Game of Thrones - Vorschau, Rollenspiel, 360, PlayStation3, iPhone, Android, PC

Game of Thrones
20.01.2012, Jörg Luibl

Vorschau: Game of Thrones

Wer sich in der mittelalterlichen Fantasy von George R.R. Martin heimisch fühlt, darf bald selbst durch die Sieben Königreiche wandern: Das französische Team von Cyanide wagt sich an ein Rollenspiel in der Bestsellerwelt. Erst kürzlich startete die TV-Serie zu der immer noch unvollendeten Romanreihe "Das Lied von Feuer und Eis". Ist da billiger Lizenzmurks im Anmarsch oder naht ein Geheimtipp?

So eine starke Lizenz und so wenig Freiheit? Ich kann mir keinen Abenteurer aussuchen, weder das Aussehen noch die Ausrichtung festlegen? Schade! Auf Nachfrage erklärten Sylvain Sechi (Lead Game Designer) und Thomas Veauclin (Art Director), dass sie sich mit diesem Projekt nicht übernehmen wollten. Das kommende Rollenspiel wird also weder eine offene Welt noch eine klassische Charaktererschaffung à la The Elder Scrolls V: Skyrim anbieten: Stattdessen erlebt man eine lineare Story aus zwei Perspektiven.

Zweigleisiges Abenteuer

Sehr interessant für alle Kenner der Bücher ist, dass sich Cyanide zwar an die machtpolitischen Rahmenbedingungen der Romane hält, aber nicht einfach die bekannten Geschehnisse nacherzählt. Das Abenteuer findet parallel zu den Ereignissen des ersten Buches (von denen die TV-Serie im Detail abweicht) statt und soll weitere Facetten der intriganten Ereignisse vermitteln - eine gute Entscheidung. Man spielt dabei die vorgegebenen Helden kapitelweise nacheinander, bis man irgendwann beide zusammen steuert. Das kann auch eine sehr interessante Art sein, eine Geschichte zu erzählen, wenn sich die beiden roten Fäden langsam annähern – zumal George R.R. Martin, der Schöpfer der Romanwelt, an deren Konzept und Verfeinerung beteiligt ist.  Die Entwickler spielen die aktuellen Versionen mit ihm, passen Textzeilen und Details an.

Auch The Witcher profitierte von der markant ausgearbeiteten Welt der literarischen Vorlage Sapkowskis und überzeugte mit einem weitgehend fertigen Helden in begrenzter Landschaft – hier hat man immerhin zwei. Die beiden Protagonisten werden sich hinsichtlich ihrer Kampfstile und ihres Auftretens unterscheiden, obwohl Erstere noch recht ähnlich wirkten. Sie steigen ganz gewöhnlich über Erfahrungspunkte auf und besitzen fünf Attribute: Stärke, Agilität, Glück, Ausdauer, Intelligenz. Es wird jedoch keine sozialen oder diebischen Fähigkeiten wie Rhetorik, Schleichen oder Taschendiebstahl geben. Zu Beginn kann man lediglich einen von drei Kampfstilen wählen - z.B. eher flink mit zwei

Das Abenteuer thematisiert die machtpolitischen Intrigen rund um den "Eisernen Thron". In der deutschen Version kommen die Sprecher der TV-Serie zu Wort.
Klingen, mit Schild und Schwert oder doch wuchtig mit dem Hammer?

Das wäre die spartanisch anmutende „Klassenwahl“ für den Startcharakter: Mors Westford. Also doch ein Action-Rollenspiel zum Kloppen und Aufsteigen? Nein, der Fokus ist eher ein erzählerischer, was sich auch an der doppelten Perspektive zweier Helden zeigt. Mors ist ein rauer Ranger der Nachtwache aus armen Verhältnissen, mit Stiernacken und zig Narben im Gesicht; er wird von einem ebenso aggressiv wirkenden Hund begleitet. Schon im ersten Kapitel begegnet er Jeor Mormont (seine Figur wird wie in der TV-Serie von James Cosmo besetzt), dem bärbeißigen Lord Commander von Castle Black. Er muss während der Exekution eines Deserteurs seinen Mann stehen und hier zeigt Game of Thrones (ab 14,95€ bei kaufen) erste Stärken in der Dramaturgie: Wie reagiert man auf die Anweisungen des Alten? Man hat bereits in den ersten Dialogen die Wahl zwischen pflichtbewusstem und rebellischem Verhalten und freut sich über die guten Texte.  Die Story ist zwar linear angelegt, aber auf dem Weg ins Finale wird man kleine Entscheidungen treffen können, die nicht nur den Verlauf einer Quest (man kann über Nebenaufträge mehr Verbündete oder Hinweise gewinnen), sondern auch den der Geschichte sowie die Reaktion einzelner Charaktere beeinflussen – das hat bereits neugierig gemacht, obwohl die ansehnliche Mimik nicht an The Witcher 2 oder Mass Effect 2 heran kommt. Trotzdem vermittelt das Artdesign sehr gut die bodenständige Fantasy der Bücher, die mehr an die mittelalterlichen Rosenkriege als an den Herrn der Ringe erinnert.

