Divinity: Original Sin 2 - Vorschau, Rollenspiel, PlayStation4, Switch, PC, XboxOne, Mac, iPad
Wer Divinity Original Sin insbesondere in der Enhanced Edition gespielt hat, wird sich auch in der Fortsetzung schnell heimisch fühlen: Steuerung, Kulisse und freie Kameraführung wirken sehr vertraut - dieses Mal wird das Studium der Umgebung aus allen Blickwinkeln sogar noch wichtiger, wenn man alle Geheimnisse und versteckte Schätze bergen möchte. Larian setzt für Original Sin 2 auf inhaltliche sowie mechanische Evolution. Statt mit neuen Konzepten punkten zu wollen, hat sich das Team um Studiogründer Swen Vincke und Lead Designer Farhang Namdar sehr genau angeschaut, was funktioniert hat oder bei den Fans ankam und was basierend auf dem Feedback der Community verbesserungswürdig schien. Dementsprechend wird es trotz aller wiederkehrender Elemente nicht nur Optimierungen, sondern auch zahlreiche Neuerungen geben.
Vertraut und doch anders
Wichtiger als irgendwelche Klassenkorsetts sind die so genannten "Tags", mit denen jede Figur quasi charakterisiert wird. Sechs darf jeder Charakter maximal haben, teilweise werden sie von der Auswahl von z.B. dem Volk vorgegeben, teilweise wird man sich Tags durch Aktionen verdienen oder frei verteilen dürfen. "Held" könnte so ein Tag sein. Oder "Schurke". Auch "Schatzsucher" oder "Grausam" gehören zu den Attributen, mit denen die Figuren umschrieben werden. Allerdings haben diese Bestimmungen nicht nur Auswirkung auf die Erzählung. Denn je nachdem, mit welchen Tags man versehen ist, starten Gespräche mit NPCs oder dem KI-Partner der Gruppe anders und können sich in komplett unterschiedliche Richtungen entwickeln. Dementsprechend spielt es auch eine Rolle, mit wem man das Gespräch beginnt.
Und selbstverständlich wirken sich einige Folgen der Dialog-Führung auch auf das mögliche Ende aus. Da dies innerhalb der ohnehin deutlich breiter aufgestellten Erzählung zu enormen Verzweigungen führen kann, hat man in diesem Bereich personell aufgestockt.Komplexe Erzählung aus acht Federn
War bei Original Sin letztlich nur eine Person für das Skript verantwortlich, sitzen mittlerweile acht Schreiber an der Geschichte und den Dialogen, die in der endgültigen Version komplett vertont sein sollen. Und das hat Auswirkungen: Wie Namdar erklärte, habe man etwa zur Hälfte des ersten Aktes von Original Sin 2 bereits mehr Texte als im gesamten Vorgänger. Das verwundert auch insofern nicht, da das Geschehen hier satte 1000 Jahre später stattfindet, die man irgendwie irgendwo Revue passieren lässt und man sich mit seinen Figuren anderen Vorzeichen gegenübersieht. Der gesamte erzählerische Unterbau wurde neu gestaltet: Musste man in Original Sin die magische "Source" eindämmen, ist man nun ein "Sourcerer", deren Fähigkeiten nach dem Tod der Gottheit als Nebeneffekt dafür sorgen, dass Kreaturen aus der Leere in die Welt einfallen. Da die Sourcerer daher für den nahenden Untergang der Welt verantwortlich gemacht werden, muss man sich nicht nur der Gruppierung der "Göttlichen Ordnung" widersetzen, die die Sourcerer gebrandmarkt hat, sondern auch versuchen, das Mysterium aufzuklären.
