Distance - Vorschau, Rennspiel, PlayStation4, PlayStation4Pro, PC, PlayStationVR, HTCVive, OculusRift

Distance
26.01.2016, Jan Wöbbeking

Vorschau: Distance

Trackmania im Neonlook?

Steilkurven, Loopings und tödliche Laser: Entwickler Refract versetzt das Trackmania-Konzept in eine mit Fallen gespickte Neonwelt. In unseren ersten Spielstunden herrschte bereits akute Suchtgefahr. Ein Geheimtipp für Vierrad-Akrobaten auf PC und PS4?

Vor gut einem Jahr startete Distance in Steams Early-Access-Programm – mittlerweile wirken die futuristischen Stunt-Rennen schon erfreulich poliert und technisch sauber. Ähnlich wie im Arcade-Rennspiel Trackmania düst ein Vehikel mit einsteigerfreundlicher Steuerung über halsbrecherische Rampen, durch Loopings und sich windende Streckengebilde. Um den Zieleinlauf nicht zu einfach zu machen, müssen allerlei fiese Fallen wie bewegliche Kreissägen oder fette Laserstrahlen umgangen werden. Passend dazu glüht die Welt im futuristischen Neon-Design. Wer möchte, kann den etwas faden Elektro-Soundtrack auch mit eigenen mp3s ersetzen, damit die Welt im Takt pulsiert – die Musik bleibt hier trotzdem nur eine Nebensache.

Rasen, fliegen, basteln

Größer, besser, bunter: Distance ist der mit Kickstarter und Early-Access finanzierte Nachfolger zum kostenlos erhältlichen Indie-Experiment "Nitronic Rush".
Spielerisch dreht sich alles darum, möglichst schnell an den Fallen vorbei ins Ziel zu düsen – und nebenbei noch ein paar einfache Tricks vom Stapel zu lassen. Salti und andere Überschläge kühlen nämlich den Motor ab, der mir bei exzessivem Nitro-Einsatz sonst um die Ohren fliegen würde. Auch Checkpoint-Ringe kühlen die Maschine, so dass der Boost danach wieder voll aufgeladen ist. Bevor ich mich mit solchen Feinheiten beschäftige, um noch die letzten Sekunden aus einem Kurs zu quetschen, muss ich ihn aber erst einmal überleben und einen möglichst effektiven Weg finden. Immer wieder gibt es Sprünge zu alternativen Abkürzungen oder Abgründen, über denen ich die Flügel ausklappe, um wie ein Düsenjet hinüberzugleiten. Auch hier überhitzt die Maschine schnell, was geschickt ins Streckendesign eingebaut wurde: Immer wieder kann ich einfach an eine Steilwand springen und seitlich an der Schlucht vorbei rasen, um den empfindlichen Motor zu schonen. Außerdem lässt sich auf Rädern mehr Schwung ausnutzen als beim langsamen Gleiten.

Als alter Ridge-Racer-Fan war ich zunächst ein wenig enttäuscht, dass die Handhabung so schlicht ausfällt und nicht einmal eine Handbremse zum stilvollen Driften eingebaut wurde. Zur Not lässt sich das Auto aber auch mit der gewöhnlichen Bremse durch die Kurve schleudern. Andererseits bleibt das Spiel so sehr zugänglich: Einsteiger und Trackmania-Fans brauchen keine Berührungsängste zu hegen und können sofort loslegen. Doch auch Könner kommen auf ihre Kosten: Unter den zahlreichen Kursen von Entwicklern und Community gibt es schon einige richtig knackige Exemplare, auf denen jeder Sprung sitzen muss und schon kleine Schlenker in den Abgrund führen können. Landet mein Auto in einer Kreissäge oder einem Laser, eiert danach nur noch eine abgesäbelte Hälfte der Karosserie über den Kurs, die sich allerdings noch erstaunlich gut navigieren lässt. Ein paar Sekunden später repariert der Checkpoint das Vehikel – oder ich jage es einfach in die Luft, um neu durchzustarten. Schon nach wenigen Minuten schlug bei mir die Sucht eiskalt zu. Ähnlich wie Trackmania ist auch Distance eines dieser Spiele, die man einfach nicht beiseite legen kann.

Gleiten statt driften

Vorsicht, Falle: Entwickler Refract nennt sein Spiel nicht ohne Grund einen "Survival-Racer".
Immer wieder geisterte der perfekte Lauf durch meinen Kopf: Diesmal habe ich das Lasergitter durchschaut! Diesmal springe ich einfach stylish durch die Mitte und lande ganz weit oben in der weltweiten Bestenliste! Kurz danach war ich natürlich doch wieder im durchgesäbelten Wrack unterwegs, was die Motivation aber nicht trüben konnte. Besonders cool ist es, sich im Netz mit bis zu drei anderen Spielern zu messen. Kaum habe ich mich über den Absturz des dämlichen Vordermanns kaputtgelacht, segle ich schon selbst wieder über die nächste Rampe hinweg. Die Entwickler hätten ihr Spiel auch "Hochmut kommt vor dem Fall" nennen können. Für Freunde lokaler Demütigungen ist übrigens auch ein Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler dabei.

