Remember Me - Vorschau, Action-Adventure, 360, PC, PlayStation3

Remember Me
08.05.2013, Jörg Luibl

Vorschau: Remember Me

Erinnerungen sind ebenso kostbar wie gefährlich: Sie sorgen im besten Fall für charakterliche Stabilität, für Vertrauen und Stärke. Aber sie können auch verunsichern, quälen und so manchen Menschen in den Tod treiben – zumindest in Remember Me (ab 2,02€ bei kaufen) von Capcom. Dort hat ein Konzern ein Geschäft daraus gemacht, das Gedächtnis auszubeuten.

Die Firma „Memorize“ hat ein Monopol auf Erinnerungen – sie konserviert, tauscht und transplantiert alles, was das Gedächtnis so hergibt. Dass sie nicht nur ein skrupelloses Geschäft daraus gemacht hat, sondern das Leben kontrolliert und die Bewohner tyrannisiert, wird schon im Einstieg deutlich. Das Paris des Jahres 2084 wirkt wie eine Mischung aus Blade Runner und 1984: Aufrührerische Graffiti zwischen greller Neonreklame an den Wänden, Überwachungsroboter in der Luft und der Abschaum der Gesellschaft in den Gassen. Das wahre Grauen spielt sich allerdings im Untergrund ab. Dort werden über brutale Zwangslöschungen von Erinnerungen aus Menschen sabbernde Amnesie-Zombies gemacht.

George Orwell in Paris

Man schlüpft im gelungenen Einstieg in die Rolle eines dieser Opfer: Eine junge Frau erwacht ohne Gedächtnis, wird von einem Mann im Kittel mit kalten Blicken taxiert. Aber irgendetwas scheint besonders an ihr zu sein, denn der Chefarzt will sich persönlich um sie kümmern. Mit anderen Menschen taumelt sie vorwärts zu einer Station, wo  sie komplett gelöscht werden soll. Diese gut inszenierte Situation sorgt für ein beklemmendes Gefühl, weil sie sich hilflos Schritt für Schritt dem Verderben nähert. Aber kurz vor dem elektrisch zischenden Stuhl wird die Frau von einem Fremden gewarnt, der eine Tür hackt.

Kaum ist Nilin geflohen, geht es in Arenakämpfen gegen zombieske Opfer der Gedächtnismanipulation zur Sache.
Nach diesem stimmungsvollen Einstieg inklusive panischer Flucht vor einem Roboter passiert etwas Seltsames:  Man prügelt sich plump in Arenen mit den zombiesken Opfern. Und das, obwohl die Frau,  die sich mittlerweile an ihren Namen Nilin erinnert, zunächst so etwas wie Mitleid für sie empfindet. Wieso kann sie nicht erstmal vor Entsetzen fliehen? Außerdem taumelte sie vorhin noch vor Schwäche und teilt plötzlich topfit aus. Dieses viel zu frühe Kombogekloppe wirkt nicht nur angesichts der Story primitiv: Auch das Kampfsystem ist eher bieder als fasziniertend. Es erinnert bei Gefechten in Unterzahl entfernt an Batman, erreicht aber nicht dessen dynamische Brillanz und animierte Coolness.

Panische Flucht in die Arena

Es gibt weder Konter noch Griffe, man haut lediglich drauf oder weicht aus, wobei die Kamera zwischendurch immer wieder Zicken macht. Aber es gibt zwei Besonderheiten – eine macht neugierig auf den weiteren Verlauf, die andere irritiert zunächst: Erstens entwickelt man eigene Komboketten, indem man immer mehr Module freischaltet und diese manuell platziert. Kann man zu Beginn nur Attacke, Attacke, Attacke hintereinander ausführen, wobei das korrekte Timing dafür sorgt, dass späte Treffer mehr Schaden verursachen, bekommt man noch Heilung hinzu. So kann man Heilung, Heilung, Heilung im Trio ausführen.

Im Neo-Paris des Jahres 2084 finden sich noch architektonische Reste der französischen Metropole.
Hört sich komisch an? Richtig, denn das ist die irritierende zweite Besonderheit: Man schlägt dreimal zu und heilt sich dreimal? Man kann später auch eine gemischte Kombo aus Attacke, Heilung, Heilung, Attacke, Heilung festlegen. Jedesmal, wenn man an der betreffenden Stelle trifft, teilt man also entweder Schaden aus oder gewinnt Lebenskraft. Ob Remember Me diesen Widerspruch noch über taktischen Anspruch auflösen kann, bleibt abzuwarten, zumal der erste Bosskampf gegen einen mutierten Amnesiezombie XXL recht gewöhnlich anmutete. Immerhin kommt neben Attacke und Heilung noch ein Baustein hinzu, mit dem man die Abkühlphase beeinflussen kann.

Kämpfe wie Batman, kletter wie Spiderman?

Nach den Arenakämpfen kann Nilin die verschachtelte Gegend erkunden, indem sie à la Uncharted durch Neo-Paris klettert – wobei sich das Staunen angesichts der beschränkten Akrobatik sowie der etwas steifen Animationen in Grenzen hält. Und man fragt sich, warum sie angesichts der engen Levelschläuche auch noch den penetranten orangen Pfeilen folgen muss, um zum Ziel zu gelangen? Gerade weil sie das Gedächtnis verloren hat, das im Laufe des Spiels nur bruchstückhaft zurückkehrt, wäre es doch logischer gewesen, diesen Kompass erst später anzubieten – falls sich die Areale überhaupt öffnen! Der akrobatische Anspruch in den Gassen? Zunächst sehr gering. Es gibt immerhin mal Reaktionstests oder waghalsigere Sprünge – da muss man mal abwarten.

