Anno 1800 - Vorschau, Taktik & Strategie, PlayStation5, PC, XboxSeriesX

Anno 1800
24.01.2019, Marcel Kleffmann

Vorschau: Anno 1800

Schöne Neue Aufbauwelt

Am 16. April 2019 sticht mit Anno 1800 (ab 13,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) der siebte Teil der beliebten Aufbau-Strategiereihe aus Deutschland in See. Wir konnten vorab die Segel setzen und sowohl einen Blick auf die Kampagne als auch die Eroberung der Neuen Welt im Freien Spielmodus werfen. Nach den beiden Zukunftsausflügen hat Ubisoft ein wirklich heißes Eisen im Feuer …

Neben dem vielfältig anpassbaren Sandbox-Modus, also dem Freien Spiel, wird es in Anno 1800 eine Story-Kampagne und einen Mehrspieler-Modus geben. Während der Multiplayer-Modus bis zum Verkaufsstart am 16. April 2019 unter Verschluss bleibt, konnten wir den Auftakt der Kampagne in einer Preview-Beta-Version vorab anspielen.

Familiengeschichte in der Alten Welt

Die Geschichte beginnt mit einem Kameraflug über ein südamerikanisch wirkendes Flussgebiet, während ein animierter Nicht-Spieler-Charakter berichtet, dass es an der Zeit wäre, die "Neue Welt" zu verlassen und sich den familiären Angelegenheiten in der "Alten Welt" anzunehmen - denn irgendetwas Unerfreuliches ist in der alten Heimat passiert. Vor der Rückreise muss man erstmal Geld für die Reise zusammenkratzen und was liegt da näher, als mit Dynamit zu fischen und den gerösteten Fang gleich zu verkaufen?

Eine Zwischensequenz aus dem Auftakt der Story-Kampagne mit Postkarten-Charme: Hannah Goode und Botschafter Sir Archibald Blade führen die Geschichte des Familienunternehmens Goode and Sons fort.

Kurz darauf beginnt die lange Überfahrt und so langsam wird klar, worum es überhaupt geht. Der Vater des Familienunternehmens "Goode and Sons" ist gestorben und als Sohnemann muss man sich um das Vermächtnis des Vaters kümmern. Das Erbe muss unter den Angehörigen aufgeteilt werden, da wären zum Beispiel die Schwester Hannah Goode sowie Onkel Edvard. Edvard hat das Unternehmen bereits unter seine Fittiche genommen, runtergewirtschaftet und ein unpopuläres Großprojekt gestartet. Er selbst ist so gar nicht von der Rückkehr "des verlorenen Sohns" begeistert. Hannah wiederum hat mit ihrem letzten Geld eine kleine Insel gekauft, loyale Arbeiter versammelt und versucht mit der Unterstützung des Heimkehrers den Familiennamen reinzuwaschen ...

Nach dem überraschend aufwändig inszenierten und mit frei fliegender Kameraarbeit eingefangenen Auftakt beginnt der typische Aufbau einer Siedlung und die Errichtung des eigenen Handelsunternehmens. Man kümmert sich um die Holzproduktion, baut erste Häuser für die Bauern, befreit die Insel von Altlasten und versorgt die Einwohner mit Fisch, Schnaps und Klamotten. Zwischendurch meldet sich ab und an der Onkel und möchte von dem produzierten Materialen einen familiären Anteil abhaben.

Aufbau mit Ablenkung und Abwechslung

Kurze Bauzeit später meldet sich Hannah und meint, dass die Einwohner in der Stadt von Onkel Edvard unter seiner Herrschaft leiden würden. Der Cousin würde bereits eine Protestbewegung anführen und man solle doch einen Blick auf das Geschehen werfen.

Wo sind die Streikenden?

Wie auf einem Wimmelbild darf man den unzufriedenen Cousin und seine Protestler mit Streik-Schildern in den Straßen suchen. Hat man alle Streikenden gefunden und angeklickt, versammeln sie sich am Hafen und setzen mit einem Schiff zur eigenen Insel über, was Edvard natürlich nicht gefällt - und dann mischt sich noch der Botschafter und der Vertraute der Queen in den Streit der Familie Goode ein.

