DriveClub - Vorschau, Rennspiel, PlayStationVR, PlayStation4, VirtualReality

DriveClub
23.05.2014, Michael Krosta

Vorschau: DriveClub

Der schnellste Club der Welt

Eigentlich wollte Sony pünktlich zum Start der PS4 mit DriveClub (ab 12,99€ bei kaufen) die Raserherzen höher schlagen lassen. Stattdessen wurde der viel versprechende Titel kurzfristig verschoben, sodass man sich entweder mit dem mauen Need for Speed: Rivals abfinden oder zur Konkurrenz greifen musste, wo Forza Motorsport 5 immerhin einen Hauch der neuen Rennspiel-Generation verströmte. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Wir haben die Evolution Studios in England besucht und nicht nur Einblicke in die Entwicklungsprozesse bekommen, sondern durften auch selbst als Club-Kollektiv um den Sieg kämpfen...

Ich bin grundsätzlich ein skeptischer Mensch. Und wenn die Hersteller von Videospielen das virtuelle Rasen immer stärker in Richtung Teamsport trimmen wollen, schrillen bei mir erstmal die Alarmglocken. Warum? Weil das Konzept eigentlich völlig unpassend ist, Rennfahrer sind Egomanen vor dem Herrn, immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht! Was zählt, ist einzig und allein der Sieg, denn auf dem zweiten Platz landet schon der erste Verlierer. Warum sollte ich zum Gemeinwohl eines Clubs beitragen? Oder mich wie im Fall von World of Speed wie in einem Shooter in eine bestimmte Rolle drängen lassen? Racing und Teamwork – wie soll das funktionieren?

Von Skepsis zur Begeisterung

DriveClub schafft es tatsächlich, sowohl den egoistischen Ehrgeiz als auch den Teamplayer in mir zu wecken. Wie das? Weil in den Wettbewerben zwischen den Clubs beides gefragt ist! Hier kämpfen bis zu sechs Fahrer pro Team gemeinsam um die Krone – sei es in normalen Rennen gegen KI-Fahrer, dem klassischen Zeitfahren oder Drift-Herausforderungen. Mit seinen individuellen Leistungen trägt man hier allerdings zum Gesamtergebnis seines Clubs bei: Es zählt also nicht, wer von allen Teilnehmern der schnellste und beste Fahrer ist, sondern der Durchschnittswert ist entscheidend. Schon beim Anspielen war es nicht nur motivierend, sich selbst immer weiter ans Limit zu treiben, um gleichzeitig den Club nach vorne zu bringen. Da es im Duell mit einem anderen Team sehr eng zuging, habe ich mich gleichzeitig dabei erwischt, auch meine Mitfahrer anzuspornen, noch mehr Gas zu geben! Gerade bei knappen Unterschieden zwischen den Clubs, kommt das Gemeinschaftsgefühl hervorragend zur Geltung. Hinzu kommen die dynamischen Herausforderungen, genannt Face-Offs, die

Evolution hat die zusätzliche Zeit auch dafür genutzt, die Technik weiter aufzupeppen.
direkt auf der Strecke passieren und den Rennen zusätzliche Würze verleihen: So liefert man sich in gekennzeichneten Abschnitten asynchrone 1:1-Duelle in verschiedenen Bereichen wie der Durchschnittsgeschwindigkeit, Drift-Wertung oder Präzision.

Dass es für das deutsche Team Wheel-Deal doch nicht ganz gereicht hat, lag vor allem daran, dass unsere Widersacher schnell eine Möglichkeit gefunden haben, das System auszuhebeln. Dazu nehme man einfach den schnellsten Fahrer und lasse ihn mit den Profilen der anderen Club-Mitglieder neue Bestzeiten aufstellen, auch wenn diese weit über dem tatsächlichen Niveau der Spieler liegen. Das lässt sich zwar nicht immer so leicht bewerkstelligen wie in der LAN-ähnlichen Umgebung im Rahmen des Events, doch ist es trotzdem recht einfach, die Ergebnisse zu verfälschen – eine Lücke, die einige Clubs sicher ausnutzen werden.

