Nintendo Switch - Vorschau, Hardware, Switch

Nintendo Switch
27.01.2017, Jan Wöbbeking

Vorschau: Nintendo Switch

Die Auferstehung des Couch-Multiplayers?

Manch ein Switch-Interessierter wurde vermutlich von der Ankündigung der stolzen Hardware-Preise abgeschreckt. Doch lohnt sich die Investition für gesellige Spieler trotzdem? Wir haben erste Eindrücke von Nintendos Hybrid-Konsole und einigen Spielen gesammelt.

Wie liegt sie denn nun in der Hand? Wie groß ist das Potenzial für lokale Spiel-Parties? Und was hat es mit den im Controller spürbaren „Eiswürfeln“ auf sich: HD-Rumble oder bloßes Gimmick? Diesen Fragen versuche ich bei meinem Ersteindruck der Nintendo Switch (ab 255,00€ bei kaufen) auf den Grund zu gehen. Wir konnten das Gerät und erste Spiele ausprobieren, um ein Gefühl für die Hardware sowie Zubehör wie den Pro-Controller zu bekommen. Am 3. März veröffentlicht Nintendo das Hybrid-Gerät, das sich als Handheld für unterwegs und vor dem heimischen TV nutzen lässt. Kommt man nach Hause, steckt man die tabletförmige Konsole einfach in die Docking-Station und kann sofort auf dem Fernseher weiterspielen. Der Trick funktionierte vor Ort meist gut und nahtlos: Einfach das Handheld nach oben aus der Station ziehen und schon schaltete das Bild in Sekundenbruchteilen um. Da die Vorführgeräte mit dicken Metallklammern gesichert waren, musste aber manchmal ein wenig nachjustiert werden, bis es passte. Es lässt sich also noch kein Urteil über die Wertigkeit der Docking-Funktion fällen – auch nicht darüber, wie das Gewicht auf Dauer wirkt.

Der Nachfahre für Wii U und 3DS?

Fliegender Wechsel: Die mobile Handheld-Konsole lässt sich mitten im Spiel von oben in die eckige Dockings-Station stecken. Das Bild schaltet dann automatisch auf den TV um.

Was bereits positiv auffiel, war der leuchtstarke Bildschirm (LCD mit kapazativer Multitouch-Funktion), auf dem etwa The Legend of Zelda: Breath of the Wild etwas farbenfroher wirkte als in manch einem Trailer. Die Diagonale beträgt 6,2 Zoll (ca. 15,7 cm), die Display-Auflösung 720p, also 1280x720 Pixel. Zum Vergleich: Auf der PS Vita musste man mit 12 cm Diagonale und 960 × 544 Pixeln Vorlieb nehmen, auf dem Wii-U-Gamepad (mit gleicher Bildschirmdiagonale wie die Switch) fanden 854 x 480 Pixel Platz. Sonys Smartphone Xperia Z5 Premium besaß allerdings schon vor einem halben Jahr einen 4k-Bildschirm mit 14 Zemtimeter Diagonale.

Wenig angetan war ich zunächst von den Analogsticks. Einerseits wirkt der Hebelweg etwas kurz, außerdem musste ich z.B. bei Splatoon den rechten Daumen ziemlich stark anwinkeln, um gleichzeitig noch die R-Tasten mit dem Zeigefinger erreichen zu können. Nach einigen Minuten gewöhnte ich mich aber an die Haltung, so dass es mir irgendwann kaum noch negativ auffiel. Kritischer wird es, wenn man die linken vier Knöpfe als Ersatz für ein Steuerkreuz nutzen muss: Drehbewegungen wie bei Street Fighter dürften damit ziemlich unangenehm werden.

Modulare Besonderheiten

Die seitlich abnehmbaren Joycon-Controller im Detail. Quer gehalten werden sie zu zwei Mini-Controllern für Mehrspieler-Matches.

