Assetto Corsa - Vorschau, Rennspiel, PlayStation4, XboxOne, PC

Assetto Corsa
16.01.2014, Michael Krosta

Vorschau: Assetto Corsa

Hinsichtlich Fahrphysik und Realismus konnten Konsolen-Renner von Forza Motorsport bis Gran Turismo den PC-Simulationen trotz ihres gehobenen Anspruchs nicht ganz das Wasser reichen. Im Gegenzug schien es rFactor, iRacing & Co aber an Grafik-PS und Präsentation zu mangeln. Das dürfte sich bald ändern: Assetto Corsa (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) von Kunos Simulazioni verfügt nicht nur über ein exzellentes Fahr- und Reifenmodell, sondern spendiert auch der Technik ein beachtliches Tuning...

Schon mit netKar Pro ließen die italienischen Sim-Spezialisten von Kunos Simulazioni 2006 aufhorchen. Mittlerweile arbeitet das Team sogar mit echten Rennställen zusammen und entwickelt Simulatoren, an denen die Piloten auch außerhalb ihres realen Cockpits üben können. So z.B. der ehemalige Formel-Eins-Weltmeister Fernando Alonso, denn auch Ferrari zählt zu den Kunden von Kunos Simulazioni, die basierend auf der Software für die Scuderia mit der Ferrari Virtual Academy sogar eine angepasste Version für Hobby-Raser veröffentlichten.

Von Spezialisten gebaut, von Profis getestet

Bei so viel Know-how sind die Erwartungen an das jüngste Projekt entsprechend hoch, doch schon in der Early-Access-Version auf Steam zeigt Assetto Corsa, dass man Großes und Großartiges erwarten darf: Zwar fehlen noch zentrale Modi wie die Karriere, die Möglichkeit zu Online-Rennen sowie KI-Gegner, doch kann man sich mit der begrenzten Auswahl an Strecken und lizenzierten Boliden immerhin schon einen ersten Eindruck von der aufgebohrten Technik und der Fahrphysik verschaffen.

Bei diesem Fahrgefühl könnte man hinter dem Steuer eigentlich ständig jubeln!
Kurz und knapp: Vor allem mit einem guten Force-Feedback-Lenkrad und 900 Grad Drehbereich fühlt sich das Fahren in Assetto Corsa schlichtweg fantastisch an! Langsam taste ich mich an den Grenzbereich heran, nutze alternativ zu den Schaltwippen auf Wunsch sogar eine H-Schaltung plus Kupplung – selbst das erforderliche Zwischengas beim Schaltvorgang wird bei manchen Modellen optional simuliert! Ohne die zuschaltbaren Fahrhilfen wie ABS, Traktions- und Stabilitätskontrolle sowie Bremshilfen und visualisierte Ideallinie hilft nur die absolute Konzentration in Kombination mit Feingefühl, um die leistungsstarken Boliden wie den McLaren MP4-12C, Pagani Zonda R oder den bockigen Ferrari F40 auf der Piste zu halten. Auch dank des hervorragenden Force-Feedbacks kann man hier regelrecht spüren, wie die Pneus langsam an Haftung verlieren, während die verwackelte Cockpitansicht eindrucksvoll die Kräfte demonstriert, die auf Karosserie und Fahrwerk einwirken. In den Optionen lässt sich neben Feineinstellungen an der Steuerung, der idealen Sitzposition und Grafikdetails sogar festlegen, wie stark die G-Kräfte abgebildet werden sollen – Daumen hoch!

Was für ein Gefühl!

Man beachte die feinen Staubkörnchen und Schmutz, sobald die Sonne auf die Windschutzscheibe strahlt.
Assetto Corsa wird dem Begriff „Simulation“ absolut gerecht – zumindest, was das Fahr- und Reifenmodell angeht. So liefert der Gummi z.B. erst ab einer bestimmten Temperatur die ideale Bodenhaftung. Landet man dagegen im Kiesbett oder neben den Asphalt, kommt man nicht nur extrem schnell ins Rutschen, sondern sammelt auch noch Dreck auf, der das Fahren nach der Rückkehr auf die Strecke noch eine Zeit lang beeinträchtigt. Hinzu kommen spürbare Unterschiede zwischen den Reifenmischungen und Typen: Stehen bei den Slicks für Rennwagen die klassischen Varianten hart, medium und weich zur Auswahl, lassen sich bei sportlichen Serienfahrzeugen je nach Modell auch DTM-Pneus aus den Neunzigern, Standardreifen oder Semi-Slicks aufziehen, die das Fahrgefühl maßgeblich beeinflussen. Besonders gut gefällt mir, dass im derzeit noch übersichtlichen Fuhrpark auch unabhängig von der Reifenwahl der individuelle Charakter jedes Boliden zur Geltung kommt: Der kleine Fiat Abarth EsseEsse schiebt z.B. deutlich über die Vorderachse und tendiert damit zum Untersteuern, während sich Heckschleudern wie BMWs M3-Modelle prima für Drifteinlagen eignen. Stellt für mich Ferraris 458 Italia noch einen gelungenen Kompromiss aus Anspruch und Fahrspaß dar, lässt sich der F40 mit seiner explosionsartigen Beschleunigung und nervösen Fahreigenschaften dagegen kaum bändigen.

