The Crew - Vorschau, Rennspiel, 360, PlayStation4, PC, XboxOne

The Crew
09.04.2014, Michael Krosta

Vorschau: The Crew

Das ultimative KFZ-MMO-RPG?

Die gesamten Vereinigten Staaten als offene Spielwelt für Geschwindigkeits-Junkies mit Benzin im Blut? Daran hat sich bereits Codemasters mit FUEL versucht, doch heraus kam ein Endzeit-Szenario voller Langeweile. Ubisoft will es bei „The Crew (ab 6,75€ bei kaufen)“ besser machen: Mit lizenzierten Boliden, realen US-Metropolen und MMO-Anleihen begibt man sich in den Windschatten von Test Drive Unlimited...

Ja, das waren noch Zeiten, als Atari und Eden Games 2006 die Insel Oahu nachbildeten und eines der ersten Racing-MMOs überhaupt erschufen. Diese grenzenlose Freiheit war überwältigend, das Fahrgefühl hat ebenfalls gepasst und der Fuhrpark mit lizenzierten Modellen von Aston Martin bis Wiesmann ließ die Herzen von Autofans höher schlagen. Da sah man auch gerne über die technischen Mankos wie Ruckeleinlagen, Pop-ups und mangelnde Details hinweg – das Erlebnis, durch diese offene Welt zu cruisen, dabei dem Radio zu lauschen und sich Rennen gegen KI- oder Onlinefahrer zu liefern, war einfach zu schön!

Von New York bis L.A. in 90 Minuten

Ein ähnliches Gefühl stellte sich bei mir ein, als ich in Paris nach den ersten Messeindrücken wieder Hand an The Crew legen durfte – zumindest im Ansatz. Was zunächst auffällt: Wie schon bei TDU fordert die große Welt auch hier ihren technischen Tribut, denn statt des erhofften grafischen Fortschritts stellt der Trip durch die USA im Vergleich zum exzellenten Forza Horizon sogar eher einen Rückschritt dar. Natürlich ist das virtuelle Colorado von Playground Games und Turn 10 eine ganze Ecke kleiner als das, was uns Entwickler Ivory Tower hier präsentiert, denn die Nachbildung der Vereinigten Staaten ist selbst in dieser skalierten Form noch gewaltig groß: Laut Entwickler ist man in einem der schnellsten Wagen an die 90 Minuten unterwegs, wenn man mit Vollgas von Küste zu Küste brettert – wow!  Und auch hinsichtlich Abwechslung wird einiges

In New York ist ganz schön was los!
geboten: Es warten verschneite Wege in den Rocky Mountains, staubige Wüstenpisten sowie Abstecher in Metropolen wie New York, Miami, Chicago, Las Vegas und Los Angeles. Selbst reale Rennstrecken wie Laguna Seca in Kalifornien oder der Sebring International Raceway im US-Bundesstaat Florida werden nachgebaut. Nicht zu vergessen die typischen Sehenswürdigkeiten wie der Grand Canyon, Times Square & Co, die ebenfalls nicht fehlen dürfen.

Und das Beste daran: Die komplette Spielwelt steht den Rasern von Anfang an für Erkundungsfahrten offen und dank des Schnellreise-Systems landet man im Handumdrehen an der gewünschten Position, obwohl ich das „Basissystem“ von Horizon bevorzugen würde. Dabei ist es bemerkenswert, dass die Ubi-USA nicht nur groß ausfallen, sondern auch viel landschaftliche Abwechslung bieten und lebendig gestaltet werden. Nicht nur aufgrund des mitunter dichten Verkehrs ist ganz schön was los – auch Passanten wie Fußgänger, Leute im Café oder Bauarbeiter nehmen zumindest den Städten etwas von der üblichen Sterilität. Trotzdem: Hält man ein Forza Horizon oder selbst ein Need for Speed: Rivals dagegen, fährt The Crew in technischer Hinsicht der Konkurrenz hinterher. Es ist deshalb ernüchternd, wenn ein Open-World-Rennspiel auf der alten Generation technisch imposanter wirkt als ein aktueller Vertreter, der explizit für moderne PCs und die neuen Konsolen entwickelt wird. Was vielen Leuten sauer aufstoßen dürfte: Selbst wenn man alleine durch die Gegend tuckert, ist eine Onlineverbindung zwingend erforderlich – wird man vom Server getrennt, darf man nur noch den Startbildschirm betrachten.