Je nach Modus spielen die Tricks eine unterschiedlich große Rolle. Wer will, kann einfach im „Sprint“ um die beste Zeit fahren, einen Mix mit Stunts spielen oder sogar in einem an Tony Hawk angelehnten Trick-Modus Punkte anhäufen. Mit Letzteren bin ich bisher nicht wirklich warm geworden, weil die Stunts für dieses Prinzip einfach zu wenige Variationen bieten. Als kleine Ergänzung zu normalen Rennen eignen sich die Tricks aber bestens. Wer möchte, kann im Level-Editor selbst kreativ werden und das Ergebnis im Steam-Workshop teilen. Die Einsteigerfreundlichkeit liegt irgendwo zwischen dem unkomplizierten Trackmania-Baukasten und einem Profi-Tool. Mit dem knapp kalkulierten Kickstarter-Budget von rund 162.000 Dollar (plus Early-Access-Einnahmen) können die Refract Studios natürlich kein Editor-Wunderwerk wie in LittleBigPlanet Karting aus dem Hut zaubern. Trotzdem geben sich die Entwickler Mühe, den Streckenbau zu erleichtern: Wer sich das kurze Video-Tutorial anschaut, sollte keine allzu großen Probleme dabei haben, sich an den Baukasten zu gewöhnen. Ein Beweis dafür sind die über 1000 Nutzer-Strecken, unter denen es schon echte Perlen zu entdecken gibt. Besonders gut gefällt mir z.B. Road to Underworld von Look@it.go, weil es auf stylishe Weise alle Mechaniken und Kniffe vorführt, die in Distance für einen schönen Spielfluss sorgen. Nach einem 90-Grad-Knick rase ich die steile Straße gen Himmel hinauf, um das Vehikel an der Spitze blitzschnell umzudrehen und an der Decke weiterzudüsen.

Mit oder ohne Stunts?

Für stabile Mägen gibt es seit geraumer Zeit auch eine VR-Unterstützung.
Danach springe ich zwischen den surreal aus dem Nebel wuchernden Wolkenkratzern hin und her und fahre an ihren Glasfronten entlang, bis es endlich in die hübsch designte Hölle hinab geht. Hier weiche ich immer wieder rot glühenden Gittern und aus dem Boden ploppenden Totenkopf-Fallen aus – ein teuflisch guter Mix! Neben typischen Neon-Kursen finden sich im Steam-Workshop auch einige andere Design-Themen wie ein idyllisches Inselhüpfen oder eine Kopie einer Mario-Kart-Strecke. Wer zu faul zum Basteln ist, kann mit Hilfe der "Trackmogrify"-Funktion auch automatisch Strecken generieren - mehr dazu in diesem Trailer. Zusätzlich zum Arcade-Modus und den bereits genannten Spiel-Varianten wartet im Hauptmenü auch einen Adventure-Modus, in dem alle mitgelieferten Kurse nacheinander absolviert werden. Da es keinerlei KI-Gegner im Spiel gibt, wirkt dieser Marathon auf Dauer etwas ermüdend - der Modus soll für die Vollversion aber noch gründlich überarbeitet werden. Auch alternative Fahrzeuge oder Upgrades könnten auf Dauer für mehr Abwechslung sorgen - momentan lassen sich die Vehikel offenbar nur visuell verändern.

Highway to hell!

Ausblick

Distance ist ein Geheimtipp für Freunde akrobatischer Arcade-Rennen: Die clever designte Neonwelt mit all ihren fiesen Fallen spricht mich noch mehr an als das gute alte Trackmania. Wenn man erst einmal mit blitzschnellen Sprüngen und Überschlägen an der Decke entlangdüst, kann man gar nicht so leicht wieder aufhören. Der Flugmodus, die einfache Steuerung, die wild verdrehte Strecken – all das passt prima zusammen, um alleine oder im Multiplayer Bestzeiten zu jagen. Schade, dass ich nicht auch mit KI-Gegnern um die Wette fahren darf - und dass online erst so wenige Spieler unterwegs sind. In Anbetracht des kleinen Budgets ist es mir aber lieber, wenn sich die Entwickler auf das Wesentliche konzentrieren, statt sich mit Features und Modi zu verzetteln. Außerdem ist das ein Musterbeispiel für Early Access: Für eine Beta läuft es bereits erfreulich sauber und wurde bereits einige Male mit Feature-Updates versorgt. Die Vollversion von Distance soll noch in diesem Jahr für PC und PlayStation 4 erscheinen.

Einschätzung: gut