Mors von der Nachtwache

Obwohl man inhaltlich den Büchern treu bleibt, richtet man sich optisch an die TV-Serie: Hier Jeor Mormont (James Cosmo), der Lord Commander der Nachtwache.
Das spielerisch Besondere an Mors ist, dass er die übersinnliche Fähigkeit der Geistwanderung besitzt – so kann er in den Körper seines Hundes fahren und aus dessen Perspektive die Welt erkunden. Mit allen Vorteilen hinsichtlich hinterhältiger Attacken sowie starkem Geruchssinn.  Das prädestiniert das Duo aus Mensch und Tier natürlich für subtilere Einsätze: Als Vierbeiner kann man in Egosicht die Fährte verschollener Bewohner aufnehmen oder sich optimal an Wachen vorbei schleichen – in diesen spielbaren Abschnitten wehte ein angenehmer Hauch von Stealth-Action, wobei die KI-Routinen und die Glaubwürdigkeit noch zu wünschen übrig ließen. Die Wachen reagierten nicht realistisch genug auf Lärm oder Sicht, denn man konnte sie in der relativen Nähe ihrer Kameraden als Hund töten, ohne dass man bemerkt wurde – mal abgesehen davon, dass der Vierbeiner mal eben schwer gepanzerte Ritter zerfetzt. Dafür stimmt das Missionsdesign optimistisch: Es wird keine typischen Quets à la „Töte zehn Ratten“ oder „Hol zehn Kräuter aus dem Wald“ geben – die Aufträge wirkten bisher alle erzählerisch inspiriert.

Neben Mors von der Nachtwache spielt man auch diesen roten Priester: Alester. Pro Charakter gibt es drei Kampfstile, die eher aggressives, ausgeglichenes oder defensives Vorgehen unterstützen.
Der zweite Charakter ist Alester Sarwyck, der reiche Sohn eines Lords und ausgebildete rote Priester – er kann sich anfangs zu einem Bogenschützen, Schleicher oder flinken Kämpfer spezialisieren. Seine Besonderheit ist, dass er auch ein wenig Magie in Form arkanen Feuers im Kampf einsetzen kann, was in der Low-Fantasy von George R.R. Martin eher Seltenheitswert hat. Er hat fünfzehn Jahre auf den Summer Isles verbracht und kehrt zu Beginn des Abenteuers in seine Heimat zurück, um dem Begräbnis seines Vaters beizuwohnen und sein Erbe als Lord anzutreten. Im Gegensatz zu Mors kann er sich nahezu alles leisten und genießt den Respekt seiner Umgebung. Aber auch sein Weg durch die Geschichte wird kein luxuriöses Kinderspiel: Ein machthunghriger Bruder schart Söldner um sich und will sich den vakanten Thron erkämpfen, obwohl er ein Bastard ist. Wie das gehen soll? Die Schwester ehelichen!

Alester der rote Priester

Alester trifft also auf extrem hitzige Verhältnisse, die Bevölkerung ist deprimiert, das Land liegt teilweise in Trümmern.  Wie soll er auf seinen Bruder reagieren? Die harte Hand oder etwa Verständnis? Man hat die Wahl, ob man den Ursachen der Ereignisse wirklich auf den Grund geht, ob man dabei eher auf die Stimme der Bevölkerung, der fürstlichen Ratgeber oder auf seinen eigenen Instinkt hört. Schon in diesen ersten Kapiteln gibt es Aufträge, die Auswirkungen auf spätere Kapitel haben. Dabei stehen die Entscheidungen in den gut geschriebenen Dialogen im Vordergrund: Man sollte sich genau überlegen, wie man auf wen reagiert, zumal man nicht sofort den konkreten Text, sondern nur seine Gedanken zum Thema lesen kann. Schön ist, dass die möglichen Antworten nicht farblich markiert oder moralisch sortiert werden – man muss sie

Ob das interessante Kampfsystem mit der Zeitlupe für anspruchsvolle Taktik sorgt, bleibt abzuwarten - noch konnten wir es nicht ausgiebig genug spielen.
lesen und mit der Situation abschätzen, um ihre finale Wirkung zu ergründen. Dazu passt, dass es kein Moralsystem gibt: Man häuft weder gute noch böse Punkte an, sondern entscheidet sich je nach Situation für eine Lösung.

