Sniper Elite 4 - Vorschau, Shooter, Switch, PlayStation4, XboxSeriesX, Stadia, PC, XboxOne, PlayStation5

Sniper Elite 4
19.01.2017, Mathias Oertel

Vorschau: Sniper Elite 4

Camping-Urlaub im sonnigen Italien

In wenigen Wochen ruft Rebellion wieder zu den Waffen. Nach dem Schlag gegen das Afrika Corps macht die Sniper-Elite-Serie mit Teil 4 Station in Italien, um den Nazis dort Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wir haben eine frühe Version angespielt und verraten in der Vorschau, ob die Briten aus den Fehlern des Vorgängers gelernt haben.

Bevor ich in die erste Mission von Sniper Elite 4 (ab 19,89€ bei kaufen) einsteigen konnte, ergab sich die Gelegenheit zu einem kleinen Gespräch mit Lead Designer Paul Wright von Rebellion. Was mir am Vorgänger gefallen habe, wollte er wissen - und vor allem, was nicht. Und die Antwort darauf fiel mir nicht schwer. Denn es war vor allem die KI, die in Sniper Elite 3 für Sorgenfalten verantwortlich war. Es schien, als ob die Routinen der Gegner in den linearen Schlauch-Levels der Vorgänger stecken geblieben waren und nicht für die in Teil 3 neuen offenen sowie großräumigen Gebiete optimiert wurden. Auf meine Frage, ob man in dieser Hinsicht etwas getan habe, sagte er zuerst nur lapidar "Ja", ergänzte aber schließlich: "Wir haben basierend auf dem Feedback der Spieler an vielem gearbeitet, u.a. an der KI. Mach dir am besten selbst ein Bild und sag mir später deine Meinung."

Nicht mehr so doof?

Die hauseigene Engine von Rebellion zeichnet stimmungsvolle Gebiete, die zum Schleichen, Snipern und Häuserkampf einladen.

Gesagt, getan. Nachdem ich etwas mehr als eine Stunde durch ein von der Toskana inspiriertes Gebiet geschlichen, gelaufen und gesnipert bin, blieb ein positiver Eindruck zurück. So ganz war die spielbare Version, die allerdings schon einige Wochen alt ist, zwar nicht von Fehlern der Gegner-KI gefeit, doch die Momente, in denen man wie beim Vorgänger über störendes und aus der Spielwelt reißenden Verhalten stolperte, wurden deutlich reduziert. Und Situationen, in denen man ohne Reaktion der Feinde einen nur etwa zwei Meter von seinen Kameraden stehenden Soldaten per Scharfschützengewehr ausschalten konnte, können und sollen bis zum Release noch berichtigt werden.

Sniper Elite 4 setzt quasi genau dort an, wo Teil 3 aufhörte: Die große Nazi-Gefahr in Nordafrika ist abgewendet. Karl Fairburne, amerikanischer Geheimagent und Meister-Scharfschütze in Personalunion, kann sich aber nicht auf die faule Haut legen. In Italien wartet der nächste Auftrag, der ihn über insgesamt acht Missionen auf großräumigen Karten in den Kampf gegen die deutschen Invasoren und ihre neue Geheimwaffe schickt. Rebellion hat dabei die Chance genutzt, nur für die aktuelle Generation entwickeln zu müssen und an der Kulisse der hauseigenen Engine geschraubt, die mit ihren an die Toskana erinnernden Feldern, Felslandschaften und Gemeinden bereits im ersten Abschnitt der hier spielbaren Version einen guten Eindruck hinterlässt, bei dem auch die Weitsicht eine große Rolle spielt. Auf Hakenkreuze und ähnliche hierzulande verfassungsfeindliche Darstellungen wird übrigens nicht nur in der deutschen Version verzichtet. Da Rebellion weder das Personal noch die finanziellen Mittel hat, um wie noch bei der Zombie Army Trilogy

Die Uniformen der Gegner tragen nicht nur hierzulande keine NS-Insignien: Es gibt nur eine Fassung für alle Terrotorien.