Währenddessen baut man seine Siedlung weiter aus, beantragt eine Lizenz um eigene Schiffe in der Werft bauen zu können und rettet Schiffbrüchige aus den Fluten, bis sich der werte Onkel wieder aufdrängt und die Auslieferung von politischen Gefangenen fordert. Nun darf man sich entscheiden, ob man seinem Gesuch nachkommt oder einen Blick in den versiegelten Umschlag wirft und dabei herausfindet, dass Edvard seine Kritiker loswerden möchte ...

Aufwändig inszenierte Kampagne

Für Gebäude auf der Artisanen-Stufe werden Fenster als neues Bauelement gebraucht. Artisanen selbst essen gerne Gulasch aus Konservendosen und brauchen Nahmaschinen. Entsprechende Produktionsketten müssen schrittweise etabliert werden.

Mehr soll an dieser Stelle nicht über die erste Stunde in Anno 1800 verraten werden - und viel mehr ließ sich tatsächlich nicht anspielen. Für ein Aufbau-Strategiespiel ist die Story-Präsentation mit ausführlichen Kameraflügen und aufwändig animierten und vertonten Nicht-Spieler-Charakteren (derzeit nur in englischer Sprache; deutsche Sprachausgabe ist geplant) ziemlich stark. Obgleich es so wirkt, als wären die Rollen in der Geschichte ziemlich klar verteilt, bleibt die Hoffnung bestehen, dass  es noch die eine oder andere Überraschung oder einen Konflikt mit der Queen gibt. Hinzukommen um Abwechslung bemühte Aufgaben zur Auflockerung des Siedlungsaufbaus. Insgesamt ist der Auftakt wirklich gelungen und macht Lust auf mehr. Über den Umfang der Kampagne ist bisher nichts bekannt, aber man wird das Story-Szenario nach dem Abschluss im Sandbox-Modus weiterspielen können.

Abseits der Kampagne konnte in der Preview-Version im Freien Spiel eigenhändig die "Neue Welt" erobert werden. Hat man in der "Alten Welt" die dritte Bevölkerungsstufe, die Artisanen, erreicht, klopft alsbald ein expeditionslustiger Kapitän an und möchte unbekannte Gewässer erkunden.

Eroberung der Neuen Welt

Ist man für solch eine Entdeckungsreise offen, muss man ein eigenes Schiff dafür abstellen. Dies muss mit Waren beladen werden, damit die Seeleute auf hoher See überleben und mit unerwarteten Problemen klarkommen können. Für die erste Tour werden zum Beispiel Holzbretter, Schnaps und Würstchen eingepackt, bis die "Moralleiste" des Schiffes als Erfolgsindikator gefüllt und zumindest die gröbsten Risiken aus der Welt geschafft sind. Auch "Gegenstände" wie Diplomaten oder Ärzte können mitgenommen werden, um die Erfolgschance zu erhöhen, sofern man sie zum Beispiel bei Nicht-Spieler-Charakteren gekauft hat.

Mit dem Schiff über den großen Teich

Die Expedition in die Neue Welt beginnt.

Auf dem Weg in die Neue Welt geschehen immer wieder Ereignisse, auf die man reagieren muss. Bei diesen Events müssen Entscheidungen getroffen werden, welche die Erfolgsaussichten der Mission beeinflussen und von den mitgenommenen Waren bzw. Items abhängen. So kann es sein, dass das Schiff auf einen königlichen Inspektor trifft, der die Ladung gerne durchsuchen möchte und mit dem Fund nicht wirklich zufrieden ist. Oder es passiert ein Unfall auf hoher See und man muss entscheiden, was mit einem Seemann geschehen soll, dessen Bein unter einem umgestürzten Mast einklemmt wurde. Leider sind die Texte bei den Expeditionsereignissen bisher nicht vertont. Ein stimmgewaltiger Erzähler hätte sich dort förmlich angeboten.

Im späteren Spielverlauf wird man Expeditionen starten können, um Piraten zu jagen, wertvolle Ausstellungsobjekte für das Museum zu beschaffen oder die Artenvielfalt im eigenen Zoo auszubauen. Sowohl die modular ausbaubaren Kulturgebäude (Museum und Zoo) als auch die klassischen Ornamente steigern die Attraktivität der Stadt, wodurch zahlungswillige Touristen angelockt werden. Demnach zahlt es sich erstmals in der Anno-Serie aus, wenn man eine schöne Stadt baut.

