Wolfenstein 2: The New Colossus - Vorschau, Shooter, XboxOne, PC, Switch, PlayStation4
Wolfenstein 2: The New Colossus (ab 9,78€ bei
Mit dem Rollenstuhl gegen das Regime
Im metallenen Schiffsbauch findet man an den Wänden immer wieder obskure elektrische Anlagen, die Regimesoldaten bröckchenweise verdampfen. Diese wurden von einem Wissenschaftler des Widerstands installiert, der in einer filmreifen Zwischensequenz erklärt, was aus Anya (Frau von Blazkowicz), Caroline und Co. geworden ist, während im Hintergrund Regimesoldaten regelmäßig zerbrutzelt werden.
Manche Soldaten versuchen, durch das Energiefeld zu spurten, andere versuchen es auf Zehenspitzen, werden aber trotzdem in ihre Bestandteile aufgelöst, was beinahe Slapstick-Züge annimmt. Solche humoristischen oder satirischen Passagen kommen häufiger vor und lockern das Geschehen auf. Auf die Idee, das Energiefeld bzw. die Gerätschaften an der Wand zu zerstören, kommen die nicht ganz so hellen Regime-Soldaten übrigens nicht.Zwischen Slapstick und Ernst
Die Energiefallen kann man sich im weiteren Level-Verlauf zunutze machen, da sie sich mit Schaltern an-/ausschalten und als Falle für die Feinde nutzen lassen. Man kann die Gegner also mit der Bleipuste ausschalten oder sie in die Fallen locken oder beides …
Frau Engel macht ernst
Der Eindruck, dass Machine Games die gewohnte Mischung aus Shooter-Passagen und langen Zwischensequenzen in The New Colossus beibehält, bestätigt sich in einem anderen Level, das ungefähr aus der Mitte der Story-Kampagne stammt. Ziel in diesem Roswell-Level es, eine in einem Feuerlöscher versteckte Atombombe in einer unterirdischen Forschungsanlage zu platzieren, um so den Führungsstab auszuschalten. Dazu muss sich der als Feuerwehrmann verkleidete Blazkowicz zunächst mit einer Kontaktperson in Joe’s Diner treffen - und zwar ausgerechnet am Jahrestag der Machtübernahme des Regimes in den USA. Während der feierlichen Parade darf man sich in einem etwas (Betonung auf "etwas") weitläufigeren Level frei umschauen, einen Blick auf das Buch „Victory“ von Frau Engel werfen und den mal mehr oder weniger gelungenen Gesprächen der Statisten lauschen, wobei die Vertonung laut Bethesda nicht final sei.
Freie Erkundung vor Roswell
Dieses überschaubare, begehbare Areal bietet spielerisch wenig Möglichkeiten zur Interaktion, unterstreicht jedoch die Stimmung und die Atmosphäre enorm, denn die retrofuturistische, faszinierende, alternative Vergangenheit à la The Man in the High Castle lebt von der Detailverliebtheit, der schicken Kulisse sowie von kreativen Einfällen.
Im Diner folgt die nächste, drei Minuten lange, hochklassige Zwischensequenz, in der eine scheinbar von Hans Landa (Inglorious Basterds) inspirierte Figur den Geschehnissen sowie der Erdbeermilch auf den Grund geht. Nur am Ende verhält er sich etwas dämlich und unglaubwürdig. Im Anschluss an diese Cutscene geht es mit der nächsten, sechs Minuten langen Zwischensequenz weiter, in der ein „klischeehafter“ Area-51-Verschwörungstheorethiker neben vielen wirren Worten die eigentliche Mission erklärt. Obgleich dieses Video schön inszeniert ist, konnte die Sequenz nicht so sehr mitreißen. Sie war zu langgezogen und kam nicht auf den Punkt. Übrigens: Die meisten Einspieler ließen sich abbrechen, bis auf die Erdbeermilch-Szene.
Nach dem Erkundungsausflug und den beiden Cutscenes konnte es (endlich) losgehen. Durch einen Erdtunnel schlägt sich Blazkowicz zu einem unterirdischen Bahnhof eines Raketenzuges durch und hier zollte die frühe Version ihren Tribut, da der Charakter an einer Stelle im Stollen steckenblieb. Ich durfte das Level erneut spielen durfte, inkl. der unabbrechbaren Erdbeermilch-Zwischensequenz und der abbrechbaren anderen Verschwörungstheoretikersequenz. Gut: Optionen zum Schnellspeichern und Schnellladen sind diesmal vorhanden. Dafür liegen die automatischen Kontrollpunkte etwas weiter auseinander.
