Halo 4 - Vorschau, Shooter, 360, PC, XboxSeriesX

Halo 4
15.10.2012, Jan Wöbbeking

Vorschau: Halo 4

Der 6. November wird für 343 Industries der Tag der Wahrheit. Kann das neue Team das Halo-Gefühl so einfangen wie Bungie? Funktioniert die Modernisierung des Multiplayer-Modus mit leistungssteigernden Perks oder wird die Chancengleichheit für sinnlosen Sammel-Schnickschnack geopfert? Wir sind bereits in Master Chiefs Rüstung geschlüpft und haben in drei Spielmodi hineingeschnuppert.

Das Highlight der zwei gespielten Kampagnen-Levels waren abermals die neuen Gegner. Schon auf der E3 hatte ich Spaß daran, mir die flinken Kampfroboter der Blutsväter vom Hals zu halten und auch diesmal brachten sie Dynamik ins Spiel. Als ich danach noch einmal ins erste Level startete, wirkte der Kampf gegen die gewöhnlichen Allianz-Krieger plötzlich erstaunlich behäbig. Die coolste Variante der neuen Widersacher ist der Promethean Knight. Er klappte zu Beginn des dritten Levels seinen Helm auf und „scannte“ den Master Chief offenbar mit seinem glühenden Schädel. „Die Prozedur soll nicht nur hübsch aussehen, sondern hat auch für die Story eine wichtige Bedeutung“, erklärt Frank O’Connor uns hinterher in einem Interview. „Es hängt damit zusammen, wie die Knights ihre Gegner imitieren.“

Flinke Insektenroboter

Das Beste an ihnen ist, dass sie meist zusammen mit den „Watchers“ auftauchen. Dabei handelt es sich um kleine schwebende Drohnen mit zwei sichelförmigen Tragflächen. Man sollte sie möglichst nicht links liegen lassen, sonst beamen sie ruck-zuck eine neuen Knight auf’s Schlachtfeld – oder unterstützen ein noch kämpfendes Exemplar aus der Luft mit einem Schild. Auch die kleinen Crawler durfte ich nicht aus den Augen lassen, da sie in zerklüfteten Gebirgen einfach an den Wänden empor krabbelten. „In Halo 4 (ab 25,90€ bei kaufen) musst du noch mehr in Bewegung bleiben als früher“, bringt O’Connor es auf den Punkt, „man kann sich nicht mehr so einfach hinter einen schützenden Felsen zurückziehen, um in Ruhe das Schild zu regenerieren, sonst klettert im Handumdrehen ein Crawler auf den Gipfel und deckt dich von oben mit Schüssen ein.“

Achtung, Crawler im Anmarsch: Die neuen Robo-Krabbler und die schwebenden Watcher bringen Dynamik ins Spiel.
Obwohl die Dynamik weiter gewachsen ist, besitzen die Gefechte aber nach wie vor die typische Sandbox-Atmosphäre der Halo-Reihe. Als ich durch die zerklüfteten Felsschluchten schritt, fühlte ich mich sofort heimisch. All zu breit sind die Pfade zwar nicht, aber weit genug, um mir genügend Spielraum für drei oder vier alternative Laufwege zu lassen. Und das sorgte in Kombination mit der gewohnt guten KI für dynamische Schusswechsel. Ebenfalls ein typischer Halo-Moment: Als ich unentdeckt um eine Ecke bog, lieferte sich eine Allianz-Einheit wilde Schusswechsel mit den Prometheanern. Ähnlich wie einst auf Halo scheint auch auf dem Blutsväter-Planeten Requiem etwas Wichtiges versteckt zu sein.



Kampf um den Sandkasten

Unter technischen Gesichtspunkten hat mich das Gezeigte aber nicht beeindruckt. Die Felsmassive und die dazwischen wuchernde Botanik wirken vor allem aus der Nähe etwas detailarm. Vielleicht muss sich das neu gegründete Team erst einarbeiten und an die komplett überarbeitete Engine gewöhnen. „Wenn du die Engine einem Bungie-Programmierer von vor zehn Jahren zeigen würdest, würde er schon noch Teile davon wiedererkennen, aber über die Jahre hat sich viel verändert“, erklärt O‘Connor.

Auch die mittelgroßen Schlachtfelder machen die Gefechte spannender: Hier haben wir uns beim zweiten Anlauf an der Seite entlanggearbeitet und kamen deutlich schneller ans Ziel.
Halo: Anniversary wurde noch fast komplett extern bei Saber Interactive entwickelt. Danach wuchs das Team von 343 Industries von 9 auf rund 300 Mitarbeiter an. „Es war wirklich schwer, ein Studio so schnell aufzubauen. Das coole an der Sache ist aber, dass sie nicht zugesagt haben, weil sie mit uns zusammenarbeiten wollten, sondern in erster Linie, weil sie Halo lieben. Als langjährige Fans hatten sie jede Menge Ideen, welche Dinge man noch verbessern kann“, berichtet O’Connor.



Sauber aber detailarm

Ein Vorteil der neuen Engine ist die solide Technik: Dank nativer 720p-Auflösung, mit FXAA geglätteter Kanten und einem neuen HDR-Modell sehen die Panoramen sehr sauber aus und liefen bisher stets flüssig. Auch beim Sound gibt es Neuigkeiten: Da der bisherige Halo-Komponist weiter für Bungie arbeitet, wurde diesmal Neil Davidge engagiert. Er war vorher u.a. Teil der Band Massive Attack und schaffte es mit seinem Remix von Suzan Vegas Tom’s Diner 1990 an die Spitze der deutschen Charts.

