Kingdom Hearts 3D: Dream Drop Distance - Vorschau, Rollenspiel, 3DS

Kingdom Hearts 3D: Dream Drop Distance
05.07.2012, Mathias Oertel

Vorschau: Kingdom Hearts 3D: Dream Drop Distance

Seit nunmehr gut zehn Jahren verzückt die Disney-/Square-(Enix)-Kollaboration Kingdom Hearts die Herzen junger und jung gebliebener Zocker mit Hang zum Action-Rollenspiel. Das Problem: Nach dem 2005 erschienenen zweiten Teil haben sich die Entwickler auf unterschiedlichste Handheld-Systeme gestürzt, um den bekannten Geschichten neue Facetten abzugewinnen. Das Warten auf einen offiziellen dritten Teil geht weiter – wird mit dem 3DS-Ableger Dream Drop Distance jedoch angenehm verkürzt.

Ich erinnere mich noch an die Anfangsphase des Nintendo DS: Es gab zahlreiche Spiele, bei dem die Entwickler verzweifelt versucht haben, die abkürzenden Buchstaben D und S im Titel unterzubringen. Mr. Driller: Drill Spirits, Advance Wars: Dual Strike oder Ninja Gaiden Dragon Sword, um nur einige zu nennen. Und ich war froh, als diese Zeit endlich vorbei war - spätestens mit dem 3DS gab es keinen Grund mehr zu diesen Wortschöpfungen. Square Enix scheint diese Tradition mit dem neuesten Kingdom Hearts-Ableger wieder aufleben lassen zu wollen: Dream Drop Distance, oder abgekürzt 3D soll deutlich machen, was die Spieler hier erwartet. Naja…

Muss das denn sein?

Doch abgesehen davon war meine Freude groß, als das Modul mit der Vorschau-Version auf meinem Schreibtisch landete. Zwar gehöre ich auch zu den Serien-Anhängern, die sich endlich eine HD-Ankündigung und somit eine "richtige" Fortsetzung der Geschichte um Sora, Donald, Goofy und weitere Disney-Stars sowie die Herzlosen wünschen. Doch mit wenigen Ausnahmen (mit Chain of Memories für den GBA konnte ich nur wenig anfangen) tauche ich gerne in die zahlreichen Handheld-Ableger und die PS2-Mix-Remakes  ab. Der Charme, der sich aus der eigentlich natürlich scheinenden Verbindung von Disney- und Square-Figuren ergibt, ließ mich immer wieder verzeihen, dass Kingdom Hearts 3 weiterhin ein Wunsch bleibt, ich letztlich nur neue Nuancen oder Remakes der bekannten Geschichten erleben darf. Auch dass die verschiedenen Teile auf PSP, DS sowohl im Positiven wie im Negativen ihren Traditionen treu blieben und nur Kleinigkeiten verbesserten, konnte ich verschmerzen.

Das CG-Intro ist gleichermaßen aufwändig wie stimmungsvoll.
Dementsprechend überrascht war ich, dass Kingdom Hearts auf dem 3DS einige alte Zöpfe abschneiden möchte. Der auffälligste: Die schwarzen Herzlosen als Gegner haben vorerst ausgedient und werden durch die so genannten Traumfänger ersetzt, die hinsichtlich Design und Angriffsmustern zwar an die alten Feinde erinnern, aber mit ihren deutlich knalligeren Farben sowie ihren meist auf Tieren basierenden Körpern für Abwechslung innerhalb der bekannten Kingdom Hearts-Spielwelten sorgen.

Ungewöhnlich verschachtelt

Ebenfalls ungewöhnlich ist der erzählerische Ansatz: Oberflächlich betrachtet muss man sich in Gestalt der bekannten Helden Sora und Riku abermals dem vor allem aus Teil 2 bekannten Oberbösewicht namens Xehanort stellen und ihn bekämpfen. Veteranen kennen diesen Namen bereits und haben einen nicht zu verachtenden Vorteil, wenn es darum geht, die dieses Mal stark verschachtelten Erzählstrukturen zu erfassen sowie der Geschichte zu folgen. Durch die etwas sperrige Herangehensweise (bereits das unheimlich stimmungsvolle Intro mischt die bisherigen Ableger und ihre Helden erzählerisch bunt durcheinander) kam bei mir sofort eine neugierige Spannung auf: Kann Square-Enix dieses Niveau über die gesamte Spielzeit halten? Wie wird es aufgelöst? Welche Rolle spielen die anderen Helden, die im Intro auftauchen? Diese Fragen wird natürlich erst der finale Test beantworten können. Bedingt durch viele Rückblenden (die man in einer Art Journal jedoch auch nochmals verfolgen kann) sollten sich aber auch Neulinge im Kingdom Hearts-Universum nach einer kurzen Eingewöhnungsphase zurechtfinden können.