Das richtige Setup ist der Schlüssel für flotte Rundenzeiten.
Letzteres musste ich vor allem bei einer der zahlreichen Spezial-Veranstaltungen erfahren, bei denen Autos und Strecken vorgegeben werden. Hinter dem Steuer dieses getunten Monsters wurde die Jagd nach den drei Rundenzeiten trotz der mir vertrauten Mugello-Piste zu einem wahren Höllenritt. Ich bin immer noch ratlos, wie und wo ich die letzten knapp zwei Sekunden zum Gewinn der Goldmedaille herausholen soll...

(Noch) wenig Auswahl

Neben dem Unterbieten vorgegebener Rundenzeiten finden sich aber auch Drift-Herausforderungen sowie Beschleunigungsrennen im Angebot. Alternativ legt man Strecke und Fahrzeug beim Hotlapping selbst fest und versucht im Kampf gegen den Geisterwagen seine eigenen Ergebnisse zu schlagen. Der Modus „Zeitrennen“ wurde dagegen von Spielhallenautomaten inspiriert: Hier gilt es, vor Ablauf des Zeitlimits den nächsten Checkpunkt zu erreichen. Neben Trainingsläufen wird außerdem ein Ausflug auf den extra gebauten Drift-Kurs ermöglicht oder man macht in Beschleunigungsrennen erste Bekanntschaft mit der KI, die in diesem Fall beim Geradeausfahren aber nicht viel leisten muss. Spannend wird es erst, sobald man sich mit einem kompletten Starterfeld messen und um Positionen kämpfen muss, doch ist dies im Rahmen der Early-Access-Beta leider noch nicht möglich. Entsprechend sind neben der Karriere und Online auch die Menüpunkte Einzelrennen und „komplettes Rennwochenende“ noch nicht zugänglich. Schade auch, dass man noch keinen Zugriff auf Ranglisten hat. Hoffentlich wird man in einem der nächsten Updates die Möglichkeit bekommen, Geisterwagen anderer Spieler zu laden und gegen sie anzutreten.

Ein Strafsystem greift, sobald man die Strecke verlässt. Keine Chance für Abkürzer!
Mit italienischen Pisten wie Monza, Imola, Magione, Mugello und Vallelunga scheinen die Entwickler bisher in erster Linie Heimatkunde zu betreiben – an internationalen Kursen finden sich momentan nur zwei Layouts von Silverstone in der Auswahl. Positiver Nebeneffekt: Hier brettert man folglich über Strecken, die man nicht unbedingt in jedem anderen Rennspiel findet. Zudem steht von Monza auch eine alternative Version mit dem Streckenlayout von 1966 zur Verfügung. Mit regungslosen Pappaufstellern auf den Tribünen wirkt die Kulisse zwar nicht unbedingt lebendig, doch Geschwindigkeitsgefühl und Immersion im Cockpit sind exzellent. Zudem wird das Auge je nach eingestellter Uhrzeit von wunderschönen Lichtverhältnissen verwöhnt, bei denen Schatten realistisch über die Armaturen wandern oder die Sonne regelrecht blendet, deren sanfte Strahlen selbst kleine Staubpartikel auf der Windschutzscheibe offenbaren.

Willkommen in Italien

Die wahren Stars sind jedoch die aufwändig modellierten Boliden: Schon in der verstellbaren Cockpitansicht wird die Liebe zum Detail offenkundig. Schaut man sich die knapp 20 Fahrzeuge im Showroom an, steht man der überragenden Qualität eines Forza Motorsport 5 kaum noch in etwas nach. Hier darf man die Flitzer beim Rundgang ganz genau betrachten und ebenfalls einsteigen, falls man auch den Innenraum erkunden will. Klar, dass angesichts dieser Pracht neben speicherbaren Wiederholungen auch ein Fotomodus inklusive einer kleinen Auswahl an stimmungsvollen Hintergründen nicht fehlen darf.