Fiese Tricks

Im Idealfall läuft es aber darauf hinaus, dass sich ohne fiese Tricks mit der Zeit die besten Spieler in Clubs versammeln und sich aufregende Duelle um Tausendstel-Sekunden liefern. Denn es spricht nichts dagegen, sich einfach für einen anderen Club zu entscheiden, wobei man nach einem Wechsel alle gemeinsam erspielten und geteilten Inhalte des zukünftigen Ex-Clubs aufgeben muss. Zudem gibt es eine feste Regel: Man darf nur in einem Club Mitglied sein – ein Job als „Lenkrad-Söldnern“, der nur für ein Rennen von Club zu Club hüpft, ist nicht im Sinne des Erfinders. Schade nur, dass die Anzahl an Mitgliedern pro Team auf sechs begrenzt ist – ein Limit, das vielleicht auch den direkten Auseinandersetzungen in Mehrspieler-Rennen geschuldet sein dürfte, bei denen sich maximal zwölf Fahrzeuge auf der Strecke befinden dürfen.

Die lizenzierten Boliden werden mit viel Liebe zum Detail modelliert.
Keine Beschränkungen herrschen dagegen bei den Challenges. Ganz im Gegenteil: Es ist ausdrücklich erwünscht, dass sich die zeitlich begrenzen Herausforderungen möglichst schnell und weit verbreiten. Aus diesem Grund hat Evolution einen großen Wert auf eine einfache Navigation und eine gute Übersicht gelegt – so floss bisher ein Großteil der zusätzlichen Zeit in die Gestaltung des dynamischen Menüs, das mit einem Live-Feed und Social Hub wie ein soziales Netzwerk innerhalb der DriveClub-Welt fungiert. So ist man immer auf dem Laufenden, wo wann was passiert. Und sollte man gerade unterwegs sein, bleibt immer noch die kostenlose Begleit-App, mit der man nicht nur den aktuellen Stand betrachten, sondern auch weitere Herausforderungen sowie Nachrichten verschicken, Club-Mitglieder rekrutieren und ihre Leistungen sogar im Live-Stream verfolgen kann. Ein kleiner Dämpfer von Sony in Richtung Microsoft: Die App wird für Android und iOs, nicht aber für Windows Phone erhältlich sein.

Der soziale Faktor

Das Teilen der Inhalte ist ein Kinderspiel, denn mit wenig Aufwand schickt man seine Challenges an Freunde und andere Clubs, die ihrerseits das Ganze wie in einem Schneeballprinzip weiter verbreiten können. Wer nicht gleich die ganze PSN-Welt herausfordern möchte, kann auf Privatsphäre-Optionen zurückgreifen, die sich sowohl für Clubs als auch die Challenges aktivieren lassen. So können Mitglieder z.B. auf den eigenen Freundeskreis beschränkt werden oder nur bestimmte Clubs zum Duell eingeladen werden. Wer auf die ganze Online-Vernetzung verzichten will, kann sogar alleine die Karriere in Angriff nehmen und sich ausschließlich mit der KI messen, auch wenn durch eine solche Abschottung viel vom Reiz verloren geht. Trotzdem ist es schön, dass die Entwickler immerhin eine solche Option anbieten und nicht alles zwanghaft auf das reine Online-Erlebnis ausrichten.

Gegen die ganze Welt

Insgesamt werden fünf Schauplätze geboten.
Allerdings muss an der KI bis zum Release noch fleißig geschraubt werden, denn bisher lässt vor allem das Balancing noch zu wünschen übrig: Zwar hat mir Game Director Paul Rustchynsky hoch und heilig versprochen, dass man auf das unrühmliche Gummiband verzichten will, doch bisher sieht es noch nicht danach aus. So ist mir aufgefallen, dass das Feld ziemlich langsam wurde, als ich mich bewusst zurückfallen gelassen habe. Auch ist es passiert, dass plötzlich andere Fahrzeuge mit einem Überschuss an Geschwindigkeit von hinten angerauscht kamen und an mir vorbeigeschossen sind, obwohl ich keinen Fehler gemacht habe.

