Game of Thrones - Vorschau, Rollenspiel, 360, PlayStation3, iPhone, Android, PC
So eine starke Lizenz und so wenig Freiheit? Ich kann mir keinen Abenteurer aussuchen, weder das Aussehen noch die Ausrichtung festlegen? Schade! Auf Nachfrage erklärten Sylvain Sechi (Lead Game Designer) und Thomas Veauclin (Art Director), dass sie sich mit diesem Projekt nicht übernehmen wollten. Das kommende Rollenspiel wird also weder eine offene Welt noch eine klassische Charaktererschaffung à la The Elder Scrolls V: Skyrim anbieten: Stattdessen erlebt man eine lineare Story aus zwei Perspektiven.
Zweigleisiges Abenteuer
Sehr interessant für alle Kenner der Bücher ist, dass sich Cyanide zwar an die machtpolitischen Rahmenbedingungen der Romane hält, aber nicht einfach die bekannten Geschehnisse nacherzählt. Das Abenteuer findet parallel zu den Ereignissen des ersten Buches (von denen die TV-Serie im Detail abweicht) statt und soll weitere Facetten der intriganten Ereignisse vermitteln - eine gute Entscheidung. Man spielt dabei die vorgegebenen Helden kapitelweise nacheinander, bis man irgendwann beide zusammen steuert. Das kann auch eine sehr interessante Art sein, eine Geschichte zu erzählen, wenn sich die beiden roten Fäden langsam annähern – zumal George R.R. Martin, der Schöpfer der Romanwelt, an deren Konzept und Verfeinerung beteiligt ist. Die Entwickler spielen die aktuellen Versionen mit ihm, passen Textzeilen und Details an.
Auch The Witcher profitierte von der markant ausgearbeiteten Welt der literarischen Vorlage Sapkowskis und überzeugte mit einem weitgehend fertigen Helden in begrenzter Landschaft – hier hat man immerhin zwei. Die beiden Protagonisten werden sich hinsichtlich ihrer Kampfstile und ihres Auftretens unterscheiden, obwohl Erstere noch recht ähnlich wirkten. Sie steigen ganz gewöhnlich über Erfahrungspunkte auf und besitzen fünf Attribute: Stärke, Agilität, Glück, Ausdauer, Intelligenz. Es wird jedoch keine sozialen oder diebischen Fähigkeiten wie Rhetorik, Schleichen oder Taschendiebstahl geben. Zu Beginn kann man lediglich einen von drei Kampfstilen wählen - z.B. eher flink mit zwei
Das wäre die spartanisch anmutende „Klassenwahl“ für den Startcharakter: Mors Westford. Also doch ein Action-Rollenspiel zum Kloppen und Aufsteigen? Nein, der Fokus ist eher ein erzählerischer, was sich auch an der doppelten Perspektive zweier Helden zeigt. Mors ist ein rauer Ranger der Nachtwache aus armen Verhältnissen, mit Stiernacken und zig Narben im Gesicht; er wird von einem ebenso aggressiv wirkenden Hund begleitet. Schon im ersten Kapitel begegnet er Jeor Mormont (seine Figur wird wie in der TV-Serie von James Cosmo besetzt), dem bärbeißigen Lord Commander von Castle Black. Er muss während der Exekution eines Deserteurs seinen Mann stehen und hier zeigt Game of Thrones (ab 14,95€ bei
Mors von der Nachtwache
Alester der rote Priester
Alester trifft also auf extrem hitzige Verhältnisse, die Bevölkerung ist deprimiert, das Land liegt teilweise in Trümmern. Wie soll er auf seinen Bruder reagieren? Die harte Hand oder etwa Verständnis? Man hat die Wahl, ob man den Ursachen der Ereignisse wirklich auf den Grund geht, ob man dabei eher auf die Stimme der Bevölkerung, der fürstlichen Ratgeber oder auf seinen eigenen Instinkt hört. Schon in diesen ersten Kapiteln gibt es Aufträge, die Auswirkungen auf spätere Kapitel haben. Dabei stehen die Entscheidungen in den gut geschriebenen Dialogen im Vordergrund: Man sollte sich genau überlegen, wie man auf wen reagiert, zumal man nicht sofort den konkreten Text, sondern nur seine Gedanken zum Thema lesen kann. Schön ist, dass die möglichen Antworten nicht farblich markiert oder moralisch sortiert werden – man muss sie
Etwas unübersichtlich in der Handhabung, hinsichtlich der Animationen zu eintönig, aber auf den ersten Blick interessant wirkte das taktische Kampfsystem mit seiner Zeitlupe: Kommt es zu einem Gefecht, kann man pro Charakter bis zu drei Aktionen in einem Kreismenü stapeln, während das Geschehen dahinter verlangsamt weiter läuft – alle Beteiligten bewegen sich dann wie in Gelee, wobei das Hauen und Stechen, Blocken und Parieren nicht mal ansatzweise an die Klingentänze des Hexers heran reicht. Maximal wird man die Kontrolle über drei eigene Figuren gleichzeitig haben: Alester, Mors und dessen Hund. Man kann den Kampf nicht komplett pausieren und in Runde spielen, sondern hat ein begrenztes Zeitfenster, in dem man pro Charakter drei Entscheidungen hinsichtlich Konter, Waffentyp und Schlagart treffen muss; es soll bis zu acht wählbare Aktionen geben.
