Thief - Vorschau, Action-Adventure, 360, XboxOne, PC, PlayStation4, PlayStation3
Spielerlebnis als Baukasten
Vor dem Start ins Abenteuer grübelt man fast wie bei einer Charaktererschaffung für ein Rollenspiel. Zwar sind Optionen theoretisch immer gut und Pakete erleichtern einem die Übersicht: Wer z.B. nur die „klassischen Modifikationen“ aktiviert, soll laut Entwickler in etwa so schleichen wie im ersten Teil der Reihe – ob das wirklich so ist, wird erst der Test zeigen können. Aber man hat gleich zu Beginn das Gefühl, dass es Square Enix nach dem negativen Feedback bzgl. des mittlerweile gestrichenen XP-Systems möglichst vielen Leuten recht machen will. Wo bleibt die unverwechselbare Handschrift des Spieldesigners? Gibt es überhaupt einen oder führt eine amorphe Masse namens Zielgruppe schon Regie?
Ich habe für diese Vorschau den kompletten Einstieg im normalen Schwierigkeitsgrad ohne weitere Modifikationen gespielt – also inklusive Fokus, Drahtschneider & Co. Ersterer lässt sich aktivieren, um z.B. Druckplatten, Schalter oder andere interaktive Elemente erleuchtet anzuzeigen. Allerdings habe ich ihn beim Schleichen in den drei bis vier Stunden kaum gebraucht, weil das Meiste abseits der Fallen ohnehin auf einen Blick erkennbar ist. Und da sind wir schon bei einem Problem, das man nicht im Vorfeld abschalten kann: Das allzu Offensichtliche. Garrett bekommt bei seinen Ausflügen in Gassen und über Dächer etwas zu viel auf dem Silbertablett serviert. Ob sich das auf „schwer“ zum Release am 28. Februar ändert?
Klunker auf dem Silbertablett
So entsteht auch ein atmosphärischer Bruch. Denn in der Stadt grassiert nicht nur eine Seuche namens „Schwermut“, es gibt auch ein extremes Missverhältnis zwischen Armen und Reichen. Und das sorgt für sozialen Sprengstoff, was als Thema erstmal sehr interessant ist. Aber warum liegt dann so viel wertvoller Klunker herum? Ein Beispiel: Garrett schleicht an einem Haus vorbei, duckt sich unter einem Fenster. Da lässt die Regie eine Frau darüber jammern, dass sie nichts für ihre hungernden Kinder kaufen kann. Aber
Das stecke ich mir (mit einem schlechten Gewissen) ein und frage mich, ob diese Schwermut nicht nur für steigende Selbstmordraten, sondern auch für Erblindungen unter den einfachen Arbeitern gesorgt hat. Eine bessere Regie würde zeigen, wie die Armen in diesem Szenario um jeden Penny betteln, feilschen und kämpfen. Das Elend wird zwar an einigen Stellen auch nachvollziehbar, wenn normale Wachen z.B. über teuren Luxus feixen, aber so verliert die Hintergrundwelt in den ersten Kapiteln an Glaubwürdigkeit. Die Frage ist natürlich, welche Situationen sich im weiteren Verlauf ergeben.
Meistersammler oder Meisterdieb?
Aber dennoch: Ich will in erster Linie Meisterdieb, nicht Meistersammler sein. Und was es mal wieder alles an Objekten gibt, die Garrett in seinem Hauptquartier in Vitrinen verstauen kann: Denkmaltafeln, Unikate, Sammlerstücke, Dokumente. All das erinnert an Assassin’s Creed. Oder Tomb Raider. All das ist auch per se nicht schlecht, wenn es so in das Spieldesign integriert wird, dass sich daraus auch erzählerische Verbindungen, weitere Rätsel und Hinweise ergeben. Bisher hatte ich eher das Gefühl, dass man sich nichts näher anschauen muss. Für Hoffnung sorgen immerhin einige Dokumente, die auch mal einen Tipp für einen Safe enthalten.
Aber man fragt sich natürlich, welcher Meisterdieb so leichtsinnig sein würde, seinen Rückzugsort mit so vielen Beweisen vollzustopfen? Das ist wieder so ein Punkt, der eher wie eine generische Kopie anderer Spiele wirkt als ein gut durchdachtes Element der sinnvollen Modernisierung. Zumal das Hauptquartier abseits der Vitrinen keine interessanten Interaktionen anbietet: Warum kann man hier nicht seine Fähigkeiten trainieren, in einem Tagebuch stöbern oder etwas wirklich Interessantes tun? Der Einstieg offenbart zudem erzählerische Defizite: Darunter vor allem eine weibliche Nebenfigur, die wie ein künstlicher Fremdkörper wirkt.
