F1 Online: The Game - Vorschau, Rennspiel, PC

F1 Online: The Game
12.07.2012, Michael Krosta

Vorschau: F1 Online: The Game

Eine enorm kostspielige Lizenz und Free-to-play - passt das überhaupt zusammen? Ja! Zumindest bei Codemasters. Denn neben den „großen“ Formel Eins-Titeln für PCs und Konsolen verwursten die Engländer die FIA-Rennserie jetzt auch noch in einem kostenlosen Browserspiel, bei dem neben den Fahrkünsten auch Management, Forschung und der Aufbau eines eigenen Teams eine große Rolle spielen. Sinnvolle Ergänzung oder selbst geschenkt zu teuer?

Alle Teams, alle Fahrer und alle Strecken - das alles bietet auch die kostenlose Browser-Variante, wenn auch „nur“ mit den Daten der Saison 2011. Doch spätestens, wenn es auf die Piste geht, wird klar, dass Codemasters die Umsetzung des Rennsports hier etwas anders angeht als gewohnt: Anstatt die Positionskämpfe wie bei F1 2011 direkt aus dem Cockpit heraus zu erleben, warten die Rennen hier mit einer dynamischen Vogelperspektive im Stil von MicroMachines oder MotorStorm RC auf. Dabei dreht, schwenkt und zoomt die Kamera automatisch, was gerade am Anfang gewöhnungsbedürftig erscheint. Bei der Steuerung greift man zudem nicht mehr direkt ins Lenkrad, sondern dirigiert die PS-starken Flitzer mit Maus und Tastatur jetzt etwas passiver über die Rundkurse von Melbourne bis Brasilien. Die linke Maustaste betätigt das Gaspedal, die rechte die Bremse. Gelenkt wird, indem man den Richtungspfeil bewegt, der sich vor dem Wagen befindet. So hat man fast das Gefühl, in einem „Point & Click-Rennspiel“ gelandet zu sein, doch ist die Steuerung damit selbst für Laien zugänglich. Für das Aktivieren von KERS und DRS muss jedoch genauso auf die Tastatur zurückgegriffen werden wie für einen Reset, falls man nach einem Verbremser in der Streckenbegrenzung hängen bleibt. Kleine Icons informieren jedoch über bevorstehende Kurven und auch eine Mini-Karte hilft bei der Orientierung.

Der offizielle Teil

Die Draufsicht mit dynamischen Kameraschwenks ist etwas gewöhnungsbedürftig.
Eine klassische Saison gibt es nicht, wenn man mit den Original-Teams auf die Piste gehen will. Stattdessen gibt es nur Einzelrennen, bei denen die Strecke per Zufall entschieden wird. Auch die bis zu 24 Fahrer werden automatisch für jede Sitzung zusammengewürfelt. Da es keine Freundeslisten oder Interaktionen wie das Schreiben von Nachrichten zwischen den Spielern gibt, ist man ständig in einem anonymen Starterfeld unterwegs - schade.

Keine freie Wahl

Einen weiteren Wermutstropfen gibt es bei der Auswahl des Wagens: Zwar stehen im Prinzip alle Teams zur Verfügung, doch wenn sich ein anderer Fahrer schon im Vorfeld für den eigenen Favoriten entschieden hat, darf man ihn nicht mehr wählen. In der Praxis stehen tatsächlich meist nur vier der zwölf Teams zur Wahl - und wenn man Pech hat, sind die Top-Vertreter schon alle „belegt“. Immerhin werden die Mindestziele an den Boliden angepasst: Während  hinter dem Steuer eines Red Bull ein Sieg oder Podestplatz erwarten wird, reicht in einem Williams meist schon ein Resultat im Mittelfeld, um sich eine zusätzliche Prämie zu sichern. Der Startplatz wird per Zufall bestimmt bzw. entspricht der Leistung des F1-Boliden - Qualifikationsläufe im Vorfeld der Rennen gibt es leider nicht.

