Onrush - Vorschau, Rennspiel, XboxOne, PlayStation4, PC

Onrush
12.04.2018, Michael Krosta

Vorschau: Onrush

Die Evolution des Arcade-Racers?

„Wer als Erster über die Ziellinie brettert, der gewinnt“, lautet die goldene Regel im Rennspielgenre. Die ehemaligen Motorstorm-Macher wollen diese Tradition mit ihrem Debüt für Codemasters brechen: Onrush (ab 9,94€ bei kaufen) soll eine Evolution des Arcade-Racers werden, die mit Elementen aus Overwatch und Rocket League angereichert wird. Wir haben es ausprobiert und verraten in der Vorschau, was wir von dem Konzept halten...

Auf den ersten Blick wirkt Onrush wie die Fortsetzung von Motorstorm unter neuem Namen: Genau wie in Sonys PS3-Reihe rast man auch hier hinter dem Steuer von geländetauglichen Vehikeln mit Vollgas und Boost-Unterstützung überwiegend durch die Offroad-Pampa, vollbringt waghalsige Sprung-Manöver oder lässige Drifts und rempelt sich durch das Feld, um die Konkurrenz im Idealfall in bester Burnout-Manier mit einem Takedown auszuschalten.

Auf Krawall gebürstet

Schnell wird man feststellen, dass nicht länger das klassische Fahren um den Sieg, sondern viel mehr das Gerangel und die Action im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund haben sich die Mannen rund um Game Director Paul Rustchynsky von dem üblichen Wettlauf zur Ziellinie verabschiedet und stattdessen ein System entwickelt, mit dem die Spieler ständigen Duellen inmitten des Pulks ausgeliefert sind. Am besten kann man sich die so genannte Stampede-Mechanik wie einen omnipräsenten

Einsam wird es auf den Pisten von Onrush nie.
Gummiband-Effekt vorstellen, der selbst nach einem Unfall dafür sorgt, dass man umgehend wieder dorthin zurückkehrt, wo die Action abgeht und dafür gesorgt wird, dass sich am besten immer 24 Vehikel auf dem Bildschirm befinden.

Im Gegensatz zum klassischen Rennspiel kämpft man hier außerdem nicht alleine, sondern ist Teil eines Teams, das aus bis zu sechs Mitgliedern besteht. Zusätzlich wird das Feld mit KI-Piloten aufgefüllt, die sich zur Aufladung der Boost-Leiste deutlich einfacher aus dem Weg räumen lassen als die Kontrahenten aus Fleisch und Blut. Was auch daran liegt, dass man als Spieler die Wahl zwischen acht Vehikeln vom flotten Motorrad über Stock Cars und Jeeps bis hin zum mächtigen Truck hat, die mit individuellen Spezialfähigkeiten ausgestattet sind. Dazu zählen z.B. das Abwerfen kleiner Heilpakete für die Teamkameraden, das Aussenden von Schockwellen oder eine brennende Schneise, die Verfolgern bei Berührung erheblichen Schaden zufügen kann. Für die Aktivierung muss man allerdings seine Rush-Anzeige durch die Verwendung von Boosts füllen. Tatsächlich erfüllen die verschiedenen Wagentypen hier eine ähnliche Funktion wie die Auswahl an Klassen in Spielen wie Overwatch. Gleichzeitig soll auch das Teamplay ähnlich gefördert werden und damit gibt es sogar leichte Parallelen zu Titeln wie Rocket League. Dazu passt auch, dass man zahlreiche kosmetische Inhalte in Bonus-Kisten freischalten kann, darunter Outfits und Bauteile.

KI als „Rempelfutter“

Die Strecken bieten nicht nur alternative Routen, sondern laden auch immer wieder zu waghalsigen Sprungmanövern ein.
Zwar kann man sich zum Ausprobieren der vier Spielmodi auch alleine in die Action auf den 12 Strecken mit ihren alternativen Routen sowie dem dynamischen Wettersystem stürzen, doch der Fokus und das größte Spaßpotenzial von Onrush liegt ganz klar auf Mehrspieler-Duellen. Da es unverständlicherweise keine Unterstützung für lokale Partien am geteilten Bildschirm gibt, muss man notgedrungen auf Online-Scharmützel ausweichen. Noch lässt sich nicht abschätzen, wie wichtig und effektiv das Zusammenspiel innerhalb der Teams sowie die Kommunikation untereinander sein wird. Beim Anspielen ging es noch recht chaotisch und unkoordiniert zu. Trotzdem kann man bereits davon ausgehen, dass es bei Auseinandersetzungen zwischen zwei eingespielten Crews durchaus spannend werden könnte.

Angetreten wird in vier Spielmodi: Bei Overdrive ist das Boosten der Schlüssel zum Sieg, denn hier gewinnt das Team, das zuerst eine bestimmte Menge an Energie sammelt. Switch erinnert dagegen an klassische Deathmatch-Partien im Stil von Battlefield & Co, da mit jedem Takedown die Tickets des gegnerischen Teams schwinden. Lockdown ist dagegen das Pendant zu „King of the Hill“ und es gilt, die Kontrolle über Sektoren zu halten. Bei Countdown sind dagegen tatsächlich einmal Fahrkünste gefragt, wenn man im Kampf gegen die Uhr möglichst schnell durch mitunter enge Tore rasen muss, um wieder ein paar zusätzliche Sekunden aufs schwindende Zeitkonto zu packen.  