Nachdem die letzten Teile nur eher zaghafte, wenngleich sinnvolle Änderungen eingeführt haben, macht man nun einige Schritte in unbekanntes Terrain. Diese Schritte dürften sich lohnen - und das nicht nur, weil man hoffen kann, dass hinsichtlich Teil 3 ein ähnlicher Mut zum Risiko stattfinden wird.

Wie man es kennt - oder auch nicht...

Die Kämpfe sind schneller und dynamischer als bisher, kranken aber immer noch an Kameraproblemen.
Nehmen wir z.B. das Kampfsystem: Das baut zwar in erster Linie immer noch auf die gesunde Mischung aus Standardangriffen sowie dem überlegten Einsatz der frei belegbaren (sowie mit einem Abkühltimer versehehen) Spezialattacken - das "Decksystem" aus Birth by Sleep lässt grüßen. Doch es kommen einige neue Elemente hinzu, die die Echtzeit-Kämpfe noch dynamischer, variantenreicher und schneller machen. Zum einen kann man sich die "Free Flow"-Mechanik zu Nutze machen, die auch in der normalen Bewegung zur Verfügung steht. Dahinter verbirgt sich das schnelle Überbrücken von Distanzen durch Abprallen von Wänden, das Nutzen von Railings etc. Im Kampf kann man dies nicht nur nutzen, um schnell den Gegnern zu entkommen und ein wenig Luft holen zu können, sondern auch um Sonderattacken zu setzen.

Weiterhin ist es möglich, den Gegnern so viel Schaden zuzufügen, dass sie kurzzeitig in einen besonderen Zustand versetzt werden, bei dem man sie wie in der Gegend verteilte Gegenstände "aktivieren" kann. Das Ergebnis dieser "Aktivierung" ist abhängig von der Welt, in der man sich befindet. In der allseits bekannten "Traverse Town", in der man auch hier wieder startet, hat man Katapult-Bomben zur Verfügung, die man über den Touchscreen ausrichtet und abfeuert. In der Welt des Glöckners von Notre Dame hat man hingegen bei "Aktivierung" Trassen zur Verfügung, die man verbinden muss und auf denen man gleitende Angriffe vom Stapel lassen kann.

Und zu guter Letzt hat man selber ein paar freundliche Traumfänger zur Verfügung, die man in bester Pokémon-Manier sammeln und aufrüsten kann. Mehr noch: Man kann zu ihnen eine Beziehung aufbauen und sie sogar im Kampf kombinieren, um besonders heftige Angriffsaktionen aufzufahren.

Pokémon Hearts?

Man kann sich seine eigenen "Traumfänger" erstellen, sie hätscheln und aufpäppeln.
Mit dieser scheinbar von den Taschenmonstern inspirierten, aber durch Elemente einschlägiger "Tierspiele" à la Nintendogs ergänzten Mechanik gewinnt das actionreiche Abenteuer eine ganz neue Facette. Einerseits ist es für die Kingdom Hearts-Welt zwar ungewöhnlich, sich in einer Augmented Reality-Umgebung um seine "Tamagotchis" kümmern zu müssen, doch im Kampf gegen die Bosse jeder Welt möchte man sie nicht missen, zumal sie den Auseinandersetzungen eine weitere taktische Ebene hinzufügen und einem im Kampf durch ihre aktive Teilnahme auch die Gelegenheit geben, sich ab und an zurückzuziehen, um z.B. in relativer Ruhe einen Heilzauber zu aktivieren.

Doch alle Änderungen können nicht verhindern, dass ein großes Manko auch die Action auf dem 3DS stört: Die hektische Kamera. Zwar kann man auf einen Gegner aufschalten, um ihn dauerhaft ins Visier zu nehmen. Doch wechselt man (gewollt oder ungewollt) zu einem anderen Feind, kommt es zu einem schnellen Perspektivenwechsel, der mitunter die Orientierung raubt. Und wenn der als Ziel auserkorene Gegner sich z.B. eingräbt, geht die Zielaufschaltung ebenfalls den Bach runter und man sieht sich abermals mit der zickigen Kampfkamera konfrontiert. Zwar kann man diese auch manuell justieren, doch wie so häufig bei Kingdom Hearts bleibt nur selten die Zeit dazu, die Schultertasten einzusetzen. Eventuell wird das Problem durch Einsatz des Schiebepads besser gelöst - doch auch dazu werde ich erst nach längerem Testbetrieb Stellung nehmen können.

