ANNO 2205 - Vorschau, Taktik & Strategie, PC

ANNO 2205
29.07.2015, Marcel Kleffmann

Vorschau: ANNO 2205

Die vernetzte Stadtzukunft

Mit ANNO 2205 (ab 5,89€ bei kaufen) geht es noch weiter in die Zukunft. Ecos und Tycoons aus ANNO 2070 sind zum Glück Geschichte und obwohl man diesmal mehrere Städte parallel errichten darf, wurde der Aufbaukern kaum angetastet. Trotzdem hat Ubisoft Blue Byte an der Stadtdynamik und der Produktion geschraubt. Es ist zugänglicher, transparenter und rasanter geworden. Aber ist es damit auch besser?

Autos fliegen gemütlich an gläsernen Wolkenkratzern vorbei und an der platzfressenden Metro-Station fahren die ersten Hochgeschwindigkeitszüge ein, während sich weit im Hintergrund der dritte Abbauarm des Siliziumbergwerks tief in den Fels frisst. Es steht außer Frage: Die futuristischen Siedlungen bei ANNO 2205 sehen einfach toll aus und wirken dank hektischer Betriebsamkeit der Einwohner erfrischend belebt …

Nein, in dem Aufbau-/Wirtschaftsstrategiespiel gibt es keine typische Unterteilung in die Story-Kampagne und den Endlosmodus. Beides wurde in einem großen Spielmodus fusioniert, der über eine Weltkarte gesteuert wird. Auf dieser Weltkarte gibt es mehrere markierte Positionen auf der Erde und dem Mond, an denen Städte gebaut werden können.

Die schillernde und blitzblank polierte Fassade der futuristischen Großstadt.
Der Clou: Man kann nicht nur eine Stadt bauen, sondern prinzipiell mehrere Städte in unterschiedlichen Regionen parallel betreiben und jederzeit zwischen den Siedlungen hin- und herspringen - dabei laufen Produktion und Co. in den nicht aktiv gespielten Partien im Hintergrund weiter. Das System erinnert ein wenig an die Nachbarschaften aus SimCity, nur dass diesmal keine mysteriöse "Cloud" für "Berechnungen" benötigt wird und man nicht online sein muss.

Die vernetzte Stadtzukunft

Man spielt also nicht mehr auf einer Karte mit vielen Inseln wie bei den Vorgängern, sondern kann mehrere Städte gleichzeitig verwalten, die wiederum untereinander handeln können. Angenommen meine erste Stadt wächst und gedeiht, aber ich möchte eine zweite Siedlung gründen, dann kann die erste Stadt mit Waren- und Rohstoffsiedlungen dafür sorgen, dass die neue Stadt schneller in die Gänge kommt. Ähnlich sieht es bei der Eroberung des Mondes aus. Auf dem Trabanten lassen sich exotische Rohstoffe abbauen und diese werden dann an die gewünschte Erdstadt geschickt. Irgendwann (viel) später lassen sich die Produktionskreisläufe soweit ausbauen, dass eine große Stadt ohne Produktionsstätten auf der eigenen Karte auskommt und sämtliche Bedürfnisse durch Waren- und Ressourcen-Lieferungen abgedeckt werden.

Bedingt durch dieses neue System sind Handels- bzw. Transportrouten zwischen den Inseln auf einer Karte weitgehend passé, denn Rohstoffe und Produkte werden zwischen den einzelnen Städten oder "Sessions" (wie Ubisoft es nennt) hin- und hergeschippert. Waren- und Rohstoffe innerhalb einer Stadt werden durch das neue Logistiksystem transportiert,

Die größte Karte in ANNO 2205 soll fünfmal so groß sein wie die größte Karte in ANNO 2070.
das im Grunde genommen dem vorherigen System aus Markthäusern, Marktkarren und Straßenverbindungen entspricht und diesmal transparenter umgesetzt wurde, doch dazu später mehr.

Transportrouten und Geschichten

Auf Story-Missionen und den Kontakt mit Nicht-Spieler-Charakteren muss nicht verzichtet werden. Auf jeder Karte befindet sich ein NPC-Händler und zwischendurch sollen immer wieder kleine Quests erscheinen, die es zu erfüllen gilt, sofern gewünscht. Auch eine Geschichte in Form von mehreren Quests rund um die Eroberung des Mondes ist vorgesehen – näher eingegangen wurde darauf jedoch nicht. Fest steht, dass man die Story komplett links liegen lassen und sich stattdessen auf den Aufbau der Städte konzentrieren kann - wenn gewünscht.

Auffällig ist, dass in den Sektoren die Computergegner fehlen - also praktisch keine direkten Kontrahenten vorhanden sind. Es wird praktisch alleine gesiedelt. Was sich Ubisoft Blue Byte in dem Bereich ausgedacht hat, wollten sie bisher nicht verraten, aber auf der Weltkarte waren neben den markierten Erde- und Mond-Sektoren einige rote Markierungen zu sehen. Vielleicht gibt es separate Zonen, in denen gezielt mit Mitstreitern um Ressourcen gefochten wird oder Seeschlachten ausgetragen werden (Spekulation).