Vier Spielmodi

Allgemein halten sich die Anforderungen beim Fahren aber in Grenzen. Das liegt zum einen an der Tatsache, dass Geschwindigkeit und fahrerisches Können im ständigen Gerangel kaum eine Rolle spielt. Zum anderen an der enorm zugänglichen Arcade-Physik: Die Vehikel verfügen über eine ausgezeichnete Bodenhaftung und die Lenkung profitiert von der reaktionsfreudigen Steuerung. Allerdings fallen die Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen leider nicht so groß aus wie erhofft. Zudem vermisst man bei Rempeleien und Takedowns eine gewisse Wucht, durch die sich Burnout damals ausgezeichnet hatte. Schade auch, dass in diesem Zusammenhang auch das Trefferfeedback ziemlich mau ausfällt. Es kommt

Vorne hat es wieder gekracht und Trümmerteile fliegen durch die Luft.
einfach nicht rüber, wie viele Macken man gerade einem Konkurrenten zugefügt oder was man selbst gerade eingesteckt hat. Zudem scheint zu oft schon ein kleiner Rempler zum Totalschaden zu führen.  

Fahrkünste? Nebensache!

Gerade weil in den meisten Spielmodi das Gerangel und die Action im Mittelpunkt stehen, muss dieser Kampf für den Spieler auch überzeugend eingefangen werden. Hier hat das Studio bis zum Release noch etwas Arbeit vor sich, wenn man die Wirkung und das Niveau von Burnout erreichen will. Zwar ist es auch hier bereits eine schöne Genugtuung, den Gegner in eine Wand zu rammen oder ihn nach einem riesigen Sprung bei der Landung auf seinem Dach platt zu drücken, aber viele dieser Momente wirken zu sehr geskriptet und teilweise sogar vom Zufall bestimmt. Das Dauergerangel leidet außerdem recht schnell an einem Gewöhnungseffekt und dadurch an einer  Eintönigkeit: Da man ständig von anderen Fahrern umgeben ist und Lackfarben austauscht, geht ein großer Teil der Dynamik flöten, durch den sich klassische Rennspiele auszeichnen, wenn man sich etwa langsam im Windschatten an den Vordermann heranpirscht und sich das Tempo des Fahrers von Bedeutung ist.       

Jedes Vehikel verfügt über spezielle Fähigkeiten. Wenige Unterschiede gibt es dagegen beim Fahrgefühl.
Als technisches Grundgerüst nutzt das ehemalige Evolution-Team eine erweiterte Version der Ego-Engine, die auch die Grafikschnittstelle DirectX 12 unterstützt und zumindest auf PS4 sowie Xbox One X flüssige 60 Bilder pro Sekunde gewährleisten soll. Das kommt auch dem ordentlichen Geschwindigkeitsgefühl zugute, obwohl das ultraschnelle Burnout im Vergleich immer noch deutlich rasanter wirkt. Die Pracht eines Forza Horizon darf man hier ebenfalls nicht erwarten, denn dafür wirkt die Kulisse über weite Strecken etwas zu karg, bleibt aber trotzdem noch ansehnlich.

Erweiterte Ego-Engine

Ausblick

Wenn ich Onrush als klassischen Arcade-Racer betrachte, kann ich meine Enttäuschung kaum verbergen: Das neue Studio von Codemasters entfernt sich mit seinem Stampede-Ansatz inklusive Dauergerangel für meinen Geschmack zu sehr von den Traditionen und Regeln, durch die sich ein Rennspiel definiert. Ich will auch bei einem Spaßraser nicht auf meine Rundenzeiten, den fahrerischen Anspruch und die Ziellinie verzichten – Evolution hin oder her! Wer sich angesichts der bisherigen Infos und Spielszenen einen geistigen Nachfolger von Motorstorm mit einer Portion Burnout erhofft, könnte daher eine böse Überraschung erleben. Sieht man Onrush dagegen als ein teambasiertes und experimentierfreudiges Actionspiel mit Autos, fällt der Eindruck positiver aus, auch wenn die Entwickler hinsichtlich der Balance noch einiges zu tun haben und den Rangeleien eine gewisse Wucht fehlt. Vor allem hoffe ich, dass die Ausflüge nach der Eingewöhnungszeit weniger chaotisch ausfallen und auch genügend Langzeitmotivation bieten. Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Mehrspieler-Modus ganz klar im Fokus steht und für Solisten trotz optionaler Karriere nach ein paar Proberunden schnell die Luft raus sein dürfte. Onrush hat interessante Ansätze zu bieten, keine Frage. Jetzt muss es dem Team nur noch gelingen, sie zu einem großartigen und spannenden Spielerlebnis zu verbinden.

Eindruck: befriedigend