DmC: Devil May Cry - Vorschau, Action-Adventure, 360, PlayStation4, PC, PlayStation3, XboxOne

DmC: Devil May Cry
21.12.2012, Mathias Oertel

Vorschau: DmC: Devil May Cry

Die so genannten "Reboots", also Neustarts erfolgreicher Titel, sind vor allem in Hollywood groß in Mode. In der Spielewelt halten sie mittlerweile ebenfalls Einzug. Auch Capcom springt auf den Zug auf und lässt bald eine Neufassung des gleichermaßen wegweisenden wie erfolgreichen Teufelsjägers Dante vom Stapel. Wir haben eine fast fertige Fassung von Devil May Cry gespielt.

Mit der bis dato vierteiligen Devil May Cry-Serie hat Capcom stylische Action quasi im Alleingang aus der Taufe gehoben und zu gewaltigen Höhen geführt. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ohne den Dämonenjäger, der in Teil 3 cool wie kaum ein anderer Videospielheld vor oder nach ihm war, Spiele wie God of War und vor allem Bayonetta nicht möglich gewesen wären. Sowohl Kratos als auch die Hexe von Platinum Games bauen auf dem Prinzip schneller, facetten- sowie komboreicher Action auf und fügen jeweils ihre eigene persönliche Note hinzu. Im Falle von Kratos ist das neben einer imposanten Inszenierung eine brachiale Darstellung der flüssig aus den Fingern laufenden Kombos. Bayonetta blieb hinsichtlich der Action sogar noch näher an der vermeintlichen Inspiration: Die Kämpfe gegen die Teufelsbrut sind ähnlich chaotisch bzw. hektisch wie bei Dante und können Spieler mit ihren unendlich scheinenden Möglichkeiten in den Wahnsinn treiben – ganz zu schweigen von der Kulisse, die seinerzeit neue Maßstäbe hinsichtlich fantasievollen Artdesigns setzte. Ebenfalls sollte man dabei nicht vergessen, dass Bayonetta-Schöpfer Hideki Kamiya federführend am Ur-Devil May Cry beteiligt war.

Ohne Dante keine Bayonetta

Das Leveldesign ist gleichermüßen düster wie fantasievoll und erinnert in einigen Momenten an Platinums Bayonetta.
Der letzte Ausflug des charismatischen Dämonenjägers Dante liegt mittlerweile vier Jahre zurück - die Zeit reicht zweifellos aus, um den Begriff "Reboot" zu rechtfertigen. Allerdings hat sich die Actionszene, darunter auch die der "stylischen Kämpfe", in den letzten 48 Monaten weiter entwickelt. Und das Team von Ninja Theory, das mittlerweile für die Serie verantwortlich zeichnet, hat sich genau angeschaut, was in der Zeit passiert ist. Wobei ich hinsichtlich der Figurenzeichnung und der allgemeinen Dramaturgie weniger Sorgen hatte: Sowohl mit Heavenly Sword als auch mit Enslaved haben die Briten bewiesen, dass sie Geschichten mit interessanten Charakteren erzählen können.

Ohne Bayonetta kein Dante

Und das schaffen sie auch hier: Man mag über das jugendliche Aussehen des "neuen" Dante denken, was man will. Aber hinsichtlich der Charakterisierung, seinen One-Linern, seinem Umgang mit anderen, ebenfalls überzeugend inszenierten Figuren wie seinem Zwillingsbruder Vergil oder der gleichermaßen fragil wie aggressiv wirkenden modernen Hexe Kat ruft Ninja Theory alle Qualitäten auf, die man von ihnen kennt. Doch viel wichtiger ist: Mechanisch geben sie sich keine Blöße. Zeigten die bisherigen Titel aus dem Studio Defizite bzw. eine gewisse Redundanz hinsichtlich der Kampfmechanik, geben die Jungs und Mädels aus Cambridge hier Vollgas. Und sie scheinen das letzte Highlight der stylischen Action genau unter die Lupe genommen zu haben. Die Dynamik, die taktischen Elemente hinsichtlich der richtigen Waffenwahl für die entsprechende Situation, die mitunter höchst unterhaltsame Hektik: Das alles erinnert wohlig an Bayonetta, wirkt aber nie wie ein Hexenklon, sondern bleibt der Devil May Cry-Tradition treu.