Trotz aller Neuerungen und Veränderungen fühlt sich der Aufbau einer Stadt ziemlich stark nach einem typischen ANNO-Spiel an – und sieht auch so aus, denn jedes Gebäude braucht einen Straßenanschluss und dementsprechend ergibt sich die typische ANNO-Siedlungsform. Neu ist jedoch, dass der ehemalige Siedlungskern, der Marktplatz, wegfällt. Stattdessen beginnt der Siedlungsbau sofort mit der Errichtung der Wohnhäuser.

Gewohnt und doch anders

Jeder Einwohner hat je nach Entwicklungsstufe verschiedene Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Die erste und niedrigste Stufe sind die Arbeiter, die mit Wasser, Reis und Information versorgt werden müssen. Wasser erhält man durch Meerwasserentsalzungsanlagen, die an bestimmten Positionen an der Küste errichtet werden können. Reis entsteht auf entsprechenden Farmen und dabei dürfen die Felder manuell platziert werden. Das Bedürfnis nach Information wird durch das Gebäude "Medienzentrum" gestillt. Allerdings haben solche Gebäude keinen Einfluss- oder Wirkungsradius mehr, wie z.B. bei den Kirchen in ANNO 1404. Die Versorgung mit "Information" geschieht über das gebaute Straßensystem und wie weit die Abdeckung der Wohngebäude mit diesem Bedürfnis reicht, wird anhand der Straßen visualisiert. Wurde das Medienzentrum z.B. ausgewählt, sind alle Straßen (und damit auch die

Auf der linken Seite und der kleineren Insel in der Mitte befinden sich die Wohngebäude. Rechts und unten sind die Produktionsstätten zu sehen. Die Gebäude mit den drei runden Auslegern im Wasser sind die Entsalzungsanlagen. Brücken soll man übrigens an vorgegebenen Orten selbst errichten können.
angrenzenden Häuser) grün markiert, wenn sie vollständig versorgt werden. Und da dieses Gebäude nur eine bestimmte Zahl an Menschen versorgen kann, ist es später erforderlich, weitere Bauwerke dieser Art hochzuziehen. Das Medienzentrum bevorzugt bei der Versorgung übrigens Wohngebäude, die näher am Medienzentrum gelegen sind. Dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, dass "Information" über Straßen verteilt werden.

Wurden diese drei Grundbedürfnisse gestillt, können die Arbeiter eine Stufe aufsteigen und werden zu "Operators" – diesmal kann man die Aufstiegsrechte gleich in einem ganzen Gebiet freigeben. "Operators" wünschen sich Vitamindrinks, Verjüngungsinjektionen, Neurogläser und Sicherheit. Während Sicherheit von einem Gebäude (Polizeistation) gewährleistet wird, müssen die anderen Produkte mit stetig komplexer werdenden Produktionskette hergestellt werden. Wurden alle Bedürfnisse gedeckt, geht es weiter mit den "Executives". Die höchste Bevölkerungsstufe sind die Magnaten. Und um diese anspruchsvollen Bewohner zufriedenzustellen, müssen Rohstoffe vom Mond beschafft

Die Eroberung einer neuen Welt: Diesmal dürfen seltene und wertvolle Rohstoffe von der Mondoberfläche abgebaut werden.
werden.

Schafft ihr mit dem Ausbau des "Spaceports" (das Verbindungselement aller Städte) den Sprung auf die Mondoberfläche, können dort weitere Städte als Kolonien errichtet werden. Ubisoft verspricht, dass sich das Spiel dort anders anfühlen soll als auf der Erde - vergleichbar mit einer erweiterten Orient- oder Tech-Fraktion aus ANNO 1404 bzw. 2070, aber soweit reichte die ANNO-Demo nicht, die ich spielen konnte. Zusätzlich zu den normalen Wohngebäuden für die "Mondmenschen" müssen dort Schildgeneratoren zum Schutz vor Asteroideneinschlägen errichtet werden. Ansonsten darf man dort "Aero Farmen" sowie das "Lunar Transportation System" bauen und Abbaustationen für Titanium, Iridium, Mondeis, Helium 3 und andere futuristische Dinge hochziehen.

Der Mond!

