99 Euro pro Monat bei einem vierteljährlichen Abo (32,97 Euro) und 9,99 Euro bei einem halbjährlichen Abo (59,94 Euro). Spielzeit-Karten (60 Tage für 29,99 Euro) soll es ebenfalls geben.
Ist ein Riss geschlossen worden, erhalten alle Beteiligten spezielle Beute, Erfahrungspunkte und Co. - ohne vorher eine Quest angenommen zu haben. Zugleich findet ihr bei manchen Rissen kleine Unterstützungsmöglichkeiten wie Verstärkungszauber durch einen anklickbaren Kristall (alle 30 Sekunden Heilung, etc.) oder benutzbare Grabsteine, die computergesteuerte Mitstreiter auferstehen lassen.   

Abseits dieser Risse gibt es weitere ähnlich funktionierende Ereignisse wie zum Beispiel Brückenköpfe, die von Vertretern der anderen Ebenen oder der gegnerischen Fraktion errichtet werden und eine Art "Riss lite" darstellen. 

Ein Wasser-Riss spuckt meist Wasser-Elementar-Kreaturen aus, die zudem auch die normalen "Feinde" in der Welt angreifen.
Zudem erscheinen gelegentlich marodierende Invasionstruppen, bestehend aus mehreren Kämpfern und einem Anführer, die ein Ziel - meist Siedlungen mit Questgebern und Händlern - angreifen wollen, was hilfreicherweise auf der Karte vermerkt wird. Stellenweise kann es zu richtig groß angelegten Invasionen kommen, bei denen Gegnerhorden koordiniert angreifen und früher oder später das gesamte Gebiet überrannt wird. Wenn wie auf den Beta-Servern zu wenig Spieler anwesend sind, kann solch eine Invasion kaum aufgehalten werden. Die Veränderung der Machtverhältnisse durch solch eine Invasion ist allerdings nicht von Dauer. Nach gegebener Zeit erscheinen die NPCs wieder und die Feinde verschwinden.

Die Wiederholung der Dynamik

Diese Risse und Ereignisse suggerieren eine Dynamik wie sie in anderen Online-Rollenspielen kaum vorhanden ist und ich muss zugeben zwischendurch beim Questen immer wieder einen Brückenkopf oder einen Riss attackiert zu haben. Jedoch verlieren sie mit zunehmender Zeit an Attraktivität und insbesondere der Faktor des Besonderen lässt nach. Wenn man beispielsweise auf einem kleinen Hügel steigt und gleich drei Risse und zwei Brückenköpfe in der nächsten Umgebung sieht, ist es etwas zu viel des Guten. So schön dieses System prinzipiell ist, es nutzt sich ab, aber in Kombination mit den Standard-Quests sind die dynamischen Ereignisse eine willkommene und gelungene Ergänzung. Es bleibt zu hoffen, dass man sich bis zum Erreichen der Stufenbeschränkung nicht an den Rissen satt gesehen hat...

Screenshots: 81 Bilder aus der Beta

Durch dieses System mit den Rissen und den Angriffen auf die persistente Welt setzt sich Rift von anderen Online-Rollenspielen ab, vor allem scheinen sich die Entwickler auf World of WarCraft eingeschossen zu haben, schließlich wird im Rift-Werbespot behauptet "Ihr seid nicht mehr in Azeroth!". Damit haben sie recht, denn die Welt sieht mit ihrem eher "realistischen" Antlitz keineswegs wie die WoW-Comicwelt aus. Trotz einiger etwas leerer Areale überzeugt das Landschaftsdesign mit malerischen Flächen und dazwischen liegenden eingestreuten Questhubs, ansehnlicher Vegetation und prunkvollen Städten. Was ich bisher gesehen habe, ist eine durchaus stimmige und ansehnliche Welt, die mir persönlich besser gefällt als der asiatisch angehaute Aion-Stil, aber die Prunkkulisse von Age of Conan wird nicht erreicht. Wirklich schwach präsentieren sich hingegen die wichtigen Animationen der Charaktere: Natürliche Bewegungsabläufe scheinen ein Fremdwort zu sein, dazu sind die meisten Bewegungen viel zu träge, aufgesetzt und hakelig. Die Qualität der Animationen passt eigentlich gar nicht, in die ansonsten sehenswerte Welt.