Alles neu

unterschiedliche Fassungen für Deutschland und den Rest der Welt herzustellen, hat man komplett auf NS-Symbolik verzichtet. Die sei trotz des historischen Hintergrundes nicht wichtig, wie mir der Lead Designer erklärte. Es wäre ihnen wichtiger gewesen, Sniper Elite 4 hinsichtlich der Inhalte und spielerischen Möglichkeiten zu optimieren anstatt sich mit Versions-Unterschieden herumschlagen zu müssen.

Und das zahlt sich aus: Denn man hat in vielerlei Hinsicht an den richtigen Punkten angesetzt, um die Stärken des Vorgängers auszubauen und dabei gleichzeitig die Mankos auszumerzen - wie z.B. die wankelmütige KI, die von Grund auf neu entwickelt und auf die Anforderungen einer weitgehend offenen Levelstruktur optimiert wurde. Sprich: Sie ist deutlich aufmerksamer, wenn man unvorsichtig werden und die erweiterten Schleichmechanismen etc. nicht ausreichend nutzen und daher entdeckt werden sollte. Zwar geht sie irgendwann wieder zum Tagesablauf bzw. ihrem Patrouillenweg über, wenn man sich lang genug versteckt oder das von ihr durchsuchte Gebiet erfolgreich verlassen kann. Doch auch dabei muss man Vorsicht walten lassen, da überall Feinde lauern können - wohl dem, der mit dem Fernglas auskundschaftet und sie entsprechend markiert. Neu ist dabei, dass man mehr Infos wie z.B. mögliche Beute und ihre Bewaffnung erfährt, wenn man sie länger beobachtet. Das mag nicht realistisch sein, ist aber für die taktische Planung des weiteren Vorgehens interessant, da die nächsten vier oder fünf Feinde ausgerechnet die sein können, die keine Munition für die präferierte Waffe dabei haben. Haben die Gegner einmal die Fährte aufgenommen oder gar die Jagd eröffnet, muss man sein ganzes Geschick einsetzen, um ihnen zu entkommen oder sie im direkten Kampf zu besiegen. Dementsprechend hat man auf den großräumigen Karten nicht nur die Qual der Wegwahl, sondern auch, ob man eher schleichend, eher aggressiv oder als Mischform vorgeht, wobei man wie gehabt zwischen einem breiten Spektrum an Waffen und Hilfsmitteln wie Minen, Granaten, Dynamit etc. wählen und auch die Schießprügel getöteter Gegner aufnehmen kann.

Neu ist auch, dass die meisten Waffen und Gadgets zwei Funktionen bzw. Munitionstypen bieten. So kann man in das Scharfschützengewehr z.B. schallgedämpfte Geschosse einsetzen, mit denen man Feinde deutlich leichter dezimiert als mit den lauten Gegenstücken. Will man hier unentdeckt meucheln, muss man stets auf die Umgebungsgeräusche wie Patrouillen-Flieger usw. achten und seine Schüsse entsprechend absetzen. Allerdings ist die Spezialmunition deutlich seltener, so dass man sie überlegt einsetzen muss. Eine interessante Erfahrung musste ich übrigens beim zweiten Teil der Anspielsession machen, als wir mit einem Zweierteam kooperativ loszogen: Abgesehen vom Einstieg hat sich der Weg, den wir zusammen in Absprache gewählt haben ebenso von meinem Solopfad unterschieden wie die Methoden, die wir nutzten, um die Gegner in Fallen zu locken oder aus der Entfernung zu dezimieren. Ich hoffe, dass Rebellion diese Vielfalt auch in den anderen Karten bzw. Missionen anbieten kann und sich diese nicht in der Beliebigkeit verlieren.

Der Röntgen-Schmerz

Als Scharfschütze ist man auch dank der neu entwickelten, größtenteils ordentlich arbeitenden KI gut damit beraten, aus dem Hinterhalt zuzuschlagen.