Sitzposition und Sichtbereich lassen sich im Cockpit den eigenen Wünschen anpassen.
Doch die Fahrzeuge sehen nicht nur klasse aus, sie klingen auch prima: Zwar erreichen die Motorenklänge noch nicht ganz das Niveau von Forza, doch wird man auch hier von kernigen Sounds verwöhnt, die vor allem in hohen Drehzahlbereichen eine Gänsehaut garantieren. Einzig das ständige Standard-Quietschen beim Betätigen der Bremse wirkt schnell zu aufgesetzt, da es nicht nur immer beim Tritt auf das Pedal auftritt, sondern auch bei jedem Auto gleich klingt. Noch nicht integriert ist das Schadensmodell, obwohl Menüoptionen bereits nahelegen, dass es in einem zukünftigen Update nachgereicht wird. Ob es auch Nachtrennen geben wird – bisher darf man nur einen Zeitraum zwischen acht und 18 Uhr wählen – und auch verschiedene Witterungsbedingungen simuliert werden, wird ebenfalls erst die Zukunft zeigen.

Wind und Wetter?

Als Mechaniker darf man sich dagegen jetzt schon versuchen, denn wie es sich für eine Simulation gehört, darf man je nach Modell fleißig am Fahrwerk, der Aufhängung, dem Getriebe und an der Aerodynamik herumschrauben oder den Reifendruck der gewählten Pneus-Mischungen für jedes Rad einzeln verändern. Die mitgeführte Benzinmenge spielt ebenfalls eine Rolle und beim Testen der Setups besteht im Nachhinein die Möglichkeit, die Telemetriedaten zu studieren – ein Traum für alle Nachwuchs-Ingenieure und Mechaniker! Wer zu faul ist, darf aber auf vorgefertigte Einstellungen für jeden Kurs zurückgreifen.

Im Showroom und den Wiederholungen kommt die Pracht und aufswändige Modellierung der Boliden besonders gut zur Geltung.
Fans der „Grünen Hölle“ dürfte es freuen, dass die Nordschleife des Nürburgrings schon als DLC (inkl. zehn weiteren Fahrzeugen) im September erscheinen und per Laserscanning für das Spiel aufbereitet werden soll. Ärgerlich dagegen, dass man für diesen begehrten Inhalt wahrscheinlich extra zahlen muss...

Nachschub garantiert!

Darüber hinaus wird sicher auch die Community für massig Nachschub sorgen, sobald die Mod-Werkzeuge zur Verfügung stehen. Beim Start der Beta stellen die Entwickler mit dem noch unzugänglichen Bereich „UI Themen & Modding“ bereits entsprechende Möglichkeiten in Aussicht und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch kostenlose Varianten des Eifelkurses samt weiterer Schauplätze und Wagen von Moddern bereitgestellt werden.

Ausblick

Nach netKar Pro und den ersten Informationen zu Assetto Corsa waren meine Erwartungen an Kunos Simulazioni sehr hoch. Zwar fehlen dieser frühen Version im Steam Early Access noch viele entscheidende Komponenten wie KI, Online-Modi, Schadensmodell und die Karriere, doch überzeugt die Simulation schon beim zentralen Element: dem Fahren! Ich habe mich hinter dem Steuer selten so wohl gefühlt und wurde gleichzeitig derart gefordert wie hier – in Kombination mit einem guten Force-Feedback-Lenkrad ist Assetto Corsa ein Traum für ambitionierte PC-Rennfahrer! Daneben hat es mir auch die Präsentation angetan: Zwar könnten die Kulissen etwas lebendiger sein, doch angefangen bei den großartigen Lichteffekten über die röhrenden Motoren bis hin zu den aufwändig modellierten PS-Schleudern sind die Ausflüge in die Motorsportwelt ein Fest für Augen und Ohren. Und ich erwische mich dabei, wie ich lieber wieder alleine meine Runden in Assetto Corsa drehe anstatt mich z.B. weiter mit Gran Turismo 6 und seinen 1200 Autos auf zig Strecken auszutoben. Warum? Weil ich hier noch mehr das Gefühl habe, im Cockpit eines echten Wagens zu sitzen!

Eindruck: sehr gut / Fit4Hit