Betrayer - Vorschau, Action-Adventure, PC
Die Spanier haben ganze Arbeit geleistet: Ich kann gerade noch erkennen, wie ihre Galeone an meinem Schiffswrack vorbei segelt. Lediglich mit einem Dolch bewaffnet stehe ich irgendwo an der nordamerikanischen Ostküste inmitten einer schwarzweißen Wildnis. Ich erkenne zwar Sträucher, Bäume, Fässer und selbst kleine Steine im Wasser, aber das Artdesign hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck– einerseits sind die starken Kontraste anstrengend für die Augen, andererseits sorgen sie zusammen mit den leisen Trommeln und flüsternden Stimmen für ein befremdliches Gefühl, das zur mysteriösen Story passt.
Gestrandet im Jahr 1604
Man fragt sich nach den ersten Schritten, ob man das Ganze nur träumt. Und falls ja, ob das nicht ein Alptraum sein könnte – auch der plötzlich starke Wind peitscht fast unwirklich durch den Wald. Jedenfalls geschehen trotz gewöhnlicher WASD-Steuerung in Egosicht einige ungewöhnliche Dinge: Ein Mädchen im blutroten Kapuzenumhang taucht auf einem Hügel auf und schießt einen Pfeil mit einer Botschaft auf eine Art Totem: „Ich hoffe, dass ich dir vertrauen kann. Die spanische Flotte hat dein Schiff nicht zufällig abgefangen. Du wirst hier mehr Feinde als Freunde finden.“ Etwas weiter den Pfad hinauf versorgt sie mich mit einem Bogen und Pfeilen, die ich sparsam gegen die Spanier
Davon kann ich mich gleich überzeugen, denn sie lauern als Schemen mit blutroten Augen seltsam vor sich hin murmelnd etwas weiter in der Wildnis: Ich kann sie entweder aus der Distanz inkl. Zoom mit dem Bogen beschießen oder im Nahkampf mit dem Dolch. Allerdings darf man nicht zu nah heran, denn die wie Conquistadoren ausgerüsteten Kreaturen stürmen direkt auf einen zu. Hat man sie nach zwei, drei Schüssen erledigt, hinterlassen sie Gold oder Pfeile und lösen sich dann in Luft auf. Stirbt man, kann man einen Teil seiner Beute wieder am Ort des Todes zurückholen. Ansonsten wirkt es seltsam, dass man Tomahawks nur einmal werfen kann, dann sind sie futsch, und dass man manche verschossenen Pfeile nicht findet.
Gewöhnliche Action im ungewöhnlichen Szenario
Aber kaum habe ich das erste Fort erreicht, wird es wieder seltsam: Denn zwischen den verlassenen Holzhütten warten zu Asche erstarrte Menschen wie Skulpturen. Was ist hier passiert? Immerhin finde ich ein paar Notizen und Tagebucheinträge der britischen Kolonisten, die von ihren Begegnungen mit den Einheimischen erzählen. Außerdem kann
Blutrote Flecken in schwarzweißer Welt
Richtig interessant wird es aber erst, als ich eine Glocke finde, diese wieder an ihrem ursprünglichen Ort befestige und läute: Plötzlich wird es mit einem Donner finster und ich kann mit einem der Aschetoten sprechen. Hier kann ich mich durch ein paar Textfragen klicken, erkundige mich so nach dem Mädchen und bekomme noch recht vage Antworten. Aber was schrieb die Kleine noch? Ich würde hier nicht nur mehr Feinde als Freunde, sondern auch mehr Fragen als Antworten finden. Wenn ich die vergilbte Karte öffne, macht mich die Welt hinter dem Fort durchaus neugierig: Dort erkenne ich ein riesiges Hinterland, das ich scheinbar frei erkunden kann. Dort werden auch Quests, Beute und Orte für das schnelle Reisen markiert.
Ausblick
Betrayer macht nach dem ersten Anspielen durchaus Lust auf mehr. Es wirkt zwar in seinem Kern wie gewöhnliche Action in Egosicht, in der man Feinde bekämpft, Gold sammelt und Kisten zerdeppert. Außerdem bin ich noch nicht sicher, ob die recht eindimensionalen Gefechte noch an Reiz gewinnen. Aber es sind vor allem die Adventure-Elemente, die mich neugierig machen: Welche Überraschungen hat die Story rund um verfluchte Spanier und Geister noch parat? Welche Rätsel und seltsame Vorkommnisse wird es noch geben? Und was verbirgt sich an Quests und Orten im angenehm offenen Hinterland? Das schwarzweiße Artdesign mit seinen blutroten Flecken ist zwar auf Dauer etwas anstrengend, aber unterstreicht die unwirkliche Atmosphäre in diesem Neuengland des 17. Jahrhunderts. Mal sehen, wie es weitergeht und ob das Abenteuer noch Horroraspekte gewinnt.
Einschätzung: gut