Ursprung und Erweiterungen
Die Spürnasen unter den Spielern haben so einen zusätzlichen Anreiz, während die Taktiktüftler sich auf die stark erweiterten Möglichkeiten in den Gefechten freuen dürften. Ein Blick zurück: Über die Option, elementare Einflüsse in der Umgebung mit Zaubern zu erweitern, so dass sie zu neuen Kombinations-Ergebnissen mit verheerenden Folgen zu führen, waren schon in Original Sin kaum Grenzen in den mitunter harten Auseinandersetzungen gesetzt. Und jetzt darf man sich auf noch mehr Kombinationen freuen, um die Gegner einzufrieren, unter Strom zu setzen, einzuäschern und vieles mehr. Aber Vorsicht: Natürlich sind auch die Mitstreiter nicht vor den Auswirkungen dieser Elemente gefeit. Und selbstredend nutzen auch die Gegner in den hinsichtlich der Aktionspunkte überarbeiteten Rundengefechte die Umgebung zu ihrem Vorteil. Dazu zählen auch die neuen Mechaniken der Höhenunterschiede, so dass es unter Umständen Sinn ergibt, ein paar Aktionspunkte zu opfern um einerseits eine höhere Reichweite zu haben, während man andererseits ein schwerer zu treffendes Ziel abgibt. Oder auch das neue Rüstungssystem, das zwischen physischem und magischem Schaden unterscheidet, entsprechend erst "abgearbeitet" werden muss , bevor man Schaden zufügt bzw. nimmt und so
den Gefechten eine weitere Note hinzufügt. Mit hunderten neuer Fähigkeiten, Schriftrollen oder Zaubern werden die spannenden sowie auf Sichtlinien setzenden Auseinandersetzungen zusätzlich erweitert. Natürlich muss sich angesichts der potenziellen Quantität die Qualität im Detail ebenso beweisen wie die Freiheit der Figurenentwicklung, die erzählerischen Spannungsbögen oder die Option, von den Sourcerer-Fähigkeiten im Kampf Gebrauch zu machen. In den etwa zwei Stunden, die wir bislang spielen konnten, ist das Potenzial aber von Beginn an spürbar. Die Atmosphäre wird übrigens auch wieder vom sehr effektiv eingesetzten Soundtrack aufgebaut, der neuerdings von Borislav Slavov (u.a. Crysis 2 & 3, Two Worlds 2) stammt, nachdem der bisherige Komponist Kirill Pokrovsky leider verstarb. Dabei setzt man nicht nur auf sich dynamisch anpassende Melodien, sondern auch auf Akzente, die von den gespielten Charakteren abhängen: Jede Figur wird mit einem bestimmten Instrument assoziiert und wer den entscheidenden Hieb im Kampf setzt, wird im Tusch mit seinem speziellen Klangwerkzeug gewürdigt - eine nette Idee.Kleinigkeiten?
Ausblick
Original Sin war bereits auf einem ordentlichen Weg und scheiterte mit der Enhanced Edition nur denkbar knapp an Gold. Diese Hürde könnte Larian mit Divinity Original Sin 2 knacken. Basierend auf dem bewährten Fundament hat sich das Studio Gedanken gemacht, wie man die Stärken des Vorgängers ausbauen und gleichzeitig die Schwächen minimieren kann. Und ausgehend von den zwei Einstiegsstunden sowie zwei PvP-Duellen scheint das Vorhaben zu gelingen. Vor allem der Fokus auf das „Rollenspiel“ gefällt mir: Der Spieler bekommt angefangen von der Charakterkreation über die klassenfreie Entwicklung bis hin zu Problemlösungen, Umgang mit Figuren (man könnte in der Theorie jeden NPC töten) sowie Dialogen die größtmögliche Freiheit, ohne die Konsequenzen aus dem Auge verlieren zu können. Natürlich ist das bei dieser großen und für ein eigentlich düsteres Thema immer noch zu farbenfrohen Welt ein hehres Unterfangen. Und die Erzählung muss beweisen, dass sie nach den stimmungsvollen sowie abwechslungsreichen Einstiegsstunden auch langfristig zu unterhalten versteht. Doch mit Erweiterungen und Ergänzungen in jedem Spielbereich angefangen vom intensiven Runden-Kampf mit noch mehr elementaren Kombinationsmöglichkeiten über das Inventar und Crafting bis hin zu den zwölf Fähigkeitsbäumen, aus denen man seine Figur bestückt, ist Larian auf einem sehr guten Weg. Divinity Original Sin 2 geht am 15. September in die Early-Access-Phase auf Steam. Über mögliche Konsolenversionen wurden noch keine finalen Angaben gemacht.
Einschätzung: sehr gut