The Last Story - Vorschau, Rollenspiel, Wii

The Last Story
15.08.2011, Benjamin Schmädig

Vorschau: The Last Story

Es ist schwierig, über The Last Story (ab 71,53€ bei kaufen) zu schreiben, ohne Final Fantasy zu erwähnen. Es liegt nicht nur am Namen, der so frappierend an die übergroße Serie erinnert. Es liegt vor allem an Hironobu Sakaguchi - dem Vater von Final Fantasy, der auch bei diesem Abenteuer federführend war. Dabei könnte The Last Story kaum weiter von seinem früheren Werk entfernt sein...

Es ist schwierig, sich ohne nennenswerte Sprachkenntnisse durch ein japanisches Rollenspiel zu ackern. Warum ich es trotzdem getan habe? Weil Nintendo den Titel, der schon zu Beginn dieses Jahres erschienen ist, endlich auch im Westen veröffentlichen will. Wann? Das ist die große Frage. Größer ist nur die: Lohnt sich das Warten?

Action, Rollenspiel oder beides?

Für die Helden des Abenteuers lohnt es sich auf jeden Fall, denn die verdienen sich in The Last Story eine goldene Nase: Als Söldner kommen sie auf die Insel Ruli, wo sie mit zahlreichen Aufträgen genug Taschengeld verdienen, um bessere Waffen und Rüstungen zu kaufen. Ganz richtig: So sehr es ein klassisches asiatisches Rollenspiel ist, so stark ähnelt The Last Story einem westlichen Action-Rollenspiel. Denn der Kampf und das ständige Verbessern der Ausrüstung steht auf ähnliche Art im Vordergrund wie in den Diablos der westlichen Welt.

Auch die Action wird wie ein moderner Shooter inszeniert: Man schaut über die Schulter des Helden, während er mit schwingender Klinge durch die Gegner wirbelt oder aus der Deckung heraus auf Schwachstellen schießt. Auch die Parade eines Angriffs muss man selbst auslösen - Elza weicht feindlichen Attacken nicht von selbst aus, nur weil er gute Verteidigungswerte innehat. Bis zu sechs Onlinespieler dürfen zudem spezielle Aufträge gemeinsam bestreiten oder gegeneinander antreten. Ich bin mir allerdings sicher, dass es sich hier nur um eine Dreingabe handelt, die die meisten Abenteuer ohne schlechtes Gewissen ignorieren werden.

Elza ist zwar nicht der Anführer der Söldner, die nach Ruli kommen, um ihn dreht sich die Geschichte aber.

Den Soundtrack zu the The Last Story schrieb Final Fantasy-Komponist Nobuo Uematsu. Kann er auch diesmal mit emotionalen Melodien verzaubern?

Ruli

Wir haben das drei CDs lange Album ausführlich gehört.Man begleitet stets ihn, auch wenn sich die Wege einiger Figuren trennen oder wenn neue zu ihrer Gruppe stoßen.Und natürlich erlebt man den Kampf gegen die Armee der Gurg aus seiner Sicht. Das Gesindel fällt immerhin auf der Insel ein, auf der sich Elza und seine Begleiter aufhalten. So aufwändig wie Final Fantasy wird die Handlung dabei nicht inszeniert. Die Geschichte nimmt sich zwar viel Zeit für Filmszenen und das freie Erkunden der Hauptstadt von Ruli, wird aber meist in gewöhnlichen Dialogen erzählt.

Das freie Erkunden ist deshalb so wichtig, weil Elza in der vom frühen Europa inspirierten "mittelalterlichen" Stadt zusätzliche Aufträge annehmen sowie Waffen und Rüstungen verbessern kann. Natürlich darf er sich und seinen Kameraden auch neue Ausrüstung kaufen, wichtiger ist aber das Stärken der vorhandenen Schwerter und Panzer. Meist kostet das Aufwerten nur eine Stange Geld, manchmal benötigen die Handwerker allerdings seltene Gegenstände, um einer Waffe eine besondere Fähigkeit zu verleihen.

