Guild Wars 2 - Vorschau, Rollenspiel, PC

Guild Wars 2
01.07.2011, Mathias Oertel

Vorschau: Guild Wars 2

Stellt man die Frage, welche Online-Rollenspiele in den letzten zehn Jahren eine starke Duftmarke hinterlassen haben, kommt man irgendwann auf Guild Wars zu sprechen. Seit seiner Veröffentlichung 2005 hat sich der Titel samt Erweiterungen eine große Fangemeinde gesichert, die der Fortsetzung entgegen fiebert. Wir können euch zwar noch keinen genauen Termin nennen, konnten uns allerdings mit einigen der neuen Features wie Dungeons und Unterwasserkampf beschäftigen.

Guild Wars war schon immer etwas anders. Nicht nur, dass die Gildenkriege zu einer Zeit mit einem kostenlos spielbaren Modell überzeugten, als der Begriff "Free to play" noch nicht inflationär missbraucht wurde. Der Titel bot eine unheimlich schicke Kulisse, ein ausgefeiltes PvP-System (Kämpfe von Spielern gegen Spielern) und machte dank KI-Mitläufern auch solo Spaß, wenn man mal keine menschlichen Mitstreiter finden konnte oder wollte.

Free to was?

Auch Guild Wars 2 (ab 31,07€ bei kaufen) (GW2) wird wieder etwas anders sein als der Rest. Natürlich kann man sich nicht vor gewissen Mechanismen verschließen und wird nicht versuchen, das Rad neu zu erfinden. Aber man entfernt sich doch in vielen Punkten vom Online-Rollenspiel-Einerlei. Das beginnt beim erzählerischen Fokus, der sich für jeden Spieler basierend auf Bioware’schen Fragen und Antworten bei der Charakter-Auswahl anders entwickeln soll, wobei Volk und Klasse ebenfalls eine Rolle spielen. Das geht über gemeinschaftliche Entscheidungen weiter, die in Instanzen die Welt permanent verändern und das Fantasy-Erlebnis individualisieren sollen. Und das endet erst bei dem unauffälligen Questaufbau, der stark auf dynamische Events setzt. Anstatt wie meist üblich mit einem Holzhammer auf eine Aufgabe aufmerksam gemacht zu werden, wird man durch Beobachtung der Ereignisse in der näheren Umgebung schneller als einem lieb ist, vollkommen unauffällig in größere und kleinere Aufgaben hineingezogen. Natürlich gibt es auch weiterhin Auftraggeber, die markiert sind, die aber nicht immer mit klassischen Aufgaben warten. Wo andere Spiele sich meist auf eine Ansammlung von Kill-Quests oder Hol-und-Bring-Diensten verlassen, muss man hier auch schon mal kleinere Texträtsel lösen,  in Gestalt eines Leoparden übergroße Maulwürfe aufspüren und verjagen oder ein Herrenhaus von Schmutzflecken befreien, während man die Piraten bekämpft, die das Gebäude gerade stürmen wollen. Und das alles nahtlos mal mit, mal ohne weitere Mitspieler, die alle ihre eigene Erfahrung und Beute bekommen, so dass es keinen Ärger mit "XP-" oder "Loot-Dieben" geben kann.

Durch diese harmonischen Übergänge, die an die öffentlichen Missionen eines Warhammer Online erinnern, wird einem das Gefühl vermittelt, dass man wirklich Teil einer großen Welt ist, in der viele Individuen ihrer eigenen Geschichte nachgehen, die einen aber immer mal wieder zusammen führt.

Doch dies konnten wir ja bereits in einigen Punkten auf der gamescom letzten Jahres kennenlernen, weswegen ich an dieser Stelle auf die damalige Vorschau hinweisen möchte. Denn viel interessanter sind natürlich die neuen Elemente, die wir auf einer ausgedehnten Spielesession in Augenschein nehmen konnten.

Besonders die Ausflüge in die Dungeons konnten dabei begeistern. Diese besonderen Gebiete, die fernab der solo spielbaren Hauptinhalte nur mit Gruppen entsprechend hoher Erfahrung bewältigt werden können, dürften neben den klassischen und neuen PvP-Optionen die Teamspieler zu den Waffen rufen.