Wer zur Hölle ist Erin?
Im Vergleich zu diesen Spielen wirkt die schnell durchschaute Konstellation der beiden Figuren hier plump. Garrett vertritt die alte Schule der Diebe, in der sie wie Phantome agieren - sauber und lautlos. Erin vertritt die "modernere" und etwas mörderische Schule, in der Wachen auch einfach mal abgemurkst werden. Aber wie soll man als Spieler verstehen, dass diese mörderische Lady seine Schülerin ist? Und wie soll man diese schlecht modellierte Figur sympathisch finden, die nach all den Jahren des Wartens genau das symbolisiert, was man als Fan der ersten Stunde gerade nicht mit Thief verbindet? Mehr Tempo, mehr Action, mehr Assassin’s Creed?
Ich bin gespannt, ob mich die Dramaturgie im weiteren Verlauf noch eines Besseren belehren kann – immerhin sind Spannungsansätze sowie dramatische Wendungen zu erkennen. Und der Satz, dass es „in den Schatten noch Schlimmeres“ als Garrett gibt, macht einigermaßen neugierig. Aber hier fehlt es zumindest in den ersten Kapiteln an einer Regie, die Charaktere aufbauen kann.
Auch der politische Dualismus in der Stadt, zwischen dem tyrannischen Baron auf der einen Seite, der rücksichtlos die Industrialisierung vorantreibt, und dem Untergrundkämpfer Orion auf der anderen Seite, der den Aufstand der Armen organisiert, wirkt sehr schablonenhaft. Garrett wird sich übrigens nicht aktiv für eine Seite entscheiden bzw. diese gezielt unterstützen können wie etwa in alten Deus-Ex-Zeiten. Das ist schade, weil es das Spiel auch für moralische und politische Entscheidungen geöffnet hätte. Aber angesichts der traditionellen Neutralität des Meisterdiebs ist das verschmerzbar – Garrett will auch in diesem Reboot nur eines: stehlen.
Keine politischen Enztscheidungen
Was, ich mecker zu viel? Ja, aber ich bin eben ein Fan der ersten Stunde. Was habe ich in Dark Project vor sechzehn (!) Jahren für einen Spaß gehabt! Das Spiel hat all das symbolisiert, was ich mit sehr guter Stealth-Action verbinde – mehr noch als Metal Gear. Ich würde diesem Garrett am liebsten zujubeln, wenn er an seine Tugenden anknüpfen und diese mit modernen Mitteln bereichern würde. Und es gibt Bereiche, die mir in dieser Neuinterpretation gut gefallen.
Die guten Seiten der Spielmechanik
Auch das schnelle Huschen von Versteck zu Versteck, quasi geducktes Sprinten, macht durchaus Laune: Es gibt Situationen, in denen man das sehr gut timen muss, um bewegten Lichtkegeln zu entkommen. Trotzdem lässt sich diese schnelle Bewegung ohne Ausdauerverlust endlos durchführen. Man kann Gemälde untersuchen, indem man ihren Rahmen abtastet, um einen versteckten Schalter zu finden – eine tolle Idee, die die Haptik simuliert. Genauso wie das Aufhebeln von Fenstern, das über schnelles Knopfdrücken geschieht. Auch die KI macht streckenweise eine gute Figur: Löscht man Fackeln mit Wasserpfeilen, schaut sie sich das genauer an, fragt wie das passiert ist und zündet sie wieder an – sehr schön! Leider inspiziert sie auf diese Art nicht besonders konsequent. Außerdem scheint sie noch nicht einmal wie bei Assassin's Creed auf Dächer zu klettern; so hat Garrett dort quasi Narrenfreiheit.
Viel zu simples Schlösser knacken
Hinzu kommen die akrobatischen Beschränkungen: Das Leveldesign schreibt mir über visuelle Hinweise vor, wann ich wo springen oder Seilpfeile anbringen kann - freie Erkundung sieht anders aus, zumal die städtischen Areale bisher auch recht klein wirken. Dass das Beutelschneiden ebenfalls recht simpel ist, kann ich eher verzeihen: Nähert man sich einer Wache geduckt an, kann man ihre Börse bzw. den Schlüsselbund stehlen, indem man eine gewisse Zeit einen Knopf gedrückt hält – scheinbar kann es auch einen Fehlschlag geben, wenn man das zu lang macht.