Dafür warten pro Team diverse Aufgaben: Mal muss man einen Ferrari schlagen, mal die beste Rundenzeit eines Rennens aufstellen oder den Teamkollegen schlagen. Schafft man es, alle Missionen eines Teams zu erfüllen, wird man mit einem virtuellen Geldsegen belohnt, der vor allem in der Karriere wichtig wird.

Die offiziellen Teams stehen nur abseits der Karriere für Einzelrennen zur Verfügung.
Denn abseits der kleinen Renn-Snacks im offiziellen Modus bietet F1 Online zusätzlich eine deutlich komplexere Karriere, in der man ein eigenes Team aufbaut und sich nicht nur um die Weiterentwicklung des Boliden, sondern auch um Personal, Sponsoren und natürlich das Einfahren von Erfolgen kümmern muss. Große Namen wie Ferrari oder Michael Schumacher spielen hier keine Rolle, denn die Karriere läuft komplett unabhängig von der offiziellen FIA-Lizenz. Das hat auch Konsequenzen für die Streckenauswahl: Statt lizenzierter Pisten warten hier 15 Fantasiekurse, die teilweise etwas kurz ausfallen, aber insgesamt gut designt wurden. Im Gegensatz zum offiziellen Modus kann man die Strecken hier auch beim Zeitfahren einstudieren und gleichzeitig um Plätze in den nationalen sowie internationalen Bestenlisten kämpfen.

Mein eigenes Rennteam

Innerhalb der Karriere finden endlich auch die gewonnenen Preisgelder eine Daseinsberechtigung, denn die Entwicklung von neuen Teilen ist nicht billig - und auch die Forschung und Produktion müssen schließlich bezahlt werden. Mit zunehmender Erfahrung steigt man im Rangsystem auf, was wiederrum Zugriff auf weitere Funktionen sowie Upgrades ermöglicht. Gleichzeitig kann man gewonnene Entwicklungspunkte in den Ausbau verschiedener Teilbereiche wie „Forschung und Entwicklung“ oder das „Marketing“ investieren, was außerdem diverse Perks und Boni mit sich bringt.

Auf der Piste geht es oft sehr eng zu und es kommt zu Kollisionen - Schäden muss man aber nicht befürchten.
Doch wie immer bei Free-to-play kommt irgendwann der Punkt, an dem der Hersteller auch Geld verdienen will - in der Regel mit Mikrotransaktionen. Codemasters ist da keine Ausnahme: Während man die Produktionszeit kleinerer Upgrades noch mit einem Druck auf den „Hurry-Knopf“ beschleunigen kann, erfordern größere Entwicklungen wie das Errichten von Gebäuden oder Hightech-Teilen deutlich mehr Geduld. Hier kann es schon mal Stunden dauern, bis der Auftrag abgewickelt ist. Es sei denn, man zückt das Portemonnaie und bezahlt seinen Arbeitern die Überstunden, damit das begehrte Teil deutlich flotter fertiggestellt wird. Auch Boosts, mit denen man seine Erfahrungspunkte oder Preisgelder nach Rennen erhöhen kann, stehen im Shop zum Verkauf. Nur damit das klar ist: Ich schreibe hier nicht von den (virtuellen) Ingame-Credits, sondern den Codemasters-Points, die man vorher käuflich via Paypal oder Kreditkarte erwerben muss. Zur Auswahl stehen verschiedene Pakete, angefangen bei knapp fünf Euro für 1000 CM-Punkte bis hin zu „Angeboten“ von knapp 100 Euro.

Zeit ist Geld

Was man Codemasters im Gegensatz zu den Machern von Auto Club Revolution zugutehalten muss: Die Vorteile, die man sich mit echtem Geld erkauft, sind vornehmlich dazu gedacht, um Zeit zu sparen oder mehr visuelle Gestaltungsmöglichkeiten am Fahrzeug oder Helm zu bekommen. Wer keinen Cent bezahlt, erreicht ebenfalls alle Ziele - nur braucht der Sparfuchs dafür halt deutlich länger, bleibt aber trotzdem konkurrenzfähig. Wer echtes Geld in die beschleunigte Weiterentwicklung seines Boliden investiert, lässt damit die Mitbewerber nicht automatisch hinter sich, denn die Fahrzeuge sind in Klassen unterteilt und werden entsprechend eingeordnet, wenn sie mit Upgrades ausgestattet sind - so bleibt das Starterfeld meist konkurrenzfähig, unabhängig davon, ob man seinen Flitzer mit Geld oder langer Zeit auf den aktuellen Stand gebracht hat.