Etwas unübersichtlich in der Handhabung, hinsichtlich der Animationen zu eintönig, aber auf den ersten Blick interessant wirkte das taktische Kampfsystem mit seiner Zeitlupe: Kommt es zu einem Gefecht, kann man pro Charakter bis zu drei Aktionen in einem Kreismenü stapeln, während das Geschehen dahinter verlangsamt weiter läuft – alle Beteiligten bewegen sich dann wie in Gelee, wobei das Hauen und Stechen, Blocken und Parieren nicht mal ansatzweise an die Klingentänze des Hexers heran reicht. Maximal wird man die Kontrolle über drei eigene Figuren gleichzeitig haben: Alester, Mors und dessen Hund. Man kann den Kampf nicht komplett pausieren und in Runde spielen, sondern hat ein begrenztes Zeitfenster, in dem man pro Charakter drei Entscheidungen hinsichtlich Konter, Waffentyp und Schlagart treffen muss; es soll bis zu acht wählbare Aktionen geben.

Die taktische Zeitlupe

Jeder Charakter hat zwei Waffensets zur Verfügung und muss im Gefecht auf die Wahl der drei Schadenstypen achten: stumpf, scharf oder spitz? Je nachdem wie der Gegner gerüstet ist, gibt es effiziente Vorteile bei der richtigen Wahl der Klinge. Wenn jemand in schwerem Plattenpanzer auftaucht, sollte man auf das scharfe Kurzschwert verzichten und eher zur spitzen Pike greifen, um zuzustoßen. Außerdem kann man seine Spezialaktionen nicht unbegrenzt ausführen, da sie Ausdauer kosten – wer Letztere zurückgewinnen will, muss in eine defensive Haltung gehen. Was sich in der Theorie gut anhört, wirkte in der Praxis noch etwas durchwachsen. Noch konnte ich diesen Zeitlupen-Kampf nur kurz ausprobieren; ob sich das auf Dauer wirklich taktisch spielt oder das Ganze zu einem langweiligen Spezialangriff-Durchschalten verkommt?

Die Szenen innerhalb der Burgen wirkten stimmungsvoll und auch draußen sorgten Schneefall und Architektur für eine ansehnliche Spielwelt. Aber an das ebenso markante wie detaillierte Artdesign von The Witcher II wird diese Kulisse nicht heran kommen, zumal die Städte noch recht leblos wirkten.
Im Laufe des Abenteuers wird man seine Fähigkeiten mit Spezialschlägen, Kontern und Sonderaktionen genau so weiter entwickeln können wie die Chance für kritische Treffer oder die Ausdauer. Interessanter als dieser martialische Standard wirken jedoch die besonderen Merkmale beim Aufstieg der Charaktere: Für jede positive Eigenschaft wie z.B. „Geborener Anführer“ wird man als Ausgleich eine negative wie z.B. „Allergiker“ aus einer Liste wählen müssen. Ich bin gespannt, inwiefern sich das auf das Spiel auswirkt.

Es wird zwölf Kulissen vom hohen Norden mit Castle Black bis runter nach Riverrun und Kings Landing geben, die man frei begehen und erkunden kann. In Schulterperspektive bewegt man seinen Charakter durch mittelalterliche Gassen oder Gemäuer, während man die Kamera nach Belieben dreht. Man sammelt Gold und Ausrüstung, kauft neue Waffen und hört sich nach Quests um. Abseits der relevanten Hauptaufträge soll man in jedem Kapitel genug Nebenaufträgen nachgehen können, von denen wir erst ein paar sehen konnten, die angenehm vom Hau-weg-bring-her-Prinzip abweichen. Cyanide spricht von 25 bis 40 Stunden Spielzeit. Wie in der TV-Serie umrahmt übrigens die Musik von Ramin Djawadi das Abenteuer; der Deutsch-Iraner komponierte auch schon für Prison Break, Iron Man und Kampf der Titanen.

Zwölf Schauplätze in Westeros

Ausblick

Bisher konnte ich nur in ausgewählte Kapitel abtauchen. Aber das, was ich bisher sehen konnte, hat mich neugierig gemacht – und ehrlich gesagt habe ich als begeisterter Leser der Bücher billigen Lizenzmüll befürchtet; zumal der letzte Strategiemurks der Franzosen noch schwer im Magen liegt. Aber Cyanide könnte ein Qualitätssprung gelingen: Auch wenn hier kein „großes“ Rollenspiel à la Skyrim naht, wird das auch kein seelenloser Kloppmist mit 08/15-Quests - das steht jetzt schon fest. Ob der interessante Zeitlupenkampf taktisch anspruchsvolle Gefechte ermöglicht oder zum Spezialangriffsgeklicke verkommt, bleibt abzuwarten. Auch die Stealth-Einlagen wirkten nicht glaubwürdig genug. Sehr gut gefallen hat mir jedoch der erzählerische Fokus mit seinen Konsequenzen – hier gab es einige starke Szenen. Die Entwickler wollen den Spieler spürbar mit Dialogen und Konflikten in die Story hinein ziehen. Und sie haben kein schlechtes Vorbild: Planescape Torment. Nur Geschwätz oder tatsächlich eine kreative Hommage? Ich bin gespannt, ob mein Optimismus nach ein paar zusammen hängenden Stunden anhält.

Ersteindruck: gut