Um sowohl die erzählerische Komponente zu stärken als auch Abwechslung zu bieten, muss man sowohl Sora als auch Riku im Wechsel spielen, die in verschiedenen Dimensionen festsitzen und (gem)einsam gegen Xehanort kämpfen. Das Besondere: Man

Zu den Welten, die man besucht, gehört auch das Paris des Glöckners von Notre Dame
kann zwar einen der so genannten "Stürze" (Wechsel zwischen den beiden Figuren) selbstständig initiieren, doch das Spiel achtet mit einem Zeitlimit pro Figur darauf, dass man immer wieder die Spiel-, Kampf- und letztlich auch die Traumfänger-Erfahrung des anderen Charakters aufnimmt und weiterführt.

Zwangspause

Mitunter wünschte ich mir zwar, dass das Zeitlimit nicht so gnadenlos runterticken würde, doch man wird beim Wechsel der Figur für seine bisherigen Kampf- und sonstigen Leistungen mit Sturzpunkten belohnt, für die man sich Extras besorgen kann oder sie sich in Spielwährung auszahlen lässt, um am nächsten Shop seine Ausrüstung oder Fähigkeiten zu erweitern.

Apropos sinnvoll: Im Intro und den Zwischensequenzen lohnt es sich, den 3D-Regler voll nach oben zu ziehen, sich den richtigen Abstand zu suchen und die Kulisse bzw. die Filme zu genießen. Im Kampf hingegen habe ich regelmäßig die dritte Dimension abgeschaltet. U.a. weil es für mich nahezu unmöglich war, in der aufkommenden (positiven) Hektik Position und Hardware so ruhig zu halten, dass der Effekt gegriffen hätte.

So interessant dieser forcierte Wechsel auch scheint - hier wird sich ebenfalls erst bei längerem Spiel als den bisherigen sieben bis acht Stunden und vor allem im Zusammenspiel mit der Geschichte zeigen, wie sinnvoll diese Mechanik ist.

Besser in 3D?

Auch im Raster von Tron Legacy treibt man sich herum.
Weiterhin hat man bereits in 2D ausreichend Gelegenheit, sich an der überaus stimmungsvollen Kulisse zu erfreuen, die gefühlt in etwa der Qualität des zweiten Teils entspricht. Als erklärtem Disney-Fan und Anhänger der Serie wärmte es mir das Herz, sowohl in bereits vertrauten Gebieten (bzw. Variation davon) als auch neuen Arealen herumzulaufen, die natürlich wieder auf bekannten Disney-Filmen basieren. Pinocchio ist dieses Mal mit von der Partie (hier trifft man auch wieder auf Jiminy Grille), man stattet dem Raster aus Tron Legacy einen Besuch ab oder hilft dem Glöckner von Notre Dame dabei, Esmeralda zu retten. Natürlich kommen auch Gastauftritte von Square-Helden nicht zu kurz: Als besonderes Gimmick kann  man z.B. ein Wiedersehen mit den Figuren aus "The World ends with You" feiern!

Ausblick

Nach den knapp acht Stunden, die ich bislang in der dreidimensionalen Welt von Kingdom Hearts Dream Drop Distance zugebracht habe, ist dies für mich der beste Serienableger seit dem grandiosen zweiten Teil. Die ungewöhnlich stark verschachtelte Geschichte, in die auch Charaktere aus Squares "The World ends with You" eingebaut wurden, macht mich neugierig, das Kampfsystem mit seinen sinnvollen Erweiterungen ist schneller und dynamischer als je zuvor. Allerdings fallen dabei auch die seit Beginn der Reihe vor zehn Jahren auftretenden Kameraprobleme stärker auf als bisher. Hier hege ich allerdings die Hoffnung, dass sie über den Einsatz des Schiebepads eingeschränkt werden können. Wenn das Team erzählerisch die Kurve kriegt und dabei eine gute Überleitung zum längst fälligen dritten Teil schafft, werde ich sogar die Nintendogs- bzw. Tamagotchi-Ansätze der knuffigen Kampfhaustiere verkraften können.

Eindruck: sehr gut