Im offiziellen Modus muss man sich die Freischaltung für die Teams kaufen - ansonsten wird die Auswahl per Zufall eingegrenzt.
Es kommt letztendlich darauf an, wie man sich im Kampf mit den anderen Piloten schlägt - sei es in Einzelrennen oder sogar einer Meisterschaft, die ab dem Erreichen eines bestimmten Rangs im Rahmen der Karriere angeboten wird. Vorteile auf der Piste kann man sich nicht erkaufen - hier zählt nur, wie gut man seinen Boliden im Griff hat. Einzige Ausnahme: Wer im offiziellen Teil keine Lust mehr auf den Zufallsgenerator hat, kann sich die Teams auch freikaufen - und das entweder einzeln oder als Gesamtpaket, das allerdings schon mit über zehn Euro zu Buche schlägt. Auf der einen Seite erkauft man sich zwar mit besseren Teams Vorteile, muss auf der anderen Seite aber auch entsprechende Leistungen bringen, um mehr Geld zu verdienen. Doch momentan leidet das Browserspiel, das sich derzeit in einer offenen Betaphase befindet, noch an massiven Problemen: Neben vereinzelten Abstürzen sind es vor allem die mitunter massiven Lags, die das Ganze nahezu unspielbar machen, wenn die anderen Wagen kreuz und quer über den Bildschirm purzeln oder es zu Berührungen mit „unsichtbaren“ Piloten kommt. Auch das Strafsystem sorgt immer wieder für Frust, da es manche Abkürzungen extrem kritisch mit einem automatischen Zurücksetzen ahndet, andere dagegen konsequent ignoriert. Im Gegensatz zur echten Formel Eins spielen zudem Reifenverschleiß und Boxenstopps keine Rolle, was angesichts der kurzen Sitzungen über drei Runden auch nachvollziehbar erscheint. Das Gleiche gilt für die Abwesenheit eines Schadensmodells, Wagen-Setups oder mechanischer Defekte.

Talent geht vor

Ausblick

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich von Codemasters‘ Free-to-play-Ansatz im Rahmen der Formel Eins-Lizenz halten soll. Der offizielle Modus eignet sich mit fehlender Meisterschaft und eingeschränkter Teamauswahl eher als Renn-Snack für zwischendurch - hier bleibt genauso viel Potenzial auf der Strecke wie hinsichtlich einer soziale Komponente. Es gibt weder aussagekräftige Nutzerprofile noch kann man mit anderen Spielern abseits der Piste interagieren. Dabei wäre es doch z.B. eine Möglichkeit, Teile untereinander zu tauschen oder sogar Personal abzuwerben. Im Vergleich zum offiziellen Teil gefällt mir die Karriere besser, da sie mit ihren vielfältigen Bereichen und Perks deutlich mehr Tiefgang besitzt als die simpel gestrickten Einsätze mit Schumi & Co. Aufgrund der stetigen Weiterentwicklung, die sich durch das Ansammeln von Preisgeldern und dem Aufsteigen im Rangsystem ergibt, wurde ich zum Weiterspielen motiviert. Dabei rechne ich es Codemasters hoch an, dass ich zwar auf mögliche Vorteile durch den Erwerb und die Investition von CM-Punkten hingewiesen, aber bis auf wenige Ausnahmen nur selten dazu gezwungen werde. Hier wird Free-to-play zur Abwechslung mal seiner Bezeichnung gerecht. Obwohl die Steuerung gut von der Hand geht und die Vogelperspektive mit ihrer gewöhnungsbedürftigen Kameraführung in Ordnung geht, erweist sich die Technik mit ihren schlimmen Lags und vereinzelten Abstürzen derzeit noch als größte Spaßbremse für das kostenlose F1-Vergnügen.

 
Eindruck: befriedigend