Überzeugende Welt

Im Hintergrund erwartet euch die große Stadt Meridian.

Beim Questsystem zeigt sich Rift bemüht und kann bestenfalls mit World of WarCraft: Cataclysm verglichen werden, ohne aber die Kreativität und Abwechslung des Spiels von Blizzard zu erreichen. An bestimmten Orten bekommt ihr eine Reihe von Quests, die sich thematisch auf einen Bereich der Welt beschränken und eine Geschichte in Textform erzählen; Sprachausgabe war bisher Mangelware. Habt ihr die Aufgaben abgeschlossen, werdet ihr zum nächsten Questhub weitergeleitet, usw. Dadurch entstehen in sich geschlossene Mini-Geschichten, die meistens über die Einstufung als "nett" nicht hinauskommen. Die eigentliche Geschichte um die Invasionen oder den Konflikt der zwei Fraktionen kommt erst langsam in Schwung und mit gelegentlichen Blicken in die Vergangenheit von Telara erhält die Welt etwas mehr Tiefe. Einen starken oder gar fesselnden Story-Fokus - abgesehen vom Startgebiet - konnte ich bis Stufe 18 kaum entdecken...

Standard-Kost: Quests

Die Quest-Aufgaben umfassen die klassischen und mehr oder weniger langweiligen Aufträge der Marke Töten, Sammeln, Bote spielen und manchmal dürft ihr Gegenstände aus dem Inventar auf andere Objekte anwenden (z.B. Einfangen von brennenden Eichhörnchen mit einem Netz). Dennoch fehlt es mir an echten Highlights oder erinnerungswürdigen Aufgaben und ein Großteil der Questgeschichten wirkt ohnehin generisch und austauschbar. Zugleich gibt es etwaige Schwachstellen in ihrem Design, insbesondere wenn ich mehrere Male als Folgequest in ein- und dasselbe Gebiet laufen darf, um dort andere Viecher zu erledigen, die direkt neben denen stehen, die ich vorher umgehauen habe. Außerdem wird man sehr stark an die Hand genommen, da Zielgebiete und Positionen möglicher Gegner überdeutlich auf der Karte verzeichnet sind.

Questgegner, -standorte und -objekte sowie Risse, Brückenköpfe und Invasionen werden übersichtlich auf der Karte angezeigt.
 Die Belohnungen für das Erledigen in Form von Gegenständen, Ruf, Zahlungsmitteln und Erfahrungspunkten lässt das Erfüllen dieser Aufgaben als durchaus sinnvoll erscheinen - dem stupiden Grind wird somit der Garaus gemacht. Toll ist übrigens die "AoE-Loot"-Funktion: Ihr könnt die Beute von mehreren Feinden gleichzeitig plündern, wenn die Überreste in der unmittelbaren Umgebung liegen - da hat wer mitgedacht!

Das "rückständigste" bei Rift ist zweifelsohne das Kampfsystem: Wie bei den meisten Online-Rollenspielen gibt es einen automatischen Dauerangriff, sofern ihr den Gegner als Ziel markiert habt und passend dazu zündet ihr Spezialfertigen je nach Klasse- und Seele, die wiederum Abklingzeiten haben. Zudem schwebt der allgegenwärtige "Global Cooldown" über der Kampfdynamik und aktives Kämpfen wie in Age of Conan oder Tera gibt es nicht. Die Kämpfe sind vielmehr recht statisch sowie vom Management der Fertigkeiten bzw. ihrer Abklingzeiten geprägt. Nichtsdestotrotz müsst ihr euch mit den Fähigkeiten eures Charakters beschäftigen, da es viele Talente gibt, die aufeinander aufbauen, mehr oder wenige sinnvolle Stärkungszauber zur Verfügung stellen und so weiter. 