Durch die bessere Visualisierung der Marktkarren sind Abholung und Transport der Waren nun transparenter.

Gelingt die Entdeckung der neuen Welt, darf man sie mit dem Schiff erkunden und dort eine Kolonie aufbauen, die im Prinzip wie in der "Alten Welt" funktioniert. Beide Siedlungen laufen fortan parallel in den aus Anno 2205 bekannten Sessions. Diesmal wollen sich die Entwickler aber mit dem Session-Einsatz stärker zurückhalten, damit alles übersichtlich bleibt und man nicht zu oft hin- und herspringen muss. Auch die Ladezeiten sollen kaum ins Gewicht fallen. Alternativ soll man nicht dazu gezwungen werden, die "Neue Welt" zu entdecken, da sich die Rohstoffe aus Übersee bei lokalen Händlern einkaufen lassen.

Mehrere Inseln in mehreren Sessions

Die Siedlung in der Neuen Welt funktioniert wie auf dem alten Territorium, abgesehen davon, dass es andere Rohstoffe und Bedürfnisse der Einwohner - wie zum Beispiel gebratene Kochbananen als Grundnahrungsmittel - gibt. Zudem ist der Bauplatz auf den Neulandinseln eingeschränkter, da die Inseln zerklüfteter sind und sich zumeist Flüsse durch das Areal schlängeln. Auch in der Neuen Welt lassen sich mehrere Inseln in einer Session besiedelt, die untereinander Handel treiben können, falls eine Insel zum Beispiel keine Fruchtbarkeit für Bananen bietet. In der Neuen Welt kann man selbst Rohstoffe sammeln, die für fortgeschrittene Waren in der Alten Welt erforderlich sind, muss diese aber erst über den großen Teich kutschieren.

Die Zeitung "Anno Chronicles" kann vor dem Erscheinen noch angepasst werden, sofern man bereit ist, dafür Einfluss auszugeben.

Neu ist ebenfalls, dass die Presse eine Rolle bei der Zufriedenheit der Einwohner spielt. In regelmäßigen Abständen klopft der Chefredakteur der lokalen Zeitung an und fragt, ob er die neue Ausgabe veröffentlichen darf. In den Zeitungen werden in der Vergangenheit geschehene Ereignisse in der Stadt aufgegriffen, zum Beispiel ein Feuer oder die Ankunft der ersten Artisanen. Sämtliche Artikel (drei an der Zahl) beeinflussen zum Beispiel die Zufriedenheit, das Einkommen oder die Produktivität. Ist man mit einem Artikel nicht zufrieden, können bestimmte Abschritte editiert werden, was allerdings mühsam gewonnenen Einfluss für Propagandazwecke kostet.

Das Wort der Presse

Ausblick

Ubisoft Blue Byte ist mit Anno 1800 voll auf Kurs. Der siebte Teil der Reihe könnte es nach den beiden Zukunftsausflügen schaffen, den bisherigen Serien-Spitzenreiter (1404) vom Thron zu stürzen. So hat die aufwändig inszenierte Kampagne mit persönlicher Note eines Familienunternehmens bisher einen außerordentlich guten Eindruck hinterlassen und mit Schiffbau, Seekämpfen, Gegnern im gleichen Sektor und sinnvoller Städteattraktivität gibt es im Freien Spielmodus viel zu tun. Hinzukommen modular erweiterbare Großprojekte, eine Gesundschrumpfung der parallelen Sessions, ein erstaunlich hoher Wuselfaktor und schicke Expeditionen, die sich hoffentlich nicht zu schnell wiederholen oder nerven. Trotzdem ist es bedauernswert, dass es in der Anno-Welt immer noch keine Jahreszeiten oder Katastrophen abseits von Feuerausbrüchen gibt. Und obwohl Ubisoft die letzten beiden Bevölkerungsstufen, größere See-Schlachten und den Mehrspieler-Modus bisher unter Verschluss hält, bin ich schon jetzt sehr angetan von Anno 1800.

Einschätzung: sehr gut (Fit4Hit)