Project CARS - Vorschau, Rennspiel, 360, PlayStation3, Wii_U, OculusRift, PlayStationVR, HTCVive, PlayStation4, VirtualReality, XboxOne, PC

Project CARS
30.01.2015, Michael Krosta

Vorschau: Project CARS

Die Community-Rennsimulation

Während die Unterstützer der schwarmfinanzierten Rennsimulation Project Cars (ab 14,99€ bei kaufen) in regelmäßigen Abständen mit neuen Vorab-Versionen am PC versorgt werden, hatte es die Presse deutlich schwerer, sich für erste Probefahrten zu qualifizieren. Doch jetzt gewährte Publisher Bandai Namco nicht nur Einblicke in den aktuellen Stand der PC-Version, sondern auch in die Version für die PS4.

Ihr wollt wissen, auf welchen Strecken man abseits bereits bestätigter Kurse wie Laguna Seca, Hockenheim oder Imola so alles Gas geben kann? Euch interessieren Spielmodi abseits einzelner Rennwochenenden oder dem Zeitfahren? Ist es für euch wichtig zu erfahren, ob es Boxenstopps geben wird oder nicht? Dann muss ich euch leider enttäuschen. Denn die Slightly Mad Studios haben sich in letzter Sekunde dazu entschlossen, der Presse einen kleinen Maulkorb zu verpassen. Dabei schienen die künstlichen Einschränkungen für die Berichterstattung selten so bescheuert zu sein wie hier: Ich darf z.B. die Nordschleife nicht einmal erwähnen und verrate euch jetzt nicht, ob sie im Spiel überhaupt existiert oder nicht. Oder wie nah sie an der Realität ist , auch wenn sie vielleicht nur unter dem Namen "Eifelwald" den Weg in die Auswahl finden sollte. Vielleicht , vielleicht aber auch nicht . Gut, dass es im Netz von den zahlreichen Unterstützern überhaupt keine Videos oder Infos in Foren gibt. Bewegtbilder aus einer Karriere (...die ich offiziell nicht erwähnen darf, obwohl man selbst auf der offiziellen Seite schon etwas dazu lesen kann), von Besuchen an der Box , der Integration von Karts oder Ausschnitte aus Online-Rennen muss man ebenfalls mit der Lupe suchen, weil niemand , wirklich NIEMAND etwas dazu sagt oder Videomaterial online stellt . Nicht einmal die Entwickler selbst haben jemals Pit Stops bei der offiziellen Spielbeschreibung in Aussicht gestellt.

Sag kein Wort

Aufwändig modellierte Boliden, schöne Landschaften und Lichteffekte: Fürs Auge wird viel geboten.
Sei's drum, dann machen wir diesen Embargo-Unsinn eben mit. Von mir erfahrt ihr kein Wort darüber, dass ich mit Vollgas über den Eifelkurs geprescht bin und man mit abgefahrenen Reifen sowie leerem Tank früher oder später seinen Mechanikern einen Besuch abstattet. Keine Eindrücke von der Karriere, in die das Sim Racer Magazin eingebunden ist und die sich um das Erreichen von drei historischen Zielen dreht, bei denen der Spieler selbst entscheidet, welchen Weg er dafür einschlägt. Nichts, nada. Und von den Karts und Super Karts habt ihr von mir genauso wenig gehört wie von Slightly Mad selbst . Also pssssssssssst. Zumindest darf ich über das schreiben, was in erster Linie zählt: das Fahrgefühl. Aber dazu später mehr. Gerade bei PS4-Rennfahrern ist die Sehnsucht nach einer anspruchsvollen Rennsimulation groß: Mit Gran Turismo 7 in unangekündigter Entfernung und dem eher arcadig ausgerichteten DriveClub klafft auf der Sony-Konsole seit ihrem Start eine riesige Lücke – eine, die bei Microsoft auf der Xbox One dank Forza Motorsport 5 gar nicht erst entstand. Trotzdem hat auch das Microsoft-Fahrerlager allen Grund, sich auf Project Cars zu freuen...

Denn wo Turn 10 mit Forza in den Meisterschaften lieber auf kurze Rennen setzt und auf viele zentrale Elemente des realen Motorsports verzichtet, bekommt man hier das volle Racing-Programm: Komplette Wochenenden mit Training und Qualifikation, reale Flaggenregeln, dynamisch wechselnde Witterungen und Tageszeiten, Reifenverschleiß, Benzinverbrauch sowie einen Boxenfunk, der bei der PS4 sogar aus dem Lautsprecher des Controllers quäkt – cool! Alleine die Tatsache, dass ich hier einen Frühstart fabrizieren kann und eine schnelle Reaktion wieder etwas zählt, sobald die Ampel auf Grün schaltet, zaubert mir schon ein kleines Lächeln ins Gesicht. Auch beim Setup scheint man den authentischen Anspruch unterstreichen zu wollen, denn genau wie z.B. bei Assetto Corsa sind an den Schiebereglern feinste Abstimmungen an Fahrwerk, Aerodynamik & Co möglich. Und genau wie dort lassen sich auch die Bildschirmanzeigen nach eigenem Gusto anpassen und verschieben.

