The Elder Scrolls Online - Vorschau, Rollenspiel, XboxOne, Stadia, XboxSeriesX, PlayStation5, PlayStation4, PC
Das abobasierte Online-Rollenspiel scheint eine aussterbende Art zu sein - außer Blizzards Dauerläufer World of WarCraft hat kein Titel genug Ausdauer, um die Spieler langfristig zu binden. Dabei haben sich einige namhafte bzw. vom Ansatz interessante Vertreter daran versucht: EA schickte Star Wars - The Old Republic und Secret World ins Rennen. Man konnte mit Star Trek Online abheben, Superhelden entweder in DC Universe Online durch Gotham und Metropolis hetzen oder mit Cryptics Champions Online gegen böse Buben antreten lassen. Selbst der einstmalige Abo-König EverQuest 2 ist wie alle anderen mittlerweile in die Free-to-play-Rente gegangen, hat aber dadurch immerhin Dark Age of Camelot überlebt. Apropos: Die mittelalterlichen Abenteuer in Albion, Hibernia und Midgard gehören für mich zu den prägendsten Erlebnissen meiner Zockervita.
Die A-Frage
Dementsprechend gespannt und voller Vorfreude war ich, als Zenimax Online verkündete, dass man sich die Dienste von Matt Firor gesichert habe, um The Elder Scrolls Online (ab 5,99€ bei
Doch bevor man sich in die üppige Welt Tamriels im zweiten Zeitalter aufmacht - und damit ca. 400 bis 600 Jahre vor den Ereignissen von Morrowind oder Oblivion seine Abenteuer erlebt - steht erst einmal die Erstellung einer Figur auf dem Plan. Hinsichtlich der visuellen Gestaltung bedient sich The Elder Scrolls Online klassischer Standards: Teilweise über Schieberegler, teils über Schalter kann man das Aussehen seiner Figur festlegen. Dabei sind natürlich bestimmte Farben oder Muster bestimmten Völkern vorbehalten. Neun gibt es insgesamt, die Elder-Scrolls-Veteranen alle geläufig sein dürften. Neben Elfen in drei Formen (Hoch-, Wald-, Dunkel) finden sich mit den Nord, den Bretonen und Redguard drei „menschliche“ Völker. Abgerundet wird die Auswahl von den katzenartigen Khajit, den reptilienhaften Argonieren sowie den Osimer, besser bekannt unter ihrem gewöhnlichen Namen Orks.
Erste Entscheidungen
Die aktiven und passiven Fähigkeiten, auf die man seine spärlich ausgeschütteten Fähigkeitspunkte verteilen kann, sind umfangreich und von mehreren Faktoren abhängig: Die Rasse bringt ebenso mögliche Spezialisierungen mit sich wie die Klasse, tritt man Gilden bei, öffnen sich wieder andere Wege usw. Dabei hat Zenimax Online aber ein wichtiges Element nicht aus den Augen verloren: Das "Learning-by-doing", das auch die Offline-Elder-Scrolls kennzeichnet. Nutzt man eine Waffe besonders häufig, wird man hier kontinuierlich besser, gleiches gilt für Zauber etc. Dieses Prinzip findet man auch hier, nur mit dem Unterschied, dass man hier mit der vierten Fähigkeitsstufe vor die Wahl gestellt wird, wie sie sich weiterentwickeln soll. Ergänzt man bei einem Zauber z.B. Bereichsschaden oder soll er generell stärker sein? In welcher Form soll sich das begleitende Elementar entwickeln? Durch diese Elemente wird die Entwicklung der Figur ähnlich offen gestaltet wie in den letzten Offline-Abenteuern. Allerdings muss sich die Ausgewogenheit vor allem in den Duellen gegen menschliche Spieler langfristig beweisen. Im Kampf gegen die Umgebung (PvE, Player-versus-Environment) hinterlässt das Prinzip einen guten bis sehr guten Eindruck.
Das Elder-Scrolls-Gefühl
Doch auch abseits der Charaktere und ihrer Eigenschaften nutzt ESO geschickt bekannte Elemente, um Assoziationen zu Skyrim & Co herzustellen. Man kann die Gegenstücke zu den Findlingen in Himmelsreich entdecken, die einen mit zusätzlichen Boni segnen. Wenn man durch die weitläufigen Gebiete streift oder sich nur zu seinem nächsten Missionsziel bewegen möchte, tauchen in der Kompassleiste immer wieder Symbole auf, die eine neue Entdeckung, eine Sehenswürdigkeit oder einen neuen Auftraggeber kennzeichnen. Dementsprechend werden neugierige Abenteurer immer wieder von ihrem eigentlichen Ziel abgelenkt: Dort wartet eine Höhle, hier findet sich eine Schatztruhe, deren Schloss man mit einem simplen Dietrich-System manipuliert. Man findet Geschichtsbücher und wenn man sich die Mühe macht und die zahlreichen Bücherregale durchforstet wird man hier auch Schriften finden, die einem nicht nur die bewegte Geschichte Tamriels vermitteln, sondern auch bestimmte Fähigkeiten verbessern.