Jede Stadt bzw. jeder Sektor verfügt neben Rohstoffen wie Silizium oder angelegten Sonnenblumenfeldern über drei allgemeine Ressourcen, ohne die die Produktion überhaupt nicht funktionieren würde: Logistik, Arbeitskraft und Energie. Energie wird zum Betrieb von Fabriken und Infrastrukturbauwerken benötigt und lässt sich z.B. mithilfe von Gezeitenkraftwerken oder Windkraftanlagen produzieren - oder man importiert Energie aus einem anderen Sektor. Die Zahl der freien Arbeiter (Arbeitskraft) fußt auf der Einwohnerzahl pro Stadt - ohne freie Arbeiter können neu errichtete Produktionsstätten z.B. nicht effektiv funktionieren. Bei der Logistikkapazität sieht es ähnlich aus. Jedes Produktionsgebäude verschlingt etwas "Logistik", schließlich müssen die hergestellten Waren irgendwie ins sektorenweite Lager überführt werden. Ohne ausreichend Logistik kommt der Transport ins Stocken. Mit weiteren Logistikzentren kann die Anzahl der verfügbaren Logistik erhöht werden.

Produktionskapazitäten und Upgrades

Nahezu jedes Produktionsgebäude kann mit An- oder Ausbauten erweitert werden - ähnlich wie manche Gebäude beim jüngsten SimCity. Die Effektivität

In der Nahansicht werden zahlreiche Details sichtbar: Menschen laufen umher, Fahrzeuge schweben über die Straßen und die Bewässerungsanlagen gießen die Pflanzen. Zusätzlich zum Postkarten-Modus soll man diesmal auch kleine Kameraflüge über die Karte erstellen können.
der Anlage lässt sich beispielsweise erhöhen, indem man der Siliziummine einen weiteren "Abbauarm" spendiert oder die Meerwasserentsalzungsanlage mit einem weiteren Ausleger ergänzt. Weitere Anbauten beeinflussen den Verbrauch der drei allgemeinen Ressourcen: Mit einem angebauten Depot wird weniger Logistik benötigt, mit Dronen sind weniger Arbeiter erforderlich und mit einer hauseigenen Energieanlage wird weniger Energie aus dem Sektor gebraucht. Da die Anzahl der möglichen Anbauten begrenzt ist, muss man sich entscheiden, was man baut.

Generell spielt sich der Stadtaufbau wie ein typisches Spiel aus der ANNO-Familie. Straßen, Häuser und Produktionsstätten werden wie gewohnt gebaut und schrittweise die Bedürfnisse der Einwohner gestillt, aber hier und da merkt man leichte Vereinfachungen, vor allem durch die allgemeinen Ressourcen, die das

Der ausbaubare Raumhafen ist der Ankerpunkt jeder Stadt - egal ob auf der Erde oder dem Mond. Auch der Transport von Waren und Energie wird dort abgewickelt.
Wirtschaftssystem transparenter machen. Auffällig war jedoch, dass das Spieltempo im Vergleich zu den Vorgängern angezogen wurde. Obwohl die Geschwindigkeit zu Präsentationszwecken der Alpha-Version erhöht war, soll auch das fertige Spiel ein bisschen schneller daherkommen - vor allem bei den niedrigen Bevölkerungsstufen.

Wie spielt es sich? Etwas zügiger!

Zu möglichen Mehrspieler-Varianten oder Koop-Geschichten wollten sich die Entwickler bisher nicht äußern. Versprochen wurde, dass keine Mikrotransaktionen vorgesehen seien und man nicht permanent online sein müsse, um ANNO 2205 spielen zu können. Ein U-Play-Account zur einmaligen Registrierung ist dennoch erforderlich.

Ausblick

Ist das noch ANNO? Ja, ist es! ANNO 2205 gefällt mir in seinem frühen Stadium schon besser als ANNO 2070, denn es wirkt runder und durchdachter als der Vorgänger - zumal auf die Fraktionen verzichtet wurden, die damals nur marginale Unterschiede in der Spielweise aufwiesen. Auch das höhere Spieltempo in den niedrigen Entwicklungsstufen begrüße ich, da man diese Stufen durch den parallelen Stadtaufbau ohnehin mehrfach durchlaufen muss. Sehr gelungen sind das praktische Ausbausystem der Gebäude, diverse Komfortfunktionen und die inselweiten allgemeinen Ressourcen wie Logistik, Energie und Arbeitskraft, sofern man nicht zu sehr dem fehlenden Stadtzentrum oder den Markthäusern und ihren Karren hinterhertrauert. Dadurch ist ANNO 2205 zwar zugänglicher und transparenter beim grundlegenden Wirtschaftssystem geworden, aber keinesfalls schlechter. Trotzdem beschäftigen mich noch viele Fragezeichen, die letztendlich den Ersteindruck etwas dämpfen: Was ist mit den Computergegnern? Kann man irgendwo kämpfen? Sind die letzten Ressourcenketten und Bauprojekte komplex genug? Gibt es am Ende gigantische Bauprojekte? Ist der Siedlungsbau auf dem Mond wirklich anders als auf der Erde? Was ist mit dem Mehrspieler-Modus? Was darf man in den Quests machen? Viele Fragen sind bis Anfang November noch zu klären und hoffentlich wird bis dahin alles fertig …

Einschätzung: gut