Vom beschaulichen Ruli aus starten die Söldner ins Abenteuer.
Auf diese Weise erhöht man vor allem Wahrscheinlichkeiten, etwa das Abwehren bestimmter Angriffe. Manche Fundstücke müssen Experten auch erst identifizieren, bevor sie Elza und seine Begleiter nutzen dürfen. Nicht zuletzt findet man in Ruli eine Arena, in der sich die Abenteurer bei Bedarf einen Erfahrungs- und Geld-Bonus erkämpfen.

Es gibt auf Wii visuell überwältigende Spiele – The Last Story gehört nicht dazu. Dafür gleichen sich viele Gebäude in der Stadt zu sehr und geheimnisvollen alten Höhlen fehlt das Erhabene, das seit Jahrhunderten in ihren Mauern schlummert. Auch die Kamera behält nicht bei jeder Drehung die Übersicht und ich musste mit ansehen, wie Elza ungewollt vom Körper eines Monsters "verschluckt" wurde. Im Gegenzug wirkt die bodenständige, etwas knorrige Fantasywelt dafür greifbarer als die überbordende Pracht anderer Fernost-Rollenspiele. Stilistisch machen die vielen Braun- und Grautöne The Last Story zu einer Art The Witcher unter den asiatischen Fantasywelten - von den glatten, allzu gewöhnlichen Figuren abgesehen.

Trotz des angenehmen Schlenderns durch die glaubwürdigen Kulissen, kam ich mir mitunter allerdings verloren vor. Denn weil die Gruppe um Elza zumindest in den ersten Stunden nicht über die Insel reist, sondern ihr Lager in der Hauptstadt aufschlägt, nahm ich den Ort bald nur noch als begehbares Shop- und Upgrademenü wahr. Vielleicht gewinnen die Aufträge bald schon an Bedeutung, so dass sich das Abenteuer als vollwertiges Action-Rollenspiel entpuppt - spielerisch steht die Action ohnehin im Mittelpunkt.

Die neue Rollenspiel-Action: The Last Story vereint Taktik mit schnelllem Echtzeit-Kampf.
Wenn auch mit Einschränkungen. Denn wer bei "Deckungssystem" und Echtzeitkampf an moderne Shooter denkt, ist auf dem Holzpfad. Zwar nutzt Sakaguchi viele Elemente so, dass sie an schnelle Action-Spiele erinnern. Die Steuerung und das Verhalten der Gegner und Kameraden entstammen allerdings dem behäbigen Rollenspiel.

Die neue Rollenspiel-Action?

Ja, The Last Story ist schnell! Wenn ich mit Elza auf einen Gegner zulaufe, attackiert er automatisch so behände, dass man die Würfel hinter den angezeigten Trefferwerten kaum noch sieht. Per Tastendruck blocke ich Angriffe ab oder rolle schweren Angriffen aus dem Weg. Auf Knopfdruck geht Elza außerdem hinter Mauern oder Hindernissen in Deckung. Hält man die Z-Taste gedrückt, lugt er aus dem Versteck hervor - mit dem Analogstick zielt man. Auf dem offenen Feld funktioniert das ebenfalls. Auf diese Art schaltet man Gegner aus der Ferne aus oder lässt sich zuvor ihre Schwachstellen anzeigen. Die Deckung dient zwar als taktisches Mittel vor dem Duell, sie bietet allerdings auch im unmittelbaren Aufeinandertreffen noch Schutz. Mit speziellen Angriffen prescht Elza sogar nur aus der Deckung heraus gefährlich hervor.

Das alles fühlt sich aber nicht so dynamisch an wie in einem Shooter. Am ehesten erinnert es an ein erweitertes Final Fantasy XII: direkter, flüssiger und um die Mittel eines Deckungssystems erweitert. Anders als aus taktischen Rollenspielen gewohnt, steuert man aber nur Elza, seine Begleiter agieren selbstständig. Stellen sich clever dabei an? Es geht: Sie bewegen sich zwar nicht immer mit Übersicht, greifen aber von sich aus an, unterstützen Elza und wirken Zauber. Eine Besonderheit sind die starken Spezialisierungen der Gefährten, denn während die kaltschnäuzige Seiren z.B. ausschließlich zweihändig kämpft, beherrscht der bullige Jackal sowohl Schwert als auch Eismagie. Eismagie, wohl gemerkt - er verfügt nicht über magisches Allgemeinwissen. Andere sind praktisch reine Heiler, den Vollblut-Zauberer gibt es natürlich ebenfalls und Elza kann neben dem Schwert eben mit Pfeil und Bogen umgehen.