Leben rettende Gruppendynamik

Dabei ist es mittlerweile auch unerheblich, einen dezidierten Heiler dabei zu haben, der sich im Zweifelsfall um die Wiederbelebung kümmern muss. Mittlerweile kann jede Klasse einen gefallenen Kameraden zurückholen, wobei sich auch hier wieder einmal zeigt, dass Arena.net das Genre zu neuen Ufern führen will: Ist die Lebensenergie am Ende, wird man ähnlich wie in Shootern à la Army of Two oder Gears of War in eine Art Überlebenskampf gestürzt, in dem man mit

Die individuelle Story jeder Figur wird über Fragen festgelegt.
einem speziellen Fähigkeitenset auskommen sowie mit starker Mobilitätseinschränkung fertig werden muss. Schafft man es innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, einen Gegner zu erledigen, bekommt man quasi die zweite Luft und erhebt sich wieder, um erneut eingreifen zu können. Alternativ kann natürlich auch eine klassische „Reanimation“ innerhalb dieses Zeitraumes stattfinden, um die Gruppe wieder zu voller Einsatzstärke zu bringen. Falls alle Hilfe zu spät kommt, findet man sich am Eingang zur Höhle wieder, von wo man wieder zu seinen Kameraden eilen kann.

Hat man sich mit der Gruppe eingespielt und seine von der jeweilig ausgerüsteten Waffe abhängigen Fähigkeitensets aufeinander abgestimmt, bekommen die Feinde die Auswirkungen im Dutzend zu spüren. Bei all dem Schlachtenlärm aus Klingengerassel, Zauberformeln und Geschossexplosionen sowie dem dazugehörenden Effektfeuerwerk, das den Bildschirm in ein gleißendes Inferno verwandelt, ist es zwar mitunter schwer, den Gegner anzupeilen, der gerade die größte Gefahr darstellt. Doch das sind Probleme, die eingespielte Gruppen schnell in den Griff bekommen dürften. Wobei die Zusammenstellung der Teams unter Umständen dem Problem der Beliebigkeit entgegen wirken muss. Bei dieser Session war die Party mit drei Magiern und zwei Ingenieuren selten wirklich gefordert. Hier muss die finale Version zeigen, ob man den Spagat zwischen Anspruch und Vermeiden von Frust zu bewältigen versteht, ohne dass man als Spieler einer bestimmten Klasse Angst haben muss, keine Gruppe zu finden...

Effekt-Feuerwerk

Die Feinde verhalten sich bei den Gefechten zwar nur leidlich intelligent und lassen es auch immer wieder an Zusammenarbeit vermissen, in der Masse können sie ungeübte Spieler jedoch vor Probleme stellen. Zudem gibt es ja auch noch spezielle Bosse, die immer wieder mit Überraschungen fordern sollen. Auf jeden Fall staunte ich nicht schlecht, als mir einer der Entwickler beim Kampf gegen ein untotes Liebespaar den Hinweis gab, auf die Kreise unter ihren Füßen zu achten. Denn je näher die beiden zusammenstehen, umso mächtiger sind sie jeweils. Also heißt es hier erst einmal, die beiden durch "Rückstoß-Attacken" voneinander zu trennen. Ich hoffe, dass Arena.net diese Kreativität

In den Dungeons werden die gruppendynamischen Auseinandersetzungen zu einem Effektspektakel.
auch langfristig ausspielt und auch solo mit derartigen Taktikzwängen zu überraschen versteht. Als Belohnung für das Durchforsten der unterirdischen Höhlen gibt es seltene bis einzigartige Gegenstände, die man als Zeichen seines Mutes stolz tragen und den anderen Spielern präsentieren kann.

Das generalüberholte Fähigkeiten-System, das sich durch alle Bereiche zieht, ist eine der potenziellen Stärken von Guild Wars 2. Nehmen wir z.B. einen Magiebegabten: Je nach ausgerüsteter Waffe (Einhandstab, Zweihandstab, Dolch) ändern sich die Fähigkeiten und Zauber, die man anwenden kann. Zusätzlich hat man jedoch noch die Möglichkeit, die Art der Magie zu ändern und aus dem aggressiv agierenden Feuermagier einen eher für die Gegnerkontrolle zuständigen Wasser-Zauberer zu machen. Dessen Fähigkeiten ändern sich wiederum abhängig von den Waffen, so dass man ausreichend Kombinationen zur Verfügung hat, um die Figur seiner favorisierten Spielweise bzw. der Situation anzupassen.

