Assassin's Creed 3 - Vorschau, Action-Adventure, 360, XboxOne, Switch, PlayStation4Pro, Wii_U, PC, XboxOneX, PlayStation3, PlayStation4

Assassin's Creed 3
26.03.2012, Mathias Oertel

Vorschau: Assassin's Creed 3

Mit Assassin's Creed Revelations wurde nicht nur unter Ezios, sondern auch unter Altairs Geschichte ein Schlussstrich gezogen. Mit einem neuen Helden in der Frühphase der amerikanischen Unabhängigkeit geht es im Herbst weiter. Wir haben bei Ubisoft in Düsseldorf einen ersten Blick auf die neue Welt geworfen...

Eine in eine weiße, das Gesicht halb verdeckende Kutte gehüllte Gestalt stapft durch den Schnee, einer Blutspur folgend. Am Ziel angekommen entdeckt die Gestalt, ein junger Mohawk-Mischling namens Connor die verunstaltete Leiche eines britischen Infanterie-Soldaten. Er durchsucht die Jacke, findet einen Brief und beginnt ihn zu lesen. Ein Geräusch lässt ihn aufmerksam werden. Von ihm unbemerkt konnte sich ein Grizzly nähern, der ihn bedrohlich anbrüllt, kurz bevor er sich auf sein vermeintliches Opfer stürzen möchte. Der ungleiche Kampf ist in Sekundenbruchteilen entschieden. Die versteckte Klinge, seit Jahrhunderten das Wahrzeichen der Assassinen, hat sich einen Weg durch den dichten Pelz von Meister Petz gebahnt und ihm das Herz durchbohrt.

Connor allein im Wald

Schnitt zu einem anderen Ort des in weiße Pracht gehüllten Waldes. Beruhigende Stille, die nur von der Marschmusik des kleinen Trupps der britischen Kolonialarmee unterbrochen wird, die langsam lauter wird und damit das Näherkommen der Soldaten kennzeichnet. Connor läuft geschmeidig an Bäumen vorbei, kurz bevor er mit nur minimaler Anstrengung den nächsten Stamm erklimmt. Gewandt setzt sich seine Bewegung fort. Scheinbar mühelos gleitet er von Ast zu Ast. Die Marschmusik wird lauter. Connor stoppt, wartet auf einem Ast. Sein Ziel liegt direkt unter ihm. Unbemerkt vom Trupp lässt er sich in den Heuwagen fallen...

Dies sind zwei der Szenen, die vor Ort gezeigt wurden und die die Verbundenheit des unbekannten Helden Connor (eigentlich Ratohnhakè:ton) zur Natur zeigen sollen. Hier ist er quasi der "Apex Predator", das Top-Raubtier, das selbst Bären in die Knie zwingt.

Die Wildnis ist das zweite Zuhause des Assassinen Connor.
Ich hoffe, dass mit verbesserter Technik und  dem frischen Schauplatz Amerika zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft die Chance genutzt wird, um die Serie auch inhaltlich voranzubringen. Zumindest visuell wird dies gelingen: Was mir vom AnvilNext getauften Grafikmotor gezeigt wurde, macht einiges her. Vor allem die Figurengestaltung hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Dass die Charaktere von den Haaren bis zu den Fußspitzen einen lebendigeren Eindruck hinterlassen, ist dem optimierten Zusammenspiel von verschiedenen Motion Capture-Techniken (Ganzkörper, Gesicht) sowie den Sprachaufnahmen zu verdanken. In Nahaufnahmen lassen sich Gesichtsporen erkennen und selbst kleine Emotionen werden über Mimik transportiert. In dieser Hinsicht ist Heavy Rain zwar immer noch Vorreiter, doch vor Spielen aus dem Hause Bioware braucht sich AC3 nicht verstecken - ganz im Gegenteil: Titel wie Mass Effect 3 lässt man problemlos hinter sich.

Neuer Held, neue Engine, neuer Höhenflug?

Und es sind nicht nur die Details, mit denen man visuell überzeugen möchte. Denn auch das Aufeinandertreffen von Hunderten von Soldaten, die ihre Musketen abfeuern, während rundherum Kanonenkugeln einschlagen, bewältigt AnvilNext scheinbar mühelos, wie ein Abstecher zum Kampf um Bunker Hill (Juni 1775) zeigt.

Spätestens hier wird klar, dass man erzählerisch der Serie treu bleibt: Reale Ereignisse werden verwendet und im Rahmen künstlerischer Freiheit für den Kampf zwischen Templern und Assassinen abgewandelt. So begegnet man George Washington oder Benjamin Franklin, aber auch weniger bekannten Figuren wie dem französischen Marquis Gilbert Lafayette oder dem die Seiten wechselnden General Charles Lee, die alle in gewohnter Akribie vom Team recherchiert und zum Leben erweckt wurden.