Es hat allerdings einen Grund, warum Nintendos Ingenieure kein „echtes“ Steuerkreuz verbaut haben: Die beiden Controller-Elemente lassen sich schließlich von der Konsole abdocken und seitlich abziehen. Danach dienen sie als einzelne Controller für Multiplayer-Spiele – und das getrennte „Steuerkreuz“ der linken Seite fungiert als vier Feuerknöpfe. So hat man unterwegs immer das passende Zubehör für ein schnelles Duell parat – eine prima Idee! Der Tablet-ähnliche Mittelteil lässt sich dabei mit einem ausklappbaren Ständer als Bildschirm auf dem Tisch platzieren. Ein Vorzeigetitel für die Funktion wurde bereits mit dem kleinen kooperativen Knobelspiel Snipperclips präsentiert, das im Frühjahr als Download erscheinen soll. Zwei Spieler trippeln mit Figürchen aus Papier über den Schirm und müssen sich gegenseitig so zurechtschneiden, bis z.B. ein Bleistift in sie hineinpasst oder sie einen Basketball zum Korb transportieren können. Die liebenswerte Präsentation trägt hier ebenfalls viel zum Spaß bei. Wer im Launch-Zeitraum etwas zum Herumalbern mit Freunden sucht, sollte sich diesen Geheimtipp unbedingt vormerken, zumal er mit 19,99 Euro deutlich günstiger ist als Vollpreis-Titel wie Bomberman, Arms oder 1-2-Switch.

Die Minispiele des Titels 1-2-Switch! bieten weniger Tiefgang, stellen mit Hilfe der zwei kleinen, seitlich abnehmbaren Joycons aber bereits zahlreiche Möglichkeiten der Bewegungssteuerung vor. Es gibt natürlich kein hochpräzises externes Tracking wie bei den VR-Controllern von Oculus Rift und HTC Vive, die verbauten Beschleunigungssensoren und Gyroskope sollen aber trotzdem relativ genau arbeiten. In 1-2-Switch versucht man z.B., rechtzeitig das Schwert des zweiten Spielers zu stoppen, anderswo werden die Zitzen einer Kuh mit Streichbewegungen gemolken – alles ziemlich albern und minimalistisch, aber auch einsteigerfreundlich und partytauglich (mehr dazu in der Vorschau). Am interessantesten sind die Disziplinen, bei denen man das neue „HD-Rumble“ der Joycons spürt. Nintendo hat hier nicht übertrieben: Beim „Ballcount“ fühlt es sich z.B. so an, als würden sich einige kleine Kugeln im Controller befinden.

Vollpreis- oder Minispiele?

The Legend of Zelda: Breath of the Wild erscheint zum Start am 3. März und führt durch eine geräumige offene Welt.

Wiegt man ihn nach links oder rechts, fühlt es sich tatsächlich so an, als würden sie langsam zur Seite kullern und gegen den Rand des Gehäuses knallen. Wer möchte, kann den Controller sogar schütteln, was ebenfalls erstaunlich stark daran erinnert, als würde man eine Streichholzschachtel mit Kugeln in der Hand halten. Das Spiel an sich bleibt aber ziemlich banal: Zwei Teilnehmer müssen lediglich schätzen, wie viele Kugeln in ihrer Box stecken. Auch eine Disziplin zum Safeknacken machte Gebrauch von der Technik. Falls die Switch eine gewisse Nutzerbasis aufbaut, könnten Indie-Entwickler mit Hilfe der Technik coole Horror-Titel basteln, in denen man nur aufs Fühlen und Hören des Surround-Sounds vertrauen muss.

Die kleinen Joycon-Controller haben in ersten Spielsessions einen gemischten Eindruck hinterlassen: Wen man berücksichtigt, dass es sich lediglich um quer gehaltene Controller-Hälften handelt, liegen sie dank abgerundeter Ecken noch verhältnismäßig gut in der Hand. Auch die Sticks und gelungenen Feuerknöpfe machen die Joycons zu einem passablen Eingebegerät. Die aus der Oberkante ragenden Schultertasten sind dagegen etwas wabbelig: Wenn wir in Snipperclips unsere Figuren drehen wollten, mussten wir sie daher oft etwas tiefer drücken, bis man den „Klick“ spürte und die Eingabe erkannt wurde. Wer möchte, kann beide Hälften auch mit der mitgelieferten Halterung zusammenstecken und erschafft sich so einen klassischen Controller, der z.B. vorm TV genutzt werden kann.