Frischer Darsteller, alte Klasse: Ninja Theory schafft es mit Bravour, einen neuen Dante zu etablieren.
Doch was bedeutet das in der Praxis? Unter anderem, dass man nach dem überschaubaren Start, in dem man mit "Ebony & Ivory" (Schusswaffen) sowie dem Schwert "Rebellion" die Gegner beharkt, nach und nach neue Waffen bekommt, zu denen man auch während einer Kombo wechseln kann. Seiner Herkunft als Nephilim geschuldet (ein Spross von Dämon und Engel), teilen die sich in zwei Kategorien: Die teuflische Seite stellt z.B. eine brachiale Axt oder mächtige Flammenfäuste zur Verfügung, die selbst die Apocafists aus Saints Row 3 wie ein Kindergartenspielzeug wirken lassen. Die himmlischen Waffenvariationen beinhalten eine rasend schnelle Sense oder Wurfklingen. Diese Waffen spielen auch eine Rolle, um wie in den Legend of Zelda-Spielen oder dem ersten Darksiders-Abenteuer Zutritt zu neuen Bereichen innerhalb der großräumigen, aber meist linearen Abschnitte zu bekommen. Zusätzlich bringt jede Seite erweiterte Fortbewegungsmöglichkeiten mit sich: Man kann sich einerseits zu Gegnern heranziehen oder Ankerpunkte in der Umgebung nutzen, um sich durch die Gegend zu schwingen. Andererseits kann man auch Gegner zu sich ziehen oder Bereiche in den Levels manipulieren, um neue Wege zu schaffen. Mitunter sind auch Kombinationen nötig, um die zwar vorhersehbaren und meist nur auf Timing basierenden,  aber dennoch mitunter anspruchsvollen Sprungsequenzen zu bewältigen.

Grau ist alle Theorie

Im Kampf führen die Waffenoptionen zu mächtigen und imposant choreografierten Kombos, wobei man beachten muss, dass manche der fantasievoll designten Dämonen mit Resistenzen gegen bestimmte Waffentypen versehen wurden. Doch wenn man den Dreh raus hat und einen Gegner zuerst mit dem Schwert beharkt, ihn dann in die Luft

Apocafists sind Kinderspielzeuge.
schleudert, sich zu ihm zieht, mit seinen Knarren Projektil um Projektil in ihn pumpt, ihn dann mit der Teufelsaxt zu Boden schmettert, dann wieder zu sich zieht, um ihm mit einem mächtigen Schlag der Fäuste den Garaus zu machen, geht nicht nur der Style-Counter steil. Auch das Adrenalin gerät in Wallung. Wobei mit drei Schwierigkeits-Stufen, aber vor allem den Remix-Modi mit anderen und härteren Gegner-Zusammenstellungen oder Modifkatoren wie One-Hit-Kills (gilt auch für Dante!) absolut jeder das Anforderungsniveau finden dürfte, das ihm entspricht. Bereits auf der Standardeinstellung machen einem die Feinde in etwa ab dem sechsten Abschnitt gut zu schaffen. Und die mehrstufigen Bosse, die häufig ein cleveres Zusammenspiel der verschiedenen Waffen und Fähigkeiten erfordern, sind ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Apropos: Der Gegner, der am Ende des zehnten Kapitels wartet, ist für mich einer der interessantesten Bosse seit langem - sowohl hinsichtlich des Designs als auch des Kampfablaufs.

Natürlich steht die Action im Vordergrund. Doch die Geschichte, die in den aufwändigen Zwischensequenzen vorangetrieben wird, braucht sich nicht dahinter verstecken. Denn auch hier schafft Ninja Theory die Gratwanderung, Dante mit neuen Augen zu betrachten, ohne seine Vergangenheit außer Acht zu lassen. Ganz im Gegenteil: Mit dem Fokus auf seine Herkunft als Nephilim und den Geschehnissen, die sich um die Verfolgung seiner Eltern durch Dämonen drehen, lernt man eine neue Facette kennen. Dabei verlässt man sich jedoch nicht nur auf "klassische" Erzählmechanismen. Wenn z.B. Vergil mit Dante durch ein urbanes Ghetto läuft, wird parallel zum gesprochenen Dialog eine weitere Erzählebene über die an den Wänden verteilten Graffitis aufgebaut, die die Geschichte unterstützt.