Die AnvilNext-Engine überzeugt sowohl mit stark verbesserter Figuren-Darstellung sondern auch mit stimmungsvollen Panoramen.
Wer waren die Hauptdarsteller der bisherigen Assassin's Creed-Episoden? Altair? Ezio? Onkel Mario? Caterina Sforza? Für viele sicherlich! Oder waren es doch eher Jerusalem, Rom, Florenz und Konstantinopel? Denn neben der Landschaft und vor allem den Städten mit ihrer ebenso eindrucksvollen wie stimmungsvollen Architektur hatten sogar die Selbstzweifel Ezios oder der gelungene Abschied von Altair Schwierigkeiten, bestehen zu können.

Die Stars: Boston, New York, Wildnis

Ähnlich könnte es hier ablaufen: Denn auch wenn das Figurendesign einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht hat und die Animationen geschmeidiger denn je scheinen, haben die Kulissen ebenfalls zugelegt. Von New York gab es zwar nichts zu sehen, doch die Reise durch Boston (inklusiver einer schnieken Fluchtsequenz) mit seinen Holzhäusern, Dutzenden im Hafen angelegter Dreimaster sowie belebten Straßen hinterließ einen sehr guten Eindruck.

Noch interessanter waren die Ausflüge ins Grenzland, das beim Besuch Connors unter einer dicken Schneedecke lag und mit seinen Verwehungen sowie dem von Flocken durchsetzten Wind gelegentlich Erinnerungen an Himmelsrand hervorrief: Der Assassine läuft gewandt durch den dicht bewachsenen Wald. Er bahnt sich beinahe mühelos einen Weg durch die Bäume. Ebenso mühelos springt er von Stamm zu Ast zu Ast. Schließlich erklimmt er eine Felswand und schaut sich oben angekommen um. Und was man dort zu sehen bekommt, raubt einem mit seiner Weitsicht den Atem: In der Ferne tauchen

Total War? Nein, aber hunderte Soldaten sind auch für AnvilNext kein Problem.
weitere Berge und mit Bäumen bewachsene Hügel auf, in deren Schutz ein kleines Dorf liegt, während die Sonne grell in Connors Gesicht scheint - absolut malerisch. Wenn es um derartige Panoramen geht, war bislang Rockstars Red Dead Redemption der absolute Platzhirsch - und der gerät ernsthaft in Gefahr.

Zwar konnte ich dieses Grenzgebiet, das in etwa eineinhalb Mal so groß wie Rom in Assassin’s Creed Brotherhood ist und ca. 30 Prozent aller Missionen beherbergen soll, nur im Winter betrachten, doch ich bin sehr neugierig, was Ubisoft letztlich aus dem Potenzial macht. Denn die Fauna hat hier nicht nur den Lebensinhalt, auf Connor zu warten und dann ein Schauspiel für ihn zu liefern, sondern soll ähnlich wie in Rockstars Western-Epos autark „leben“: Wölfe jagen Dammwild, Bären treiben ihr unabhängiges Unwesen (und können Connor angreifen). Was man jedoch abseits der Wildjagd und dem Häuten in der Wildnis anstellen kann, wollte Ubisoft noch nicht sagen. Die Naturverbundenheit, die man mit den amerikanischen Ureinwohnern assoziiert, ist bei Connors Art und Weise der Bewegung spürbar, wenn er in der Wildnis unterwegs ist. Ob tiefer Schnee, hohe Bäume oder Klettern: Er ist stets in seinem Element und damit seinen menschlichen und tierischen Feinden überlegen.

Die Kämpfe wirken dank neuer Animationen sehr dynamisch.
Auch im Bezug auf die Hauptfigur Connor wollte man noch nicht allzu viel Preis geben: Sein Vater ist Brite, seine Mutter amerikanische Ureinwohnerin, er gehört zum Stamm der Mohawk. Diese haben zwar im Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Briten gekämpft und waren knapp ein Jahrhundert später dank ihrer Kletterfähigkeiten bevorzugte Arbeiter beim Wolkenkratzer-Bau, womit auch eine triviale Querverbindung zu Assassin’s Creed geschaffen wurde, doch das kümmert Connor herzlich wenig. Denn auf einmal findet er sich zwischen allen Stühlen wieder und muss als Assassine aktiv in den Krieg eingreifen, der nicht nur weltpolitische Auswirkungen hat, sondern auch einen Schlüsselmoment im Kampf von Templern und Assassinen darstellt.

Charakterlich stark?

Man wird ihn über einen Zeitraum von 30 Jahren begleiten können und beginnt die Reise im Jahr 1753 - mehr oder weniger parallel zum Siebenjährigen Krieg in Europa. Dessen finanzielle Auswirkungen für Britannien und das folgende Königliche Edikt aus dem Jahre 1763 sind mitverantwortlich für den Startschuss der Revolte in den amerikanischen Kolonien.  Und erst 30 Jahre später, im Jahr 1783, wenn die Mohawk bedingt durch ihre Favorisierung der Briten im Krieg den Weg nach Kanada oder in den Westen Amerikas antreten müssen, verlassen wir ihn wieder. Damit umspannt das dritte Abenteuer einen ähnlichen Zeitraum wie die drei Serienableger rund um Ezio.