Wo soll's denn hingehen?

Zu tun gibt es genug: Es warten zahlreiche Haupt- und Nebenmissionen, die man im MMO-Jargon durchaus als Quest bezeichnen könnte. Diese reichen von klassischen Rundstrecken- und Checkpunkt-Rennen über Zeitfahren bis hin zu Verfolgungsjagden und gezielten Ramm-Aufträgen. Viele Missionen werden aber erst dann verfügbar, wenn man einen bestimmten XP-Level erreicht hat. Dabei hat man jederzeit die Wahl, ob man sich alleine in einen der lizenzierten Boliden setzt oder gemeinsam mit seiner Crew und damit drei weiteren Mitspielern

Im Muscle-Car durchs Monument Valley? Aber ja doch!
loszuziehen möchte. Einladungen an Freunde sind schnell verschickt, doch auch das zufällige Zusammenwürfeln von Fahrern in unmittelbarer Nähe wird möglich sein. Außerdem darf man sich auch in asynchronen Wettbewerben mit anderen Fahrern messen. Damit das Erkunden nicht in langweiliges Sightseeing ausartet, wird man immer wieder durch zufällig eingestreute Minispiele gefordert, in denen man neben Erfahrungspunkten auch neue Teile für seine PS-Schleuder gewinnen kann. Dabei muss man z.B. einen spontanen Slalomkurs absolvieren, ein Tempoziel erreichen oder eine Zeitvorgabe ohne Schaden überstehen, was bei dem hohen Verkehr oft gar nicht so einfach ist. Besonders nervig ist derzeit noch, dass der Ergebnisbildschirm nach Abschluss von Missionen und Herausforderungen brutal die Sicht beeinträchtigt. Hier wäre es besser, wenn man das Spiel entweder kurz anhalten oder einen Autopiloten aktivieren würde. Im jetzigen Zustand sind Unfälle vorprogrammiert, da man weder Straße noch Verkehr erkennen kann, bis man die Ergebnisse endlich wieder wegdrücken kann.  

Das Rennen als Quest

Die Story-Missionen erstrecken sich laut Entwickler-Aussagen auf eine Spielzeit von etwa 20 Stunden und drehen sich um einen Undercover-Cop, der Schmugglern auf die Schliche kommen will, die in der Autoszene mitmischen. Einen Innovationspreis wird man für das Story-Gerüst sicher nicht gewinnen – muss man auch nicht, denn in einem Rennspiel sollte immer noch das Fahren im Mittelpunkt stehen und nicht die Geschichte.

Doch gerade bei diesem zentralen Punkt kann mich der Titel immer noch nicht überzeugen: Genau wie beim ersten Anspielen auf Messen empfinde ich die Steuerung der Boliden immer noch als zu träge und schwammig – ein Gefühl der präzisen Kontrolle wollte sich auch beim jüngsten Ausflug auf die Pisten nicht einstellen. Ich bin zwar froh, dass die Entwickler trotz regenerativem Nitro-Boost mehr bieten wollen als eine 08/15-Arcadephysik. Aber derzeit wirkt das Fahrverhalten auf mich so, als wolle man zwar mehr Anspruch, wisse gleichzeitig aber nicht, wie man es am besten bewerkstelligen sollte. Ich wurde jedenfalls auch nach meiner

Mit dem Dirt-Spec verwandelt man den Boliden in einen Rallye-Wagen.
zweistündigen Testfahrt immer noch nicht richtig warm mit dem gewählten Fahrmodell und hoffe, es wird sich bis zur angepeilten Veröffentlichung im Herbst noch einiges tun. Schön zumindest, dass sich die Boliden alle einzigartig und damit unterschiedlich anfühlen.