Das Problem dabei: Obwohl die Elder-Scrolls-Herkunft immer spürbar ist, geht man hier nicht weit genug - bzw. kann nicht weit genug gehen, wenn man bestimmte Elemente der Online-Welt nicht gefährden will. So bersten die Bücherregale zwar mit Schriften, doch pro Regal kann man nur ein Buch lesen. Und mitnehmen kann man ohnehin keines. Auch viele andere Requisiten sind leider nicht mehr als Staffage, die zwar für ein stimmungsvolles Gesamtbild sorgt, aber auch die Unterschiede zwischen Online- und Offline-Tamriel klar machen. Denn natürlich kann man hier nicht erlauben, dass die im Regal aufbewahrten Waffen oder Rüstungsteile von jedem x-beliebigen Spieler eingesackt und ggf. beim nächsten Händler wieder vertickt werden. Das Ende der spielinternen Ökonomie und im schlimmsten Fall ein grobes Balance-Missverhältnis wären die Folge. Mitnehmen kann man nur, was von den Entwicklern erlaubt wird, sprich: vorgesehen ist. Und das wiederum teilweise in einer Form, die offline als Diebstahl geahndet würde, was hier allerdings keine Rolle spielt. Alles andere ist wie festgeleimt und nur als visuelle Zierde geeignet. Hier verliert ESO etwas seiner Faszination, man bekommt mit, dass es an dieser Stelle wenig mehr als ein "typisches" Online-Rollenspiel ist.
Online-Einschränkungen
Der Kampf ist bei Online-Rollenspielen immer ein Stein des Anstoßes. Seit Jahr und Tag bauen die meisten Vertreter auf eine Art modifiziertes Rundensystem (mitunter mit einem automatischen Standard-Angriff), das man mit Spezialfähigkeiten ergänzt, die wiederum durch einen Abkühltimer begrenzt werden. Da die Offline-Vertreter mit einem dynamischen Echtzeit-Kampfsystem auftrumpfen, das jederzeit in eine taktische Pause versetzt werden kann, um z.B. eine andere Fähigkeit zu wählen, war ich gespannt, wie es hier letztlich gelöst würde. Natürlich war mir klar, dass die angesprochene taktische Pause online nicht möglich ist. Doch bedingt durch die anders ausgerichtete Figuren-Entwicklung braucht man die Pause gar nicht. Die paar Fähigkeiten, die zur Verfügung stehen, reichen (anfänglich) aus – und mit Level 15 bekommt man die Option, eine zweite Waffe (mit eigener Schnellauswahlleiste) zu führen oder die zweite Leiste für seine Primärwaffe zu nutzen. Und das führt dazu, dass man im Tamriel des zweiten Zeitalters so dicht an einem Echtzeitkampf dran ist, wie es online möglich scheint: Schläge werden aktiv über die linke Maustaste ausgeführt. Der Block liegt rechts. Und drückt man beide Tasten zusammen, kann man versuchen, den Gegner entweder wegzustoßen oder gar auszukontern. Mit dem richtigen Timing kann man den angreifenden Feind kurzzeitig betäuben, mit Spezialangriffen hoch- oder zu Boden schleudern, was wiederum Mitstreitern die Möglichkeit gibt, zusätzliche Angriffe anzubringen – in diesen Momenten wird beinahe die Dynamik der Offline-Geschwister erreicht. Allerdings gibt es (vor allem bei Zaubern) auch immer wieder Zweifel an der „Echtzeit“. Denn wie Stichproben immer wieder gezeigt haben, ist Sichtlinie nur beim Start der meist einige Sekunden dauernden Beschwörung relevant. Soll heißen: Bereitet man ein Elementargeschoss vor, reicht es, beim Start den Gegner im Visier zu haben.