Mit dem Raketenzug nach Roswell
Nach den fast schon ausufernden Zwischensequenzen darf man als Blazkowicz wieder ordentlich austeilen. Den Bahnhof des Raketenzuges nach Roswell kann man auf die harte oder auf die leise Tour säubern. Als Verfechter der harten Tour ballert man sich einfach mit maximaler Feuerkraft, zwei unterschiedlichen Waffen pro Hand (Akimbo) und einem beinahe an DOOM erinnernden Tempo durch die Regimehorden. Sollte ein ranghoher Aufseher mitbekommen, was da passiert, schlägt er Alarm und dann kommen viele, nein: wirklich viele Soldaten aufmarschiert, die es ebenfalls auszuschalten gilt. Alternativ kann man die Gegner leise ausschalten, zum Beispiel mit einer schallgedämpften Knarre oder mit einer Axt im höchst effektiven Nahkampf. Letztere kann auch beim Lehnen um die Ecke geworfen werden. Im Idealfall meuchelt man sich bis zum Anführer durch, dessen Entfernung und Position praktischerweise angezeigt wird, und entledigt sich anschließend der restlichen Bagage - was einfacher gesagt als getan ist, schließlich lassen sich ausgeschaltete Gegner nicht wie bei Dishonored oder anderen Schleichspielen verstecken. Zudem sind die Feinde hellhörig. Zumindest in diesem Level bot sich eine Mischung aus beiden Vorgehensweise an, wobei man sich auch lauthals zum Aufseher vorkämpfen und einfach alles ausschalten konnte. Old-School-Shooter Feeling pur!
Action oder Schleichen?
Hat man sich bis zum Raketenzug vorgekämpft und das Gefährt gestartet, geht es an Bord weiter. In hohen Tempo rast der Zug durch einen Tunnel und Blazkowicz kämpft sich im und auf dem Zug bis zum Führerstand durch, stellenweise auf engstem Raum und mit Regimesoldatenstau in den Gängen. Bis dahin dürfen normale Regime-Soldaten, dick gepanzerte Schergen mit Doppel-Laserkraftwerk, mechanisch verstärkte Superhunde und an Terminatoren erinnernde Kampfroboter bekämpft werden. Am Zielbahnhof geht es weiter zur Kommandozentrale, bis die Atombombe stilecht in einem Ufo platziert werden kann.
Danach folgen ein Zwischenendboss, der sich komplett umgehen lässt und ein Zwischenspurt zur Evakuierung.Im Laufe der Story-Kampagne kann Blazkowicz in drei Bereichen verbessert werden. Je nach Spielweise wird er stärker in Sachen Heimlichkeit, Chaos oder Taktik. Gleichermaßen können die Waffen individuell mit Ausrüstungsupgrades angepasst werden. So lassen sich Munitionskapazitäten, Schaden und Laustärke zum Beispiel bei der Pistole verändern. Das Sturmgewehr kann man zu einem panzerbrechenden Scharfschützengewehr ausbauen und das MG wird zum Nagelwerfer mit erhitzten Projektilen. Das Dieselkraftwerk kann übrigens explosive Kanister verschießen, die an Gegnern oder Wänden haften bleiben und sich per Fernzünder in die Luft jagen lassen.
Verbesserungen des Helden
Ausblick
Machine Games baut bei Wolfenstein 2: The New Colossus konsequent auf die Stärken von Wolfenstein: The New Order. So gibt es wieder reichlich, teils sehr lange Zwischensequenzen, die hervorragend inszeniert wurden und mit starken Animationen punkten. Jedoch konnten nicht alle Cutscenes mitreißen, was eher am Drehbuch, der Figurenzeichnung oder den Dialogen und nicht an der Inszenierung lag. Während die Einführung von Frau Engel und die Erdbeermilchszene klasse sind, kommt das Video mit dem Verschwörungstheoretiker irgendwie nicht auf den Punkt. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Timing, die Qualität der Zwischensequenzen und die Charakterzeichnung insgesamt präsentieren werden, gerade weil versucht wird, sowohl Satire mit Slapstick-Einlagen als auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem faschistischen Unterdrücker aufzubieten. Punkten kann Wolfenstein 2: The New Colossus mit einem faszinierenden Szenario, das detailverliebt umgesetzt wurde und an manchen Stellen lobenswerten Freiraum zur Erkundung bietet. Einen wirklich guten Eindruck hinterließen die Action-Passagen nach Oldschool-Shooter-Bauart, die diesmal eine Spur zügiger ablaufen, da das Aufsammeln von Gegenständen jetzt weitgehend automatisch passiert. Waffenarsenal, Upgrademöglichkeiten und Gegneraufgebot wirken stimmig und gut, wobei man wieder zwischen der Brachial-Actionmethode und einer Stealth-Mechanik lite wählen darf. Und wenn Machine Games jetzt noch mehr kreative und überraschende Level-Konzepte aus dem Hut zaubert wie z.B. die angespielte Fahrt auf einem Raketenzug, könnte Wolfenstein 2 der Auftakt zu einem erstklassigen Shooter-Herbst werden.
Einschätzung: gut