Erst als Nilin in ihren Kampfanzug schlüpft und den Handschuh überstreift, kann sie wieder im Gedächtnis anderer Menschen herum mixen.
Was man bisher erkunden kann, ist recht überschaubar. Was man dabei entdecken und womit man in Neo-Paris interagieren kann, ist für ein Spiel mit diesem Thema sogar enttäuschend wenig. Zwar sorgen fluchende oder bettelnde Bewohner hier und da für Leben, aber sobald man sich den Einwohnern nähert, muss man sich teilweise seltsame Einzeiler anhören, kann nicht in ein Gespräch gehen. Und das, obwohl Nilin mehr als genug Gründe hätte. Spätestens in diesen kurzen Dialogphasen bemerkt man auch, dass Remember Me hinsichtlich Mimik, Gestik sowie Lippensynchronität bestenfalls solides Niveau erreicht. Auch die deutsche Lokalisierung ist spätestens dann zweitklassig, wenn Olga auftaucht.

Erkundungsarmut & Dialogfaulheit

Ein Armutszeugnis für das Spieldesign sind die Pseudo-Sammel-Rätsel. Es gibt tatsächlich alle Nase lang eine Art konspirative Schnitzeljagd, bei der der Suchanspruch gegen null geht: Die so genannten „Erroristen“ aka Rebellen gegen Memorize haben digitale Bilder von Verstecken in der Stadt verstreut, wo man „Sat-Patches finden kann. Was man damit anstellen kann? Bei fünf von fünf steigt die Gesundheit, fast so wie bei Zelda mit den Herzen, nur dass es hier einfallslos und deplatziert wirkt. Wo diese Patches sind? Manchmal drei Meter neben dem „Bilderrätsel“! Geht’s noch blöder mit den Sammelreizen?

Auch wenn Kampf und Erkundung noch nicht überzeugen, machen die Gedächtnismanipulationen Laune: Man kann spezielle Szenen in der Vergangnheit verändern. Hier muss man Olgas Mann sterben lassen...
Dass Remember Me noch einen befriedigenden Eindruck hinterlässt, liegt einzig und allein an den Gedächtnisrätseln: Im Gegensatz zu den plumpen Kämpfen und der leblosen Erkundung passen sie nicht nur zur Story, sondern wecken zumindest die szenische Neugier. Als Nilin von Kopfgeldjägerin Olga gestellt und fast getötet wird, kann sie dank ihres Handschuhs (sie ist Ex-Gedächtnisjägerin) in deren Gedanken schlüpfen und ihre Vergangenheit so manipulieren, dass die Kopfgeldjägerin von ihr ablässt. Das Spiel wechselt dann zu einem vergangenen Schauplatz und zeigt in diesem Fall eine Krankenhaussituation: Olga rechts, ihr Mann links in einer Art Operationsraum, mittendrin der Arzt. Jetzt schaut man sich die Ereignisse erstmal an.

Im Gedächtnis herum wühlen

Ziel ist es, die Szene dann so zu manipulieren, dass der Arzt ihren Mann tötet. Warum? Weil Olga das Geld für seine Operation quasi über die Jagd nach Nilin aufbringen will. Gibt es keinen zu heilenden Mann, gibt es auch kein Motiv für sie. Was kann man in dem Raum anstellen? Indem man mit dem linken Analogstick die Zeit zurück spult, was etwas fummelig ist, wird man auf orange flackernde Gegenstände aufmerksam, die man benutzen kann: Ein Gurt am Bett, die Atemmaske, seltsame Maschinen und Apparate, ein Trolley mit Skalpell & Co. Aber was muss man wie manipulieren, damit der Patient stirbt? Es kann nämlich auch passieren, dass Olga das Zeitliche segnet. Die richtige Kombination muss man über Logik sowie Trial & Error heraus bekommen. Hat man Erfolg, schaltet das Spiel zurück zu Nilin und Olga, die ihr Messer von deren Kehle nimmt und sie verschont.

Ausblick

Ich war sehr neugierig, jetzt bin ich ernüchtert. Remember Me fängt stimmungsvoll an, aber die erzählerische Faszination einer tyrannischen Überwachungswelt ist nach den ersten Stunden verflogen. Obwohl Capcom einen interessanten Hintergrund in einer düsteren Zukunft à la George Orwell und Blade Runner inszeniert, wirken die drei Spielelemente darunter wie künstlich zusammen gefügte Fremdkörper: Die Arenakämpfe sind trotz Kombosystem gewöhnlich, können weder hinsichtlich der Animationen noch Taktik den dynamischen Flow oder die Coolness eines Batman erzeugen. Das leichte Klettern mit Navisystem und vor allem das Erkunden bisher steriler, weil nur oberflächlich belebter Areale mit selten billigen Suchrätseln (wie dumm muss der Widerstand sein, wenn er seine Sat-Patches so offensichtlich platziert?) sind ebenfalls Dämpfer. All das sind zwar nur die Eindrücke der ersten zwei Stunden, aber wenn ein Spiel da nicht rockt, wird es schwierig. Dass Remember Me trotzdem noch einen befriedigenden Eindruck hinterlässt, liegt an den Gedächtnisrätseln, die neugierig machen und gut unterhalten. Trotz der Trial&Error-Mechanik will man einfach wissen, wie man Erinnerungen manipulieren kann und welche Konsequenzen das hat. Ob Neo-Paris in den nächsten Stunden noch mehr zu bieten hat?

Einschätzung: befriedigend