Erzählerische Experimente

Auch Nebenfiguren wie die moderne Hexe Kat werden gut inszeniert.
Überhaupt sind es nicht nur die Figuren, die dank des ausgezeichneten Artdesigns in den Mittelpunkt rücken - auch die Umgebungen wissen zu gefallen. Dass Ninja Theroy mit Enslaved Erfahrungen im Umgang mit der Unreal Engine machen konnte, merkt man DmC an. Ein Highlight für mich sind die Abschnitte, in denen Dante sich durch ein verfallenes Himmelreich bewegt, bei dem die freundlich gelb-rote Farbgebung einen Kontrapunkt zur fragilen Zerstörung darstellt. Bei vielen anderen Gebieten gewinnt die Kulisse durch ihre "Dualität" an Reiz. Doch was bedeutet das? Normalerweise bewegt sich Dante durch die Realität. Dämonen kann er jedoch nur im "Limbo" bekämpfen. Dahinter verbergen sich Abschnitte, in denen Naturgesetze auf den Kopf gestellt werden und in denen die Menschen der Realität meist nur als Schemen durchhuschen. Darüber hinaus hat der Oberdämon, den es zu besiegen gilt, als Meister über das Limbo die Möglichkeit, die Umgebung nach seinen Wünschen zu gestalten. In der Praxis bedeutet dies, dass man sich auf spontane Änderungen der Kulisse oder provokante, nahtlos in die Levels integrierte Kommentare des Gegners wie "Fuck you" oder "Kill Dante" einstellen muss. So werden die Abschnitte ebenfalls zu Geschichtenerzählern. Mit exzessivem Einsatz von Farbfiltern bekommen die Gebiete sowohl in der Realität als auch im Limbo eine sehr eigentümliche Wirkung. Mal psychedelisch, mal depressiv, aber immer verstörend wie z.B. die auf den Kopf gestellte Dämonenwelt, in der steter Regen nach oben fließt, zieht Ninja Theory einen auch über die Kulisse immer tiefer ins Geschehen. Bislang gab es aber noch keine der ursprünglich von den Entwicklern angedachten Wechselwirkungen zu sehen: Wenn Ereignisse im Limbo sich auf die Realität auswirken, dann nur in geskripteten Zwischensequenzen.

Ich hoffe allerdings, dass DmC nach Abschnitt 10 erzählerisch nochmals zulegen kann. Vor allem Dantes Verhältnis zu Vergil und Kat wurde für mein Empfinden gegen Ende der ersten Spielhälfte zu sehr außer Acht gelassen und bietet noch viel Potenzial. Die anderen Figuren, mit denen Dante bis hierhin zusammentrifft, werden zwar ebenfalls gut erfasst, erreichen aber nur selten die Tiefe, die in seinem Zwillingsbruder oder der modernen Hexe zu schlummern scheinen.

Ausblick

Im Vorfeld hatte ich mich nur über das Nötigste zu Devil May Cry informiert und auch in Gesprächen mit Kollegen das Thema schnell auf etwas anderes gelenkt, wenn Dante genannt wurde. Ich wollte mich nicht spoilern und das Spielerlebnis so unbefangen wie möglich auf mich wirken lassen. Aber natürlich war ich skeptisch, ob das Team von Ninja Theory es schaffen würde, die bewährte Mechanik modernisieren zu können, ohne die Ursprünge zu weit hinter sich zu lassen. Vor allem aber, ob sie den Charakteren gerecht würden. Doch nach mittlerweile etwa der Hälfte musste ich mich mit Gewalt von DmC losreißen, damit ich mir die Vorfreude nicht komplett nehme. Nicht nur, weil die Kampfmechanik gleichermaßen dynamisch wie eingängig ist. Nicht nur, weil die Geschichte mit coolen Charakteren gefüllt ist und mitunter fantastisch inszeniert wird. Nicht nur, weil mir die Auseinandersetzungen bis hin zu den knallharten Bossen alles abverlangen, was mit dem zur Verfügung stehenden Waffenarsenal möglich ist. Nicht nur, weil Kulisse und Artdesign gleichermaßen kreativ wie abgefahren sind. Nicht nur, aber auch weil genau so der Neubeginn einer Serie aussehen muss: Ohne die spielerischen oder erzählerischen Wurzeln herauszureißen, wird behutsam modernisiert. So fühlt Devil May Cry sich gleichermaßen frisch und vertraut an. An den kargen Menüstrukturen, die komplett konträr zum hervorragenden Artdesign stehen, sowie an der mitunter ungünstigen Kamerapositionierung  während der Kämpfe sollte allerdings noch gefeilt werden. Dennoch lege ich mich fest: Dantes Wiederauferstehung wird einer der prägenden Titel des Spielejahres 2013.

Ersteindruck: sehr gut!