Zwischen den Missionen vergnügen und beratschlagen sich die Kameraden in einem Wirtshaus


Die alte Rollenspiel-Klasse?

Auch Elza beherrscht aber verschiedene Zauber - es sind eher besondere Fähigkeiten - mit denen er z.B. die Aufmerksamkeit sämtlicher Feinde auf sich zieht. Eine heikle Sache! Denn sobald er das tut, wird er im Handumdrehen eingekreist. Einerseits kann er in dieser Position Angriffe nicht mehr effektiv abwehren. Andererseits gibt er seinen Kameraden damit aber genug Zeit, ihre Zauber zu nutzen. Ein Sekundenzähler zeigt mir an, wie lange welcher Mitstreiter noch benötigt, um seine Magie zu wirken. Und nur wenn sie sich ungestört vorbereiten können, gelingt die Aktion…

Haben sie ihre Zauber einmal gesprochen, hat das verschiedene Wirkungen: Zum einen richten sie beim Gegner Schaden an, zum anderen beeinflussen sie auch die Umgebung. Ein Feuerkreis tut den Monstern z.B. weh – logisch. Elzas Gefährten bleiben davon allerdings unberührt. Im Gegenteil: Ihnen hilft das Feuer, weil es von den Waffen aufgenommen wird. Gar nicht schlecht: Nach den ersten Stunden gefällt mir die Mischung aus rudimentärer Schulterblick-Action und sinnvollen taktischen Aktionen jedenfalls richtig gut.

Am Ende eines Kampfes lassen die Gegner schließlich Münzen oder Ausrüstung fallen, in Schatztruhen lagern ebenfalls zufällig verteilte Taler oder seltene Gegenstände – das Sammeln gewinnt schnell an Reiz. Doch wie tief geht die Charakterentwicklung, wenn die Helden jeden Stufenaufstieg und jede damit verbundene Fähigkeit vollautomatisch vollziehen? Kann The Last Story die Rollenspiel-Begeisterung langfristig nur über das Finden, Kaufen und Verbessern der Ausrüstung halten?

Ausblick

Ich bin mir noch nicht sicher, wo ich The Last Story einordnen soll. Wie viel Rollenspiel versteckt sich hinter den einfachen Charakterstatistiken? Darf ich später auch umfangreiche Höhlen erforschen oder bleibt es bei den schnurgeraden Gassen mit mächtigen Bewachern am Ausgang? Wie viel Einfluss darf ich auf den Ausbau der Ausrüstung nehmen? Kommen noch weitere taktische Aspekte im Kampf hinzu? Die große Frage ist: Will The Last Story in Ruhe eine große Geschichte erzählen oder stehen die Mini-Aufträge eines Action-Rollenspiels im Vordergrund? Auch nach mehreren Stunden sitzt das Spiel zwischen den Stühlen - denn keiner der Aspekte hat bis jetzt richtig gezündet. Dabei sind beide Elemente vielversprechend. Vor allem aber hat es mir der Kampf angetan: Das Wecken der Aufmerksamkeit, um den Kameraden Zeit zu verschaffen, sorgt für heikle Momente. Ist die Ablenkung erfolgt, schmeckt der Sieg dafür umso besser. Auch die (etwas unhandliche) Deckungssuche wirkt frisch, weil sie die spielerischen Möglichkeiten der taktischen Rollenspiel-Gefechte erweitert. Begeistern konnte mich The Last Story bislang nicht - allerdings bin ich gespannt darauf, wie es weitergeht!

Ersteindruck: gut