Gewöhnungsbedürftige Fahrphysik

Die Fahrzeuge sind ohne Frage die Stars und werden bewusst ähnlich konzipiert wie die Charaktere in Online-Rollenspielen. Doch statt Rüstung, Schwert und Klamotten sind es hier in erster Linie Autoteile, mit denen man den fahrbaren Untersatz auflevelt. Insgesamt 19 Kategorien stehen zur Wahl, wobei elf von ihnen die Leistung verbessern und acht mehr die Optik aufwerten. Jedes Teil – vom Auspuff über das Differenzial bis hin zur Motorhaube lässt sich einzeln in bis zu 50 Stufen aufwerten. Und nicht nur das: Jede Kategorie ist außerdem noch in Bronze-, Silber-, Gold- und die seltenen Platin-Upgrades unterteilt! Man kann sich also ausmalen, dass es hier extrem viele Kombinationsmöglichkeiten gibt, um den Serienwagen in eine kraftvolle Rennmaschine zu verwandeln.

Ein Auto mit und als Charakter

Hinzu kommen die „Charakterklassen“ der Boliden, denn neben der anfänglichen Serienausstattung stehen vier weitere Evolutionsstufen bereit, in denen man seine Flitzer weiterentwickelt. Bei der ersten handelt es sich um eine Verwandlung zum Rallyewagen, mit dem man auch abseits der asphaltierten Pisten über Sand und Schotter düsen kann. Die Performance-Spec orientiert sich dagegen an der Tuning-Welt im Stil von The Fast and the Furious, während die Raid-Spec in erster Linie für

Das Austauschen von Teilen ist cool visualisiert.
unebenes Terrain geeignet ist – perfekt für die Erkundung. Zu guter Letzt wartet noch die Circuit-Spec: Das sind echte Hochleistungs-Rennwagen, die vor allem auf den lizenzierten Grand-Prix-Strecken zum Einsatz kommen sollten.

Besonders gut gefällt mir die Visualisierung, wenn man die Teile in seinem Hauptquartier austauschen will, denn genau wie in der Waffenschmiede eines Ghost Recon: Future Soldier, wird das Auto hier vor den Augen des Spielers bis auf den Antriebsstrang auseinander genommen und man kann bei Motor-Upgrades sogar erkennen, wie die Kolben in Echtzeit ihre Arbeit verrichten, wenn man den Wagen beschleunigt – ein tolles Feature! Weniger begeistert bin ich dagegen von der Einbindung von Perks, mit denen man u.a. das Fahrverhalten verbessern oder mehr Erfahrungspunkte gewinnen kann. Noch schlimmer finde ich dagegen die Tatsache, dass es neben dem Ingame-Vermögen auch eine zweite Währung geben wird, bei der man mit Echtgeld zahlt. Zwar wollten die Entwickler noch nicht ins Detail gehen, aber man wird wohl mit einer kostenpflichtigen Auswahl an XP-Boosts, Teilen und Abkürzungen rechnen können. Wollen wir sowas in Vollpreisspielen sehen? Nein!

Ausblick

Was die Dimension der Spielwelt angeht, hat mich The Crew jetzt schon überzeugt! Die Reise durch die USA mit all ihren Sehenswürdigkeiten, interessanten Städten und abwechslungsreichen Landschaften wird sicher mehr bieten als viele andere Rennspiele. Auch die spontanen Mini-Herausforderungen beim Cruisen finde ich mindestens ebenso gelungen wie das ansprechend visualisierte Upgradesystem. Allerdings nimmt man den MMO- und RPG-Aspekt hier zu ernst: Der durchschnittliche Rennspieler, der einfach nur einsteigen und Gas geben will, dürfte dem Aufleveln von Einzelteilen, Hantieren mit Perks und Fraktionen nicht unbedingt viel abgewinnen. Mir war es jedenfalls nach den zwei Stunden schon etwas zu viel MMO und zu wenig Rennspiel. Denn dort, worauf es für mich in erster Linie ankommt, hinterlässt der Titel immer noch keine gute Figur: die Fahrphysik! Mir ist die Steuerung zu träge und es fällt mir immer noch schwer, ein Gefühl für das gewöhnungsbedürftige Verhalten der Boliden zu entwickeln. Und auch technisch verströmt Ubisofts Raser-Crew leider kein Next-Gen-Flair – ein Kompromiss, den man angesichts der großen Spielwelt aber hier genauso verschmerzen könnte wie damals bei Test Drive Unlimited. Da stößt mir der Onlinezwang beim Solospiel und die Aussicht auf Mikrotransaktionen deutlich stärker sauer auf...

Eindruck: befriedigend