Echter Motorsport

Mit Vollgas geht es über die Gerade.
Das Fahrerfeld versetzt mich dann endgültig in Verzückung: Wo sich bei Gran Turismo 6 höchstens 16 Gegner tummeln und selbst ein Forza Motorsport 5 trotz überlegener Hardware-Power nicht darüber hinaus gehen kann oder will, füllt Slightly Mad die Pisten je nach Schauplatz mit über 40 Fahrzeugen – und das nicht nur am PC, sondern auch auf der PS4, wobei die maximale Anzahl bei Ersterem am Ende höher liegen dürfte als auf den Konsolen! Zwar legt die skalierbare Konkurrenz hin und wieder die aus Need for Speed: Shift bekannte Rambo-Attitüde an den Tag, aber es ist beeindruckend und gleichzeitig fordernd, sich durch einen so gewaltigen Pulk an Boliden kämpfen zu müssen. Daneben gibt es eine weitere Parallele zu den Ablegern der EA-Reihe, die bekanntlich ebenfalls von Slighly Mad stammen: Die intensive Helmsicht mit zunehmender Unschärfe und Kopfbewegungen wird hier ebenfalls als Alternative zur gelungenen Cockpit- und anderen Kameraperspektiven angeboten. Kommt dann auch noch Regen hinzu, wird die Inszenierung ähnlich spektakulär wie bei den Formel-Eins-Spielen aus dem Hause Codemasters.

Die bisher etwa 70 verfügbaren Boliden, darunter u.a. Sportwagen wie der Audi R8, flotte Le-Mans-Prototypen (LMP), Formel-Flitzer oder Serienschleuder wie der Ford Focus RS, sind in verschiedene Klassen unterteilt. Schön: Während man sich in vielen anderen Rennspielen den Weg zu den leistungsfähigen Exemplaren erst mühsam freispielen muss, steht der gesamte Fuhrpark hier von Anfang an allen Hobby-Piloten offen.

Guter Fuhrpark

Die Fahrzeuge wurden nicht nur aufwändig modelliert (hallo Fotomodus!) und verfügen über erfreulich kernige Motorenklänge, die manchmal allerdings übertrieben spektakulär aus den Lautsprechern dröhnen. Auch die Fahrphysik überzeugt durch einen angenehm hohen Anspruch und viele Anpassungen bei den Fahrhilfen, wirkt allerdings noch nicht so rund wie bei Assetto Corsa und leidet aktuell noch an seltsamen Aussetzern. Vor allem das Force Feedback an meinem Fanatec-Lenkrad hat mich noch nicht überzeugt: Zwar erlauben die Optionen zahlreiche Anpassungen, doch zum einen variiert die Qualität der Vibrationen je nach gewähltem Modell extrem stark und zum anderen kommt vor allem das Feedback beim Fahren über die Kerbs oder bei Berührungen viel zu kurz. Vielleicht muss ich mich noch intensiver mit den Einstellungen im Spiel und am Lenkrad auseinandersetzen, aber zumindest „von Haus aus“ liegen zwischen dem Force Feedback von Project Cars und dem Pendant von Assetto Corsa derzeit

Karts? Habt ihr irgendwo Karts gesehn?
noch Welten. Die Controller-Steuerung geht als Alternative in Ordnung, aber trotzdem wird schnell klar, dass das Spiel auch an der PS4 in erster Linie für das Fahren mit einem Lenkrad konzipiert wurde. Vor allem, wenn man sich ohne Hilfen auf den Asphalt wagt, entpuppt sich der DualShock endgültig als zweite Wahl – auch deshalb, weil er auf Lenkeingaben sehr sensibel reagiert.

Ja, schick sieht es schon aus! Nicht nur die Boliden, auch die Umgebungen haben vor allem dank der aufwändigen Lichteffekte viel fürs Auge zu bieten, doch wird das grafische Niveau eines Forza Motorsport 5 weder auf der PS4 noch auf dem PC erreicht. Im Gegenzug sollte man aber immer im Hinterkopf behalten, dass auf den Pisten von Project Cars deutlich mehr los ist als bei einem Forza oder DriveClub. Angesichts dessen muss man den Entwicklern auf jeden Fall jetzt schon Respekt zollen, was sie aus den Grafikchips herauskitzeln. Auf der PS4 ist das selbst gesetzt Ziel von 60 Bildern pro Sekunde allerdings noch nicht ganz erreicht: Je nach Strecke und der Anzahl an Fahrzeugen sinkt die Bildrate noch spürbar ab. Auf dem PC dürfte man Assetto Corsa den Titel für die schönste Rennsimulation dagegen bald schon wieder entreißen – Project Cars sieht einfach fantastisch aus, egal ob bei Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenschein.

Erstaunliche Grafik-PS

Ausblick

Bei Forza Motorsport ärgere ich mich jedes Mal aufs Neue, dass man sich bei Turn 10 weigert, klassische Rennwochenenden inklusive Boxenstopps anzubieten. Und auch bei Gran Turismo konzentriert man sich überwiegend auf kurze Racing-Snacks. Project Cars schickt sich dagegen an, realen Motorsport zu zelebrieren – und macht dabei bisher eine richtig gute Figur. Vor allem das enorm große Starterfeld hat es mir neben den grafischen Qualitäten angetan, obwohl das Verhalten der KI noch zu wünschen übrig lässt. Neben technischen Macken auf der PS4 muss Slightly Mad aber noch bei der Physik und dem Force Feedback nachbessern. Gerade im Vergleich zu Assetto Corsa fühlt sich das Fahren hier noch nicht so rund an und die Rückmeldungen vom Lenkrad sind zu bescheiden. Trotzdem hat Project Cars nicht nur das Zeug dazu, die erste gelungene Rennsimulation für die PS4 zu werden, sondern auch Forza Motorsport (und auch einem zukünftigen Gran Turismo) gehörig Dampf zu machen. Am PC dürfte dieses Unterfangen aufgrund der starken Konkurrenz deutlich schwieriger werden, doch hinsichtlich Technik und Umfang hat man auch hier gute Karten, vorne mitzufahren.

Einschätzung: gut