Wenig Überraschung gibt es bei der Röntgen-Kamera, die bei besonders effektiven oder anderweitig bemerkenswerten Scharfschützen-Abschüssen eingespielt wird: Die Kugel jagt in Zeitlupe auf ihr Ziel zu, während kurz vor dem Einschlag in eine Röntgensicht umgeschaltet wird, die schonungslos das Ergebnis dokumentiert. Von berstenden Knochen bis zu platzenden Augäpfeln oder sonstigen Organen ist wieder alles dabei – auch in Deutschland und auch im Koop-Modus. In diesen Fällen wird auch bei demjenigen, der den Schuss nicht abgesetzt hat, die Szene eingespielt. Apropos: Mittlerweile kann bei einem Stealth-Kill ebenfalls eine fiese Röntgensequenz abgerufen werden. Am Nahkampf, der im Vorgänger übermächtig war, hat man ebenfalls geschraubt: Es reicht nicht mehr, auf den ahnungslosen Gegner zuzulaufen und wie wild den entsprechenden Knopf zu drücken – sie verteidigen deutlich besser und im Zweifelsfall kassiert man zu viele Kugeln, bevor man bei ihnen ist. Daher ist es sehr ratsam, sich stets einen Fluchtplan zurechtzulegen, falls man entdeckt wird, anstatt den offenen Kampf zu suchen, aus dem die deutschen NS-Soldaten meist als Sieger hervorgehen. Denn nicht immer kann man das Glück haben, mit einem „Fehlschuss“ eine Granate zu treffen, die am Gürtel eines Feindes hängt, sie dadurch explodiert und nicht nur ihn, sondern auch die Hand voll Kameraden mit in den Tod reißt, die gerade noch auf einen zuliefen.

Kommunikative Koop-Spieler sind in der Horde-Variante gut aufgehoben.


Gemeinsam für den Widerstand

Für Koop-Spieler warten nicht nur die acht Missionen der Kampagne, die von Rebellion hinsichtlich Gegner-Verteilung leicht verändert wurden. Zusätzlich wird man auch auf zwei nur für Duos entwickelten Karten sein Unwesen treiben können. Die Kommunikationsfähigkeit zwischen den einzelnen Team-Mitgliedern hingegen wird bei der hiesigen Variante der Gears-of-War-Horde explizit gefordert. Denn hier können bis zu vier Spieler versuchen, auf sechs Karten einen Stützpunkt, dessen Position regelmäßig verändert wird, gegen immer stärker werdende Gegnerwellen zu verteidigen. Während die ersten Wellen nur eine Fingerübung darstellen, sorgen spätere Gruppierungen mit ihren Elite-Kämpfern oder Panzerfahrzeugen schnell für eine Herausforderung, bei der das Team koordiniert vorgehen muss.

Ausblick

Nach den ersten Schritten in der Kampagne, dem Koop-Spiel sowie einer spannenden wie fordernden Horde-Variante hat Rebellion meine Neugier nicht nur geweckt, sondern massiv geschürt. Basierend auf der offenen Struktur des Vorgängers und ohne Restriktion durch Parallel-Entwicklung auf den Systemen der letzten Generation hat man hier in jeder Hinsicht Fortschritte gemacht. Die Karten sind ansprechend groß und bieten zahlreiche Wege, um die primären und sekundären Ziele zu erfüllen, während die Kulisse nicht nur mit ihrer Weitsicht einen guten Eindruck hinterlässt. Der Stealth-Fokus wurde gestärkt und erfreulicherweise hat die komplett neue KI zugelegt, um diesen zusätzlichen Schleich-Optionen (die allerdings keine Überraschungen bieten) begegnen zu können. Hier und da fallen einem zwar immer noch Ungereimtheiten auf. Doch da die spielbare Version schon ein paar Wochen alt war und man bei Rebellion nicht nur in diesem Bereich mit Hochdruck Feinschliff bis zum Release Mitte Februar betreibt, besteht berechtigte Hoffnung, dass man nicht mehr auf so viele Dummies trifft wie noch im Vorgänger. Es scheint, als ob die Serie mit Teil 4 wieder zurück zu alter Stärke findet.

Einschätzung: gut