Abnehmbare Mini-Controller

Super Mario Odyssey lässt noch bis zum Winter 2017 auf sich warten.

Auch der Formfaktor der Switch-Konsole wirkte mit seinen 23,11 x 10,23 cm bisher gelungen: Der Bildschirm besitzt mit 15,53 cm die gleichen Maße wie das Exemplar im Gamepad der Wii U, das Gehäuse drumherum ist aber um einiges flacher. In die Hosen- oder Jackentasche lässt sich das Gerät also kaum stecken, in Rücksäcken oder Umhängetaschen kann man es problemlos verstauen. Das Konzept ist also wie gemacht für spontane lokale Mehrspieler-Parties: Bis zu acht Konsolen lassen sich über die lokale, kabellose Kommunikation verbinden. Mitspieler ohne die Hardware können in vielen Titeln bei anderen per Pro-Controller oder den abnehmbaren Joycons einsteigen.

Vorerst richtet sich die Idee allerdings eher an die zahlungskräftige Kundschaft: Bei 329,99 Euro für die Hardware kann man nicht gerade von einem Schnäppchen sprechen, zumal das Zubehör den Preis in die Höhe schnellen lässt. Ein Pro-Controller ist für rund 70 Euro erhältlich, ein Duo von Joycon-Controllern reißt sogar ein Loch von rund 80 Euro ins Portemonnaie, solo schlagen sie mit je etwa 50 Euro zu Buche. Wer sich nicht nur „Game Cards“ aus dem Handel kaufen, sondern auch Download-Titel nutzen möchte, muss zudem eine Micro-SD-Karte in den Erweiterungs-Slot stecken (theoretisch werden bis zu 2TB unterstützt). Im nur 32 GB kleinen internen Konsolenspeicher werden lediglich Dinge wie Systemupdates, Spielstände und Patches gespeichert. Noch teurer wird es für Online-Spieler, weil Nintendo einen kostenpflichtigen Service plant, der denen von Sony und Microsoft ähnelt (mehr dazu hier und hier).

Teure Party

Die Software-Aussichten sind momentan noch recht trübe.

Manch ein vom Konzept überzeugter Spieler dürfte daher nicht bereit sein, schon zum Konsolenstart so viel Geld in die neue Konsole zu investieren. Obwohl mittlerweile immer mehr Indie-Spiele für den Startzeitraum angekündigt wurden, wirkt das Start-Lineup nach wie vor reichlich spärlich. Das neue Zelda-Abenteuer ist zwar vielversprechend, erscheint aber auch für Wii U. Das bislang nur als Video präsentierte Super Mario Odyssee hat ebenfalls das Zeug zu einem Highlight, erscheint aber erst im Winter 2017. Und im Bereich größerer Titel von Fremdherstellern herrscht Flaute im Softwarekatalog.

Der separat erhältliche Pro-Controller lag bei einigen Runden Splatoon und Fast RMX sehr angenehm in der Hand. Er besitzt eine ergonomische Form und wirkt erneut etwas leichter als die Konkurrenzmodelle von Sony und Microsoft. Die Sticks und frontalen Knöpfe konnten in ersten Testspielen überzeugen. Statt Analogtriggern gibt es aber lediglich vier Schultertasten - ein klares Versäumnis, das vor allem Rennspielfans ärgern wird!

