The Last of Us - Vorschau, Action-Adventure, PlayStation3, PlayStation4, PlayStation5
Man muss sich auf das vermeintlich Unwesentliche konzentrieren: Kulisse, Erkundung, Kampf und Gegenstände. Obwohl Naughty Dog erzählerisch einen ganz anderen Ton anschlägt als im locker heroischen Uncharted, sind die stilistischen Gemeinsamkeiten unverkennbar. Die ersten Schritte im Licht durchfluteten Wald könnte auch ein Nathan Drake machen. Nur dass statt Sully diesmal ein Mädchen namens Ellie an seiner Seite hinterher kraxelt. Es ist angesichts der Klasse der Artdesigner keine Überraschung, dass man in Boston, Pittsburgh oder Lincoln ähnlich wie damals im Dschungel immer wieder stehen bleibt und den Anologstick genüsslich kreisen lässt.
Uncharted lässt grüßen
Egal ob grün überwucherte Häuser, idyllisches Abendrot vor Stacheldraht oder weite Sicht auf entfernte Stadtteile: diese Endzeitwelt hat zwar auch ihre deprimierenden Seiten, wenn man in dunklen Ruinen zwischen mörderischen Freaks umher schleicht, aber sie ist stellenweise wunderschön. Naughty Dog gelingt es immer wieder, der Traurigkeit und Trostlosigkeit von Trümmern und Tod eine idyllische Facette abzugewinnen. Das ist natürlich auch ein erzählerischer Hinweis, denn noch scheint nicht alles verloren in diesem Amerika, das seit zwanzig Jahren nur Quarantäne kennt und in deprimierender Anarchie versinkt. Wer hat das Sagen, welche Rolle spielen Fraktionen wie das Militär oder die "Fireflys", gibt es eine Vision für die Zukunft? All das bleibt noch offen. Aber wenn Joel, Ellie oder andere Charaktere in Dialogen oder Überleitungen auftreten, wirkt das dank Motion
Aber viel wichtiger ist, ob sie sich dramaturgisch wirklich so stark entwickeln können wie sie versprochen haben? Naughty Dog hat sich im Vorfeld weit aus dem Fenster gelehnt, sogar Spieletester aufgerufen, in Zukunft nicht mehr so schnell über gewöhnliche Geschichten zu jubeln:
Das große Story-Versprechen
"(…)wir [sind] wirklich bemüht, das Niveau weiterzuentwickeln. Und dann kommen da Spiele heraus, die spaßig und aufregend sind und gute Action liefern - aber zu lesen, dass sie eine unfassbar gute Story haben, ist schon entmutigend, weil wir so sehr daran arbeiten. Als Kritiker muss man die Messlatte hochlegen, sonst wird sich nie etwas ändern. Wir pushen uns und machen alles Menschenmögliche, um diese Story umzusetzen - aber wir hoffen, dass der Rest der Branche das auch sieht und selbst versucht, das zu machen."
Bei allem Respekt vor dem Action-Adventure Uncharted, das ich in jeder Folge genossen habe: Naughty Dog wäre technisch meine erste Wahl, aber nicht unbedingt das Studio, dem ich diesen großen erzählerischen Schritt am ehesten zutrauen würde. Und wenn man einem Mutanten mit Brokkolivisage (man vermeidet ja den Begriff Zombie, spricht von biologisch Infizierten, von Clickern und Runnern...) erst die mit zwei Scheren verschönerte Brechstange überzieht, bevor man zwei Sekunden später seinem seltsam röchelnden Pilzkopfkollegen selbige ins Gesicht hackt, fühlt sich dieses Spiel zunächst sehr vertraut an: Brutale Action gegen zombieske Kreaturen – das hat man ja durchaus schon gesehen. Auch hier kann man Brandbomben werfen, mit Schrot ballern und schleichend mit Messern oder lautlos mit Pfeilen per Bogen töten. Auch hier gibt es diverse Pistolen und Wummen, ja sogar schnöde Werkbänke, wo ich Munition, Nachladetempo & Co anpassen kann. Das alles ist sehr gewöhnlich, nur dass man hier nicht einfach so aus dem Vollen ballern kann – Munition ist knapp.
"Das ist nicht nur ein Zombie-Spiel. Es wird ein absolut umwerfendes Erlebnis, das man in diesem Genre, mit diesen Charakteren, mit dieser Entwicklung und allem und nie gesehen hat."
Situative Hochspannung
Die KI der Feinde hinterlässt einen sehr guten Eindruck. Man wird gezielt gesucht, flankiert und überwältigt - vor allem, wenn man an einem Fleck verharrt und von dort lediglich aus der Deckung heraus schießt, hat man ohne Molotow-Cocktails oder schwere Kaliber kaum eine Chance. Man muss in Bewegung bleiben und an sichere Flecken huschen. Wenn man in Unterzahl ist und mal wieder keine passende Waffe parat hat, bleibt nur der schnelle Nahkampf: Dann wird auf Knopfdruck sofort zugeschlagen oder ausgewichen. Die Fülle an überaus brutalen Aktionen ist verblüffend, denn die Umgebung wird komplett einbezogen, wenn Köpfe gegen Wände krachen und Gelenke brechen. Diese rohe Gewalt wird allerdings besser dargestellt als taktisch ausgespielt: Es gibt kein aktives Kampfsystem mit Block, Konter oder Griff, sondern kontextsensitive Ein-Knopf-Manöver. Nur wenn man sich von hinten an Feinde heran schleicht, hat man manchmal die Wahl zwischen leisem Kill oder Griff, so dass man das Opfer wie einen lebenden Schutzschild vor sich her schieben kann.