Unausgereiftes Balancing

Außerdem schwanken die Leistungen der KI-Piloten noch zu stark: Trotz gleich bleibendem Schwierigkeitsgrad setzt sich der Führende manchmal uneinholbar ab und kommt dabei zehn oder mehr Sekunden früher als beim gleichen Rennen zuvor. Gut, in der besagten Club-Challenge spielte die finale Platzierung nur eine sekundäre Rolle, da es in erster Linie auf die Zeit ankam, aber trotzdem sind die krassen Unterschiede der KI-Auftritte Besorgnis erregend. Das Auftreten im Zweikampf gefällt mir dagegen schon richtig gut: Während Codemasters in seinen Rennspielen die Konkurrenz oft zu ruppig ans Werk gehen lässt, hat Evolution eine bessere Balance zwischen Aggression und Fairness gefunden. Hier geht es bei Rangeleien zwar auch hart zur Sache und es wird Lack zwischen den Boliden getauscht, aber über eine ausgeprägte Abschuss-Mentalität verfügen die Fahrer zum Glück nicht. Zudem muss man sich über Schäden keine großen Gedanken machen: Kollisionen bringen lediglich Kratzer und Beulen mit sich, doch Auswirkungen auf die Fahrphysik muss man nicht befürchten.

Auch der Innenraum der Autos wird komplett modelliert.
Das Modell haben die Entwickler bewusst als eine Mischung aus Anspruch und Fahrspaß angelegt. Zwar verwertet man als Basis meist Daten, die direkt von den Autoherstellern stammen, doch werden die Werte anschließend von den Designern angepasst, um das PS-Erlebnis zugänglicher zu machen. DriveClub will keine Simulation sein – der Verzicht auf optionale Fahrhilfen, Setup- oder Tuningoptionen unterstreicht den Ansatz. Hier starten alle unter den gleichen Voraussetzungen – nur Spieler mit einem Lenkrad bekommen die Möglichkeit, den Anspruch minimal zu erhöhen. Doch auch Pad-Raser müssen keine Fahrt wie auf Schienen befürchten: Die Fahrphysik erinnert mehr an Project Gotham Racing als ein Burnout, auch wenn das herausragende Niveau von Bizarre Creations hier nicht ganz erreicht wird. Trotzdem muss man ein gewisses Gefühl für Gas und Bremse beweisen, wenn man PS-Schleudern wie den Ferrari F12 Berlinetta, McLaren 12C oder einen RUF RT12 unfallfrei über die abwechslungsreichen Fantasie-Kurse bewegen will, die von realen Schauplätzen in Chile, Kanada, Indien, Schottland und Norwegen inspiriert wurden. DriveClub soll sich realistisch anfühlen und trotzdem zugänglich sein – ein Spagat, den dieses Fahrmodell überraschend gut meistert. Leider steht noch nicht fest, welche Lenkräder man unterstützen wird, doch befindet man sich bereits in Gesprächen, damit Spieler auch ihre PS2/PS3-Geräte weiter nutzen können. Eine alternative Lenkung via Bewegungssensoren ist dagegen schon beschlossene Sache.

Mischung aus Anspruch und Fahrspaß

Dank dynamischer Beleuchtung ist man nicht nur zu einer festgelegten Tageszeit unterwegs, sondern kann sich auch in Nachtrennen stürzen oder im manuellen Zeitraffer verfolgen, wie die Sonne am Himmel wandert und die Schatten länger werden. Zudem trifft man auf verschiedene Witterungen, die von sonnig über bedeckt bis hin zu stürmisch reichen. Dabei werden viele Ereignisse dynamisch generiert, so dass man in manchen Rennen durch die schottischen Berglandschaften manchmal die Polarlichter erblicken kann, in anderen dagegen nicht. Ein dynamisches Wettersystem oder Regenrennen werden leider genauso wenig geboten wie Offroad-Rennen durch die Pampa. Trotzdem brettert man auf den A-B- und Rundstrecken über mehr als 30 Oberflächen mit unterschiedlicher Bodenhaftung. Grafisch erreicht man zwar trotz der Festlegung auf 30 Bilder pro Sekunde nicht ganz das Niveau eines Forza Motorsport 5, doch lässt sich das angesichts des gebotenen Tag-/Nachtwechsels durchaus verschmerzen, zumal das Spiel trotzdem noch hervorragend aussieht. Auch das Geschwindigkeitsgefühl ist exzellent, wobei der Einsatz von MotionBlur-Effekten sicher seinen Teil dazu beiträgt.  