Ambitionierter Kampf und Handwerk
Beim Crafting-System bietet man eine ähnliche Offenheit, wie man sie ohne Internet-Anbindung kennt. Hat man die nötigen Materiealien und Kenntnisse, die man sich ggf. auch über das „Auseinandernehmen“ von Gegenständen aneignet, kann man Waffen, Rüstungen etc. selbst herstellen und verfeinern. Das System ist zwar nicht so intuitiv wie bei anderen Online-Rollenspielen, doch die Optionen, personalisierte Ausrüstung anzufertigen, sind enorm. Schade ist allerdings, dass man seine Schätze nur innerhalb der Gilde handeln kann. Bislang ist kein öffentliches Auktionshaus oder ein Kommisionsverkauf von hergestellten Waffen usw. bei örtlichen Händlern geplant. Das wird zwar ein wenig dadurch kompensiert, dass man bis zu fünf Gilden beitreten kann. Doch wer wie bei Dark Age of Camelot oder Star Wars Galaxies gehofft hat, sich einen Namen (und ein kleines Vermögen) durch das Anfertigen und den freien Verkauf ausgezeichneter Ausrüstung schaffen zu können, ist in Elder Scrolls Online bislang fehl am Platze.
Fraktions-Geplänkel
Das bedeutet nicht, dass die Gefechte langweilig verlaufen - ganz im Gegenteil. Mit einem breit gefächerten Missions-Arsenal, das von Gebietserforschung über das Stören der gegnerischen Nachschublinien bis hin zum Belagerungsangriff reicht, bekommen sowohl Solisten als auch Gruppen und Gilden zahlreiche Möglichkeiten, sich auszuzeichnen und Berühmtheit zu erlangen. Wobei ich während der Teilnahme an den Duellen nur selten das Gefühl wie seinerzeit als albionischer Mönch hatte, der gegen einen Kampfzwerg Midgards und seine Kumpane antritt.
Zumal die Kulisse durch die Bank stimmungsvolle Gemälde zeichnet. Allerdings ist in vielen Details noch mehr möglich. Die Mimik der Figuren z.B. ist ein gutes Stück hinter Titeln wie Mass Effect & Co oder Skyrim anzusiedeln. Sie geht für ein Online-Rollenspiel und dessen Anforderungen aber vollkommen in Ordnung. Bei Boden- und Landschaftsdetails bietet sich ein ähnliches Bild: Es ist definitiv Luft nach oben, doch im Zusammenspiel mit Lichteffekten, Weichzeichner und sonstigem Technik-Schnickschnack findet man durch die Bank idyllische und abwechslungsreiche Landschaftsstriche, in der sich ordentlich animierte Figuren bewegen. Es gibt Tag- und Nachtwechsel sowie dynamisches Wetter - was allerdings mittlerweile zum guten Ton gehört. Noch schöner und auch der Serie entsprechender wäre es allerdings gewesen, wenn die Städte und Ortschaften einen lebendigeren Eindruck hinterlassen hätten. Doch auch hier muss man Online-Mechaniken Tribut zollen: Bislang war kein Tagesablauf festzustellen. Die meisten Figuren stehen starr am für sie vorgesehenen Platz - ungeachtet der Zeit. Und man muss unbedingt das Nachladen der Kleidungstexturen optimieren. Tritt man an einen Gesprächspartner heran und beginnt das Gespräch, kann das Laden der Texturdetails in der entsprechenden Nahaufnahme bis zu zwei Sekunden dauern - das nervt nicht nur, sondern ist auch hässlich.
Ordentliche Kulisse mit Detailschwächen
Ausblick
Anfangs war ich skeptisch, ob es The Elder Scrolls Online schaffen würde, die Essenz seiner Offline-Brüder einzufangen. Aber es ist dem Team um Matt Firor weitgehend gelungen. Die Interaktion mit der Umgebung ist zwar nicht so weitreichend wie in Morrowind oder Skyrim, doch abseits dessen ist vieles in diesem Abenteuer des Namens Elder Scrolls würdig: Man kann viel entdecken, die Charakterentwicklung ist offen und basiert auf einer Mischung des bekannten "Learning-by-doing" und gezielter Fähigkeitenauswahl. Die Präsentation ist stimmig, die Handwerkskünste sind breit gestaffelt. Das Missionsdesign verlässt sich auf bekannte Mechanismen, während das Kampfsystem mit Block und gelungener Konterfunktion Echtzeit suggeriert, aber bei Sichtlinien schwächelt. Sehr imposant sind die imposanten Gefechte von Spielern-gegen-Spielern. Allerdings gibt es keine Überschneidungen von PvE- und PvP-Gebieten wie z.B. im Urahn Dark Age of Camelot. Doch hinzu kommen Elemente, die auch die Schlachten in Guild Wars 2 erfolgreich gestalten konnten. Sowohl Solisten als auch Gruppen und Gilden kommen hier auf ihre Kosten. Ob die motivierende Mischung bekannter Elemente ausreichen wird, um die Spieler vom Abomodell überzeugen zu können, wird allerdings eine der großen Fragen sein, die wir erst im April beantworten.
Einschätzung: sehr gut!