Joel und Ellie
Was mir nicht gefällt: Ellie ist manchmal zu eigenständig. Wenn ich mit Joel in die Hocke gehe, um mich leise einem Hauseingang zu nähern, läuft sie weiter aufrecht hinterher. Und als ich das Haus erstmal von außen erkunden will, ist sie in einer Situation schon mitten drin. Natürlich kann auch diese Unberechenbarkeit die Spannung erhöhen. Glaubwürdiger wäre es, wenn sie nicht nur im Angesicht von Feinden oder direkt im Kampf, sondern auch schon vorher so vorsichtig agieren würde wie Joel es vormacht, wenn sie sich also meiner Spielweise anpassen würde. Man kann ihr ja keine direkten Befehle geben, so dass man auf ihre Intelligenz bzw. ihren Instinkt angewiesen ist. Ich bin gespannt, wie das in weiteren Situationen abläuft.
Schere, Stein & Alkohol
Da man selten genug Zutaten für mehrere Waffen hat, muss man taktisch haushalten. Und man sollte die Umgebung immer absuchen. Vor allem die vielen Häuser, von denen manche verschlossen, aber zugänglich sind. Aber will man das kostbare Messer wirklich zerbrechen, nur um ein Schloss zu knacken? Bei der Suche kann man zwar auch Schubladen und Schränke öffnen, aber meist blinken die verwertbaren Dinge schon aus der Distanz und man ertappt sich dabei, dass man sie irgendwann gar nicht mehr anschaut, sondern einfach alles schnell in seinem unbegrenzten Rucksack verstaut - es gibt ja sonst nichts. Hier stellt sich eine gewisse Sammelroutine ein, obwohl man auch erzählerische Hinweise wie Tagebucheinträge oder Notizen findet; klassische Audiologs sind übrigens nicht dabei. Wie gut diese Bruchstücke die Story ergänzen, bleibt abzuwarten.
Charakterentwicklung mit Fähigkeiten?
Wer genug der Kapseln sammelt, kann seine Regeneration, sein Basteltempo, seine Wahrnehmung oder sein Nahkampfkönnen in mehreren Stufen verbessern. Mit dabei ist auch die Sicht durch Wände, die es in nahezu jeder Stealth-Action gibt, die auch hier nützlich ist, aber etwas deplatziert wirkt: Joel kann auf Knopfdruck die Umrisse von Feinden erkennen und so die nächsten Schritte planen.
Bisher wirkte das eher wie ein Fremdkörper und ich bin mir noch nicht sicher, inwieweit man die anderen Fähigkeiten wirklich effizient einsetzen bzw. für seinen speziellen Spielstil ausnutzen kann. Beim Basteln ist der taktische Nutzen ja offensichtlich, das hier wirkt in den drei Abschnitten noch wie ein Placebo. Mal abwarten, welche Wirkung es auf lange Sicht zeigt.
Rätsel, Akrobatik & Co
Apropos Abwechslung: Man darf nicht vergessen, dass auch die Akrobatik keine Rolle bei der Erkundung spielt. Und das, obwohl sich das überall zwischen Hausetagen und schiefen Bodenplatten anbietet. Man fühlt sich aufgrund des grafischen Echos von Uncharted auch des Öfteren versucht, eine Wand an den Ranken zu erklimmen oder Sprünge über Abgründe zu wagen. Aber Joel ist kein herum turnender Athlet: Er kann sich lediglich an hüft- bis schulterhohen Hindernissen hinauf ziehen; manchmal müssen ihm sogar Ellie oder Tess helfen. Im Gegensatz zu der Anekdote mit dem Safe ist das allerdings für das Spielerlebnis kein Dämpfer, denn die eingeschränkten Bewegungen passen zum Charakter. Ein Hauch von Umgebungsrätseln kommt immerhin auf, wenn man mal Leitern oder Holzplanken aufnehmen und an der korrekten Stelle als Brücke platzieren muss, um von einem Dach auf das andere zu kommen.
Ausblick
Bisher konnte ich nur drei separate Kapitel spielen. Mir fehlen sowohl der wichtige Einstieg als auch die erzählerischen Verbindungen und Wendungen. Damit kann ich das, was Naughty Dog sehr mutig zum wichtigsten, nahezu umwälzenden Element erkoren hat, nämlich das Storytelling, noch nicht einschätzen. Aber schon jetzt sind die Ansätze für eine reife, fast schon spazierende Erzählweise zu erkennen: Das Verhältnis von Joel und Ellie wird nicht von coolem Geschwätz, sondern von subtilen Bemerkungen und emotionaler Mimik getragen. Mir gefallen vor allem die Rhythmuswechsel und die Kontraste, die nahtlosen Übergänge von ruhiger Erkundung hin zu brutalem Terror, von idyllischer Schönheit zu deprimierender Zerstörung. Was mir nicht gefällt, sind die gewöhnlichen Elemente wie Waffenwerkbank, Pillen-Fähigkeiten-System, Pseudorätsel oder das Fehlen von Bluffs und Psychotricks vor einem Kampf – das hätte die Erkundung um eine kommunikative Komponente bereichern können. Aber schon jetzt inszeniert dieses The Last of Us taktisch geprägte Hochspannung. Gerade nach den letzten peinlichen Ausflügen in all die primitiven Zombiewelten, genießt man dieses unheimlich elegante, überaus intensive Erlebnis. Und dass Naughty Dog der PlayStation 3 ein weiteres malerisches Highlight schenkt, war fast zu erwarten. Ob sie auch ihr dramaturgisches Versprechen einlösen und ein ausgezeichnetes Erlebnis anbieten, bleibt abzuwarten.
Einschätzung: sehr gut