Tag- und Nachtrennen

Jeder Club darf eine eigenes Logo und eine individuelle Lackierung entwerfen.
Die wahren Stars sind aber die 50 aufwändig modellierten Boliden, die in fünf Leistungsklassen aufgeteilt werden. Unter den Hot Hatches befinden sich Wagen vom Schlag eines Golf GTI oder Renault Clio RS, während man bei den Sportwagen bereits in einem BMW 1er M Coupe Platz nehmen darf. In den Klassen Performance, Super und Hyper warten schließlich Schmuckstücke von Pagani, Ferrari, Koenigsegg & Co, wobei jeder von ihnen individuelle Werte in den Bereichen Beschleunigung, Geschwindigkeit, Handling und Drift aufweist. Bis man sich einen der Traumwagen in die Garage stellen darf, muss man sich allerdings erst viele Ruhmespunkte erspielen...oder schaltet ihn gegen echtes Geld vorzeitig frei. Da man sich über Preise noch nicht geäußert hat, halte ich mich an dieser Stelle noch zurück, mich wieder über Mikrotransaktionen aufzuregen. Immerhin wird man hier nicht gegängelt und so lange man keine künstlichen Hürden innerhalb der Karriere schafft oder sich Vorteile erkaufen darf, kann ich mit dem optionalen Angebot leben. Übrigens will man sich bei den Mikrotransaktionen auf das vorzeitige Freischalten von Fahrzeugen beschränken – Boosts für mehr Karriere- und Clubpunkte soll es laut Paul Rustchynsky nicht geben.

Detailverliebte Modelle

Die dynamische Beleuchtung erlaubt auch Nachtrennen und Wechsel im Zeitraffer.
Beim Studiobesuch wurde deutlich, mit viel viel Liebe zum Detail die Flitzer gestaltet werden – bis zu sieben Monate vergehen, bis das virtuelle Abbild entsteht. Schade nur, dass es hier keinen Modus im Stil von Forzavista gibt, in dem man die Boliden genau unter die Lupe nehmen und dabei die Detailversessenheit der Entwickler würdigen könnte. Nicht einmal ein Fotomodus wird geboten und auch von Wiederholungen fehlt noch jede Spur.  

Doch die Fahrzeuge sehen nicht nur fantastisch aus – sie röhren auch beeindruckend aus den Lautsprechern. Mit 16 Mikrofonen haben die Audio-Designer versucht, die Motorenklänge jedes Wagens originalgetreu einzufangen und neue Maßstäbe zu setzen. Das Ergebnis der aufwändigen Arbeit kann sich wahrlich hören lassen: Schon bei einer Kamerafahrt vom Heck an die Front verändert sich das Klangbild. Wechselt man in die gelungene Cockpit- oder die übersichtliche Dashboard-Ansicht, dröhnen die Motoren schon deutlich gedämpfter – was für ein Ohrenschmaus! Hier wird Forza Motorsport 5 als bisherige Referenz im Audio-Bereich locker erreicht, wenn nicht sogar übertroffen. Alleine für DriveClub hat das Studio so viel Material aufgenommen, dass man sieben Tage lang ununterbrochen beschäftigt wäre, sich alle Aufnahmen am Stück anzuhören. Was würde wohl Kazunori Yamauchi dafür geben, die wertvolle Sample-Bibliothek für ein zukünftiges Gran Turismo nutzen zu dürfen? Keine Chance: Evolution sieht keinen Grund, warum man die Technologie und das hart erarbeitete Material mit anderen Entwicklern teilen sollte – auch nicht innerhalb der Sony-Familie.

Ausblick

Ich freue mich jetzt noch mehr auf DriveClub! Sich als Team den Herausforderungen zu stellen und mit vereinten Kräften die Durchschnittswerte zu verbessern, verspricht jede Menge Spaß und Dramatik, wenn am Ende um Tausendstel gekämpft wird. Die Einbindung der sozialen Elemente sowie die durchdachte Navigation durch die Menüs sind überaus gelungen und auch technisch hat das Rennspiel mit wunderschönen Landschaften, detaillierten Fahrzeugmodellen und grandiosen Motorenklängen viel zu bieten. Nicht zu vergessen die Fahrphysik: Zwar hätte ich individuelle Anpassungen begrüßt, doch kann ich mich auch mit dieser guten Mischung aus Anspruch und Fahrspaß anfreunden. Nur im KI-Bereich hat Evolution noch Arbeit vor sich, denn bisher schwankt die Balance noch zu stark und die Gummiband-Tendenzen sollte man bis zur Veröffentlichung im Oktober ebenfalls noch minimieren oder ganz verhindern.

Eindruck: sehr gut