Die Gefechte werden klasse inszeniert, doch ob sie auch Spannung vermitteln, lässt sich noch nicht sagen.
Allerdings habe ich nach der Präsentation noch meine Zweifel, dass Ubisoft die automatisierte Klettermechanik aufbricht, die mich seit Teil 2 stört und an die ich mich eher zwangsläufig gewöhnt habe. Hier erscheint alles zwar authentischer und mehr im Einklang mit der Umgebung, aber es wirkt immer noch wie auf Schienen. Mit "I am Alive" hat das Ubistudio Shanghai gezeigt, dass man Kletter-Akrobatik mit wenigen Kniffen auch anspruchsvoller gestalten kann. Ich würde mir wünschen, dass es zumindest optional auch in Amerika etwas spannender zur Sache geht und Connor nicht wie Ezio oder Altair minutenlang an einem Vorsprung hängen kann, ohne dass etwas passiert.

Nichts Neues im AC-Land?

Hinsichtlich der Kämpfe setzte sich ein ähnlicher Eindruck fest: Mit neuen Waffen wie Tomahawk, Dual-Pistolen, Musketen, einem Seilpfeil, Pfeil und Bogen (die allerdings noch nicht in Aktion gezeigt wurden) sowie der bekannten Assassinen-Klinge ist zwar theoretisch genug Abwechslung vorhanden. Zumal sich auch frische Möglichkeiten offenbaren: Man kann einen britischen Soldaten als menschliches Schutzschild missbrauchen, um die Musketenkugeln seiner Kollegen aufzufangen, während man die folgende Nachladezeit nutzt, um die Feinde gezielt auszuschalten. Auch tödliche Angriffe aus der Laufbewegung heraus sind jetzt möglich und sorgen für eindrucksvolle Momente.

Aber auch hier wirkt Connor letztlich ähnlich übermächtig wie Ezio. Ich wünsche mir, dass die effektvolle Inszenierung nicht das Ziel, sondern der Weg ist. Ich hoffe, dass die Kämpfe wieder einen Schritt zurück Richtung Spannung machen, dass man bei Gefechten gegen eine Übermacht eine Gefahr spürt und man eventuell auch mal den Rückzug antreten muss.

Chancen zur Rückbesinnung

Neben der Assassinen-Klinge oder dualen Pistolen hat Connor noch andere schlagende Argumente parat.
Gleichermaßen hätte Ubisoft die Chance, der Serie wieder etwas zuzuführen, was man eigentlich mit im Hintergrund bleibenden Meuchelmördern assoziiert und wo man über mehrere Jahre hinweg Vorreiter war: Schleichen. Die stille Spannung, die ich bei den zahlreichen Action-Abstechern mit Sam Fisher spürte (mit Ausnahme SC Conviction), würde Connor gut zu Gesicht stehen - auch als Kontrapunkt zu den Kanonenkugeleinschlägen, Explosionen und hunderten unisono feuernden Musketen, mit denen man sich irgendwann konfrontiert sieht.

Wie es mit Desmond weitergeht, ist ebenfalls noch offen. Ubisoft zieht vor, an einem späteren Zeitpunkt darüber zu sprechen, was mit dem Assassinen-Nachfahren und seinem persönlichen Kampf gegen die Templer in der Gegenwart passieren wird. Allerdings soll die Zeit, die man mit ihm verbringt, deutlich höher liegen als in den bisherigen Teilen.

Natürlich nicht permanent, aber in einer angenehmen Mischung und damit deutlich häufiger als die wenigen Missionen der AC2-Trilogie, bei denen man nicht entdeckt werden durfte.

Ausblick

Was die Kulisse betrifft, legt sich Assassin’s Creed III ins Zeug: Die Mimik erreicht annähernd Heavy Rain-Qualität; die weitläufigen Panoramen haben das Zeug, die stimmungsvolle Weitsicht aus Red Dead Redemption zu übertreffen; die Schlachten von Hunderten von Soldaten erinnern an Segas Total War. Und dass Ubi Montreal belebte Städte in Szene setzen kann, hat man mit den bisherigen Episoden eindrucksvoll bewiesen. Die AnvilNext-Engine verdient sich also ein "Sehr gut" bis "Ausgezeichnet"! Spielerisch hingegen muss sich erst noch zeigen, dass man mehr als nur eine zaghafte Weiterentwicklung erwarten kann. Klettern, Kämpfen und Erforschen sieht zwar dank neuer Animationen besser aus als bisher und wirkt dynamischer, doch ob es sich gravierend anders spielt, lässt sich noch nicht sagen. Das Potenzial zu mehr ist zweifellos vorhanden: Die gewählte Epoche ist interessant, Connor als Charakter macht neugierig, die Kriegsschauplätze werden wuchtig inszeniert. Aber nicht nur hinsichtlich des offenen Grenzlandes und der darin schlummernden Möglichkeiten sind noch einige Fragen offen. Was bietet die Erforschung der Umgebung? Was kann man entdecken? Führt Ubisoft Connor zurück zu schleichenden Wurzeln, anstatt ihn wie Ezio zu einem Martial Arts-Kämpfer zu machen, der spielend einfach mit einer Übermacht fertig wird? Hinter der "Gegenwarts"-Story rund um Desmond stehen ebenfalls noch viele Fragezeichen.

Eindruck: gut