Standard-Kampfsystem, aber variable Klassen

Während das Kampfsystem ziemlich altbacken daherkommt, zeigt sich die Klassensystem umfangreich und kombinationsfreudig. Ihr startet mit einer der vier Berufungen (Krieger, Geistlicher, Schurke oder Magier) und spezialisiert euch dann zügig, indem ihr insgesamt drei Seelen auswählt. Jeder Berufung stehen mindestens acht Seelen zu Verfügung, wobei jede Seele einen eigenen Talentbaum und individuelle Fertigkeiten plus Stärken/Schwächen offenbart. 

Im Kampf gegen den Bossgegner von "Freimark".
So könnt ihr als Krieger beispielsweise Bestienmeister, Paladin oder Kriegesherr wählen oder den Schurken mit Waldhüter-, Saboteur- oder Scharfschützen-Seelen kombinieren. Je nach Auswahl der Seelen kann ein Geistlicher am Ende ein Heiler oder ein offensiver Kämpfer sein, während sich Krieger in Richtung Tank, Unterstützungskämpfer oder Schnetzelmaschinen weiterentwickeln können oder gleich alles zusammen.

Pro Stufenaufstieg erhaltet ihr Talentpunkte, die ihr frei in euren drei Bäumen verteilen könnt und je nachdem wie viele Punkte jeweils investiert wurden, desto mehr Fertigkeiten werden freigeschaltet. Die Möglichkeiten dieses Systems sind ansonsten nicht weiter beschränkt und erlauben euch viel Freiheit bei der Gestaltung eurer Seelenzusammenstellung, wobei sich im Endeffekt wahrscheinlich mehr oder weniger sinnvolle Kombinationen herauskristallisieren werden. Auch die Ausbalancierung wird kniffelig werden, aber dieser Herausforderung wollen sich die Entwickler stellen. Viel zu meckern habe ich an dem schönen Klassensystem nicht, jedoch sind die Beschreibungen/Tutorials viel zu oberflächlich. Sie schneiden nur einen Bruchteil der Spielelemente an.  

Ausblick

Auch wenn Rift sich bemüht mit dynamischen Events von anderen Online-Rollenspielen abzusetzen, geht Entwickler Trion Worlds bei fast allen anderen Spielelementen auf Nummer sicher. Durch das altbekannte Kampfsystem und die standardisierten Quests spielt sich Rift tatsächlich wie World of WarCraft und Konsorten. Das ist keinesfalls schlecht, aber wenn ihr auf der Suche nach etwas Neuem oder Besonderem seid, ist Rift nicht die lohnenswerte Alternative, da sollte man schon eher auf Tera oder GuildWars 2 setzen. Das heißt keinesfalls, dass Rift schlecht ist, nein, im Gegenteil, vieles der dargebotenen Kost ist gut gelungen und auf hohem Qualitätsniveau: Das Klassensystem zeigt sich vielfältig und wandlungsreich, die Welt ist hübsch gestaltet und schön anzusehen und das Spiel ist in der Beta so dermaßen bug-, lagfrei und stabil, dass sich so manch ein veröffentlichter Titel eine Scheibe davon abschneiden könnte. Allzu gerne würde ich jedoch den Deutsch/Englisch-Mischmasch in den Texten ausblenden, genauso wie die hakeligen Animationen. Ansonsten bleibt zu hoffen, dass Rift bei zunehmender Spielzeit nicht zu schnell zu langweilig wird, weil immer das Gleiche (Risse) geschieht und sich bekannte Muster wiederholen. Gerade Dungeons, Crafting und PvP müssen sich noch beweisen und hoffentlich warten noch bessere Quest-Geschichten in Telara.

Eindruck: gut