Auch die wie Zombies agierenden Flood tauchen wieder auf - und bekommen sogar einen eigenen Modus.
Die Geschichte knüpft an Teil 3 an und bildet den Anfang der „Reclaimer-Trilogie“. Sie soll vor allem anderem das Verhältnis zwischen Master Chief und Cortana beleuchten. Wie im Halo-Universum üblich, beginnen künstliche Intelligenzen nach acht Jahren damit, seltsame Zicken und Fehlfunktionen zu entwickeln, weshalb sie normalerweise stillgelegt werden. Nach der Kampagne sollen übrigens zehn „Spartan-Ops“-Episoden zum Herunterladen folgen - mit jeweils 5 Missionen, welche an Nebenschauplätze der Geschichte führen. Ähnlich wie die Special Operations in Call of Duty kann man die Missionen mit bis zu vier Spielern kooperativ und um Punktrekorde spielen. Anders als bei vielen Download-Paketen der Konkurrenz lassen sich diese Bonus-Missionen aber kostenlos herunterladen.

Call of Halo?

Neben einer Spartan-Ops-Mission konnte ich auch ein paar Runden im Multiplayer spielen. Wie stark sich die leistungssteigernden Perks auf das Spiel auswirken, lässt sich allerdings noch nicht sagen. Aber ich sprach O’Connor auf die Bedenken vieler Fans an, Halo könne sich zu sehr Spielen wie Call of Duty annähern. Sein Statement dazu: „Meiner

Hat den Master Chief von Bungie adoptiert: Fank O'Connor.
Erfahrung nach versuchen Call of Duty-Spieler, an eine bestimmte Waffe zu gelangen. Meist ist es eine besonders starke. Man schaut nach, was man dafür erledigen muss und schnappt sie sich. In Halo versuchst du nicht so sehr, neue Waffen zu bekommen, sondern eher, dir mehr Flexibilität zu verschaffen. Wenn du zum Beispiel ein sehr guter Fahrer bist, gibt es Dinge in der Karriere, welche deine Fahrfähigkeiten wichtiger werden lassen. Es geht nicht darum stärker zu werden, sondern sich zu spezialisieren, bis hin zu einem Punkt, an dem du eine Begegnung dadurch gewinnst. Und zwar nicht, weil du eine stärkere Waffe hattest - es gibt schließlich viele Situationen, in denen deine Gegner eine stärkere Waffe als du haben - sondern weil du deinen Spieler so eingestellt hast, dass er besser zu deinen Fähigkeiten und deiner Erfahrung passt.  Ich verstehe schon, dass sich die Leute über das Thema Sorgen machen, aber Halo 4 spielt sich nicht wirklich wie Call of Duty. Jeder, der es schon gespielt hat, sieht das ähnlich, das merke ich auch am bisherigen Feedback“.

Die Mehrspieler-Schlachten werden diesmal übrigens in die Handlung eingebunden. Auf dem über Reqiuem schwebenden Starship Infinity gibt es ein virtuelles Trainingslager für Spartans, welches man sich wie ein Holodeck vorstellen kann. In diesen „Wargames“ verbessern die Krieger ihre Kampftechnik. Meine ersten Matches auf der überarbeiteten Karte von Valhalla aus Halo 3 waren bereits richtig spannend. Besonders lustig gestaltete sich mein Ausflug im neuen kleinen Kampf-Mech. Mit dem starken Geschütz konnte ich

Stark aber schwerfällig: Der neue Kampf-Mech.
ein paar Gegner niedermähen, im Nahkampf wurde mir aber sein Mangel an Beweglichkeit zum Verhängnis. Auch ein kraftvoller Stampfer mit dem Metallfuß verfehlte meinen Angreifer, welcher mich kurz danach mit der Bazooka zerlegte.



Kriegsspiele

Auch die Spezialfähigkeit „Promethean Vison“ konnte ich ausprobieren. Mit ihr wird die Position von versteckten Gegnern angezeigt. Wenn ich mich zu Fuß vor großen Fahr- oder Fluggleitern verstecken musste, erwies sich das Gadget als nützlich. Einen kompletten „Wallhack“ brauchen besorgte Fans aber nicht zu befürchten: Es dauert mehrere Sekunden, bis die glühende Linie das komplette Schlachtfeld  gescannt hat – und gelegentlich kam es mir so vor, als würde sie besonders dicke Felsen nicht durchdringen. Die neuen Forerunner-Waffen sind übrigens nicht so stark, wie es auf den ersten Blick aussieht.  Die Z-180 Scattershot und auch das Sturmgewehr der Prometheaner streuen recht stark – praktisch gegen Crawler, aber schwach im Mehrspielermodus. Auch die effektvoll implodierende Blutsväter-Granate muss schon sehr genau treffen, um Schaden anzurichten. Außerdem verrät ihr lautes Piepsen sie oft viel zu früh.

Ausblick

Bei meinem zweiten Probespielen hat sich mein Eindruck aus LA bestätigt: Als langjähriger Halo-Spieler fühlte ich mich sofort wohl. Bungie hat die Serie offenbar in fähige Hände abgegeben, denn die bisherigen Levels strahlen die typische Halo-Atmosphäre aus. Dank der agilen, schnittig designten Roboter der Blutsväter gewinnen die Kämpfe sogar ein wenig an Dynamik. Die Technik tritt allerdings auf der Stelle: Das felsige Panorama wird zwar sehr sauber dargestellt, wirkt mit seinem Mangel an Details neben einer Grafikbombe wie Gears of War 3 aber angestaubt. Ich bin gespannt, wie stark sich die neuen Perks langfristig auf den Mehrspielerpart auswirken.

Eindruck:
gut