Neuer Pro-Controller

Details über den von Nvidia produzierten Custom-Chip hat Nintendo bislang nicht verraten. Wenn man Gerüchten Glauben schenkt, dürfte er grob im Bereich des Tegra X1 liegen, welcher z.B. in der Streaming-Box Shield TV zum Einsatz kommt. Falls sich die Leistung tatsächlich in einem Bereich zwischen 0,4 und einem Teraflops bewegen sollte, läge man zumindest deutlich unter dem Niveau der Standard-Modelle von PS4 (1,84 Teraflops) und Xbox One (1,31 Teraflops), aber immerhin noch deutlich über denen von Wii U (0,35), Xbox 360 (0,24), PS3 (0,23) und PS Vita (0,05).

In den Minispielen von 1-2-Switch spielen Timing und Bewegungssteuerung der Joycons eine wichtige Rolle: Hier muss Dieter rechtzeitig die Hände zusammenklatschen, bevor ihn die "unsichtbare" Waffe des weiß gekleideten Nintendo-Kriegers trifft.


Technische Unbekannte

Das Ergebnis der ersten größeren Spiele in Berlin spiegelte die vermutete Leistungsfähigkeit in etwa wider: Splatoon 2 und Mario Kart 8 sahen ihren Wii-U-Gegenstücken sehr ähnlich. Aufwändiger wirkte The Legend of Zelda: Breath of the Wild, welches mit hübschen, weiten Panoramen und einer erfreulich dichten Vegetation sofort Entdecker-Stimmung aufkommen ließ. Komplett sauber lief das Gezeigte aber nicht: In einigen wenigen Momenten fiel die Bildrate im TV-Betrieb etwas unter 30 Bilder pro Sekunde. Solche Ruckler blieben allerdings die Ausnahme und störten kaum. Die offenen Levels von Super Mario Odyssee wirken im frühen Trailer ebenfalls vielversprechend, obwohl man auch dort vermutlich deutlich hinter der technischen Qualität von PS4- und One-Kulissen zurückzubleiben scheint, gerade bei Animationen und der Texturauflösung.

Ein gängiges Problem in vielen Spielen war das fehlende Anti-Aliasing, welches für unschöne Treppchen sorgte - vor allem, wenn man nah vor den großen Fernsehern der Demo-Stationen stand. Auf dem kleineren Handheld-Bildschirm fiel das Problem dagegen kaum ins Auge. Aufgrund der Mobilität spielt natürlich auch die Akku-Laufzeit eine wichtige Rolle. Ist das Gerät voll geladen, kann man laut Nintendo etwa drei Stunden lang The Legend of Zelda: Breath of the Wild spielen. Bei anderen Titeln seien Spielzeiten von bis zu sechs Stunden möglich. Unterwegs lässt sich die Switch mithilfe des Netzteils über den USB Type-C-Anschluss der Konsole aufladen.

Ausblick

Meine ersten Spiel-Sessions mit Nintendo Switch haben mich wieder etwas positiver gestimmt, nachdem die Preisankündigung meiner Vorfreude einen herben Dämpfer verpasst hatte. Vor allem die Multiplayer-Möglichkeiten ließen bereits das Potenzial für lustige und unkomplizierte Spiel-Parties erahnen. Einfach mal die seitlichen Joycon-Controller abnehmen, sich mit anderen Handhelds verbinden oder auch mit einem Pro-Controller mitmischen: Die Möglichkeiten sind erfreulich vielfältig! Auch hier könnten die nicht zu unterschätzenden Anschaffungskosten fürs Zubehör aber die Euphorie vieler Interessenten ausbremsen. Das Spiele-Angebot der Anfangsphase wirkt nach wie vor ziemlich dürftig, daran ändern auch die hinzustoßenden Umsetzungen von Indie-Titeln wenig. Formfaktor, Bildschirm und die Haptik gefallen mir nach einigen Testspielen bereits gut; auch hier gibt es allerdings einige Enttäuschungen wie die fehlenden Analogtrigger oder das unangenehme getrennte Steuerkreuz, das je nach Einsatzszenario auch zu vier Feuerknöpfen wird. Als Freund des Hybrid-Konzepts freue ich mich aber auf den Konsolenstart, zumal Spiele wie Splatoon 2 genau auf meiner Wellenlänge liegen.

Einschätzung: befriedigend