Steuerungszicken & Touchpadgefummel
Was auf der PlayStation besonders nervt: Das Touchpad. Es ist ein Graus, wie nervös die Auswahl von Tränken oder Pfeilen dort läuft – so etwas muss komplett präzise ohne Fehlversuche laufen. Zwar kann man auch über das Steuerkreuz durchschalten, was perfekt funktioniert, aber dort eben nur durch Pfeiltypen, nicht durch Heilmittel, Tränke & Co. Warum kann ich da nicht das komplette Inventar erreichen? Verbesserungswürdig sind auch die Kämpfe: Zwar habe ich direkte Konflikte vermieden, aber wenn es mal ernst wurde, schlugen die Wachen meist wild durcheinander, wobei ihre Figuren durcheinander clippten.
Apropos PlayStation 4: Laut Square Enix ist das die „Lead-Plattform“ für die Entwicklung. Aber davon sollte man sich nicht zu viel versprechen – keine Bange: Thief sieht ordentlich bis gut aus, aber eben nicht mehr. Zwar konnte ich die PlayStation-3-Version nicht im direkten Vergleich sehen, aber die habe ich nicht wesentlich schlechter in Erinnerung. Vor allem verwaschene Oberflächen im nahen Bereich, gelegentliche Bildratenprobleme beim Kameraschwenk sowie spätes Texturnachladen beim Betreten eines Levels ernüchtern. Hinzu kommt, dass sich Mimik, Gestik und Animationen auf der PlayStation 4 deutlich unter dem Niveau grafisch erstklassiger PS3-Abenteuer wie The Last of Us oder Beyond befinden.
Artdesign und Technik
All das könnte ein ausgezeichnetes Artdesign abfangen, wie das markante Deus Ex mit seinem Leitmotiv aus Gold und vor allem das künstlerisch eindrucksvolle Dishonored mit seiner lebendigen, farblich und stilistisch beeindrucken Parallelwelt gezeigt haben. Aber hier bin ich von Eidos Montreal enttäuscht: Die Mischung aus düsterem Mittelalter und viktorianischem Industriezeitalter bietet so viel Potenzial für eigene Interpretationen, für exotische Maschinen oder Gefährte, das zumindest in den ersten Kapiteln nur ansatzweise genutzt wird. Alles wirkt einheitlich düster. Manche Stilelemente wie etwa Männer mit Melonen oder der Händler in seinem Trenchcoat wirken sogar wie Fremdkörper.
Ausblick
Ich bin nicht begeistert. Und ich müsste es als Fan dieser Serie sein, nach zehn langen Jahren des Wartens. Ja, es macht durchaus Laune Wachen wegzulocken und auszuknocken, Schätze zu rauben und alternative Routen im offenen Leveldesign zu finden. Aber warum ist das Schlösser knacken so öde? Was soll der ganze Klunker in einer Stadt, die unter Armut leidet? Wo ist das besondere Flair einer alternativen Welt, das z.B. ein Dishonored auszeichnet? Eidos Montreal muss sich nicht nur fragen lassen, warum Glaubwürdigkeit und Artdesign nicht so überzeugen wie noch in Deus Ex. Auch die Steuerung müsste intuitiver, die Technik auf PlayStation 4 imposanter und die Animationen lebendiger sein. Bei aller Kritik: Das wird kein Reinfall, sondern solide Stealth-Action, auf die ich mich trotz der Defizite freue – okay, kommt ja sonst fast nix für Konsolen. Schön ist in der Theorie, dass man das Spiel fast an seine Bedürfnisse anpassen kann, was ich nach zu viel Leichtigkeit auf normalem Niveau definitiv tun werde. Aber deshalb nur fast, weil selbst ein modifizierbares Regelwerk weder ein markanteres Spieldesign noch ein besseres Drehbuch herbeizaubern kann. Dieses Thief und seine künstlich wirkenden Figuren lassen mich in den ersten Stunden seltsam kalt. Ich hoffe, dass die Dramaturgie noch anzieht. Momentan schlittert Garrett in die Moderne - hoffentlich findet er noch die Balance!