Die taktische Zeitlupe
Jeder Charakter hat zwei Waffensets zur Verfügung und muss im Gefecht auf die Wahl der drei Schadenstypen achten: stumpf, scharf oder spitz? Je nachdem wie der Gegner gerüstet ist, gibt es effiziente Vorteile bei der richtigen Wahl der Klinge. Wenn jemand in schwerem Plattenpanzer auftaucht, sollte man auf das scharfe Kurzschwert verzichten und eher zur spitzen Pike greifen, um zuzustoßen. Außerdem kann man seine Spezialaktionen nicht unbegrenzt ausführen, da sie Ausdauer kosten – wer Letztere zurückgewinnen will, muss in eine defensive Haltung gehen. Was sich in der Theorie gut anhört, wirkte in der Praxis noch etwas durchwachsen. Noch konnte ich diesen Zeitlupen-Kampf nur kurz ausprobieren; ob sich das auf Dauer wirklich taktisch spielt oder das Ganze zu einem langweiligen Spezialangriff-Durchschalten verkommt?
Es wird zwölf Kulissen vom hohen Norden mit Castle Black bis runter nach Riverrun und Kings Landing geben, die man frei begehen und erkunden kann. In Schulterperspektive bewegt man seinen Charakter durch mittelalterliche Gassen oder Gemäuer, während man die Kamera nach Belieben dreht. Man sammelt Gold und Ausrüstung, kauft neue Waffen und hört sich nach Quests um. Abseits der relevanten Hauptaufträge soll man in jedem Kapitel genug Nebenaufträgen nachgehen können, von denen wir erst ein paar sehen konnten, die angenehm vom Hau-weg-bring-her-Prinzip abweichen. Cyanide spricht von 25 bis 40 Stunden Spielzeit. Wie in der TV-Serie umrahmt übrigens die Musik von Ramin Djawadi das Abenteuer; der Deutsch-Iraner komponierte auch schon für Prison Break, Iron Man und Kampf der Titanen.
Zwölf Schauplätze in Westeros
Ausblick
Bisher konnte ich nur in ausgewählte Kapitel abtauchen. Aber das, was ich bisher sehen konnte, hat mich neugierig gemacht – und ehrlich gesagt habe ich als begeisterter Leser der Bücher billigen Lizenzmüll befürchtet; zumal der letzte Strategiemurks der Franzosen noch schwer im Magen liegt. Aber Cyanide könnte ein Qualitätssprung gelingen: Auch wenn hier kein „großes“ Rollenspiel à la Skyrim naht, wird das auch kein seelenloser Kloppmist mit 08/15-Quests - das steht jetzt schon fest. Ob der interessante Zeitlupenkampf taktisch anspruchsvolle Gefechte ermöglicht oder zum Spezialangriffsgeklicke verkommt, bleibt abzuwarten. Auch die Stealth-Einlagen wirkten nicht glaubwürdig genug. Sehr gut gefallen hat mir jedoch der erzählerische Fokus mit seinen Konsequenzen – hier gab es einige starke Szenen. Die Entwickler wollen den Spieler spürbar mit Dialogen und Konflikten in die Story hinein ziehen. Und sie haben kein schlechtes Vorbild: Planescape Torment. Nur Geschwätz oder tatsächlich eine kreative Hommage? Ich bin gespannt, ob mein Optimismus nach ein paar zusammen hängenden Stunden anhält.
Ersteindruck: gut