Durchdachtes Fähigkeiten-System

Ein weiteres neues Element im Guild Wars-Universum ist die Möglichkeit, sich unter Wasser zu bewegen und dort auch zu kämpfen. Dort herrschen nicht nur andere physikalische Bedingungen, so dass z.B. keine Bodenzauber aktiviert werden können (ist ja klar, es gibt bei schwimmenden Viechern keinen Boden im eigentlichen Sinne). Gleichzeitig stehen einem dort im Kampf wieder neue Fähigkeiten zur Verfügung. Das ist per se eine gute Idee und dürfte für viel Abwechslung im Kampf sorgen. Doch da wir bei der Spielesession mehr oder weniger unvermittelt zwischen den Start- und Hochstufen-Charakteren hin- und hergeschmissen wurden, wird sich erst noch zeigen müssen, wie man die Figurenentwicklung gestaltet, ohne die Spieler unnötig zu verwirren. Zumal man auch noch weitere klassenspezifische Fähigkeiten bekommt, die man auf die freien Aktions-Slots legen kann.

Wenig Verwirrung ist auch bei der Benutzerführung angesagt. Egal, ob man sich durch die Menüs klickt, sich auf der Karte bewegt, dort ggf. einen (kostenpflichtigen) Teleport-Punkt aktiviert, um sich Lauferei zu sparen oder seine Klamotten einfärbt: Man findet sich schnell zurecht, Frust wird minimiert.

Gelungene Benutzerführung

Und dazu wird man auch noch an wichtigen Punkten in der eigenen Geschichte (dort dann instanziert) oder mit der Gruppe (z.B. in Dungeons) mit stilistisch hochinteressanten und aufwändig vertonten Sequenzen ins Geschehen gezogen. Dabei verzichtet man zwar auf Dialogbäume sowie Einflussmöglichkeiten, wie sie z.B. im vermutlich ärgsten Konkurrenten Star Wars The Old Republic angeboten werden. Doch die gelungene Mischung aus animierten Gemälden sowie passend eingebunden Spielfiguren, untermalt mit hervorragender Sprachausgabe zieht mich in ihren Bann und ich ertappe mich dabei, dass ich überhaupt nicht das Bedürfnis spüre, die angebotene Option zum "Dialog-Schnelldurchklicken" wahrzunehmen.

Und das Beste: Wie der Vorgänger wird auch Guild Wars 2 abseits der initialen Anschaffungskosten nicht monatlich in den Geldbeutel schneiden. Wie die Entwickler nochmals versicherten, hält man am bisherigen Modell fest.

Ausblick

Seit der Ankündigung von Guild Wars 2 habe ich darauf gewartet, endlich selbst Hand anlegen zu können und durch die derzeit wohl schönsten Online-Landschaften zu stapfen, die man auf PCs zu sehen bekommt. Und ich wurde nicht enttäuscht: Inhaltlich dürfte sich die Fortsetzung zum Urvater des "Free-to-play" mit ihrem Fokus auf individuelle Story und die Spielwelt beeinflussenden Entscheidungen zu einem Zeit fressenden Motivations-Monster entwickeln. Das Kampfsystem hält im Wesentlichen zwar an klassischen "Rundenmechanismen" fest, ist aber so schnell, dynamisch und effektgeladen, dass man beinahe an reinrassige Action denkt. Der Missionsaufbau hebt sich häufig positiv vom üblichen "Töte dies"- oder "Bring mir das"-Einerlei ab, kann sich aber auch nicht komplett  von diesem Erbe lösen. Ein Problem könnte unter Umständen die Beliebigkeit der Gruppenzusammenstellung (z.B. für Dungeon-Erkundungen) sein, die einerseits zwar allen die Möglichkeit gibt, sich schnell und unkompliziert ins Gefecht zu stürzen. Im Gegenzug könnte allerdings die taktische Komponente, die bei den PvP-Duellen des Vorgängers zwingend nötig war, mehr und mehr verloren gehen. Und ob dies durch die von Waffen abhängigen Fähigkeiten aufgefangen wird, muss sich zeigen. Guild Wars 2 bleibt der Serie vor allem in einem treu: Es überrascht wie der Vorgänger mit Unerwartetem, fasziniert mit durchdachten Elementen und sieht einfach nur klasse aus. Und es werden nach wie vor keine monatlichen Abo-Gebühren anfallen. Jetzt fehlt nur noch der finale Release-Termin, damit ich Urlaub einreichen kann.

Eindruck: sehr gut