The Sinking City - Vorschau, Rollenspiel, Switch, PlayStation4, PC, PlayStation5, XboxSeriesX, XboxOne
Das erste Kapitel von The Sinking City (ab 11,64€ bei
Wer Visionen hat, soll nach Oakmont gehen...
Vor der Ankunft darf man sich ein wenig an Bord umsehen, nicht nur eine Pistole und eine Kamera, sondern auch
Schießpulver sowie andere Zutaten einsammeln, mit denen man später u.a. Patronen herstellt – ohne Crafting geht es scheinbar nicht mehr. Und auch Erfahrungspunkte werden gesammelt, so dass Reed irgendwann aufsteigen kann, um sich in den Bereichen Kampf, Körper oder Geist sowie den damit verknüpften Fähigkeiten zu verbessern. Wenn man sich umsieht, erkennt man umgehend Icons, die einen auf interaktive Objekte hinweisen. Etwas ungewöhnlich ist die Steuerung bei der Aufnahme: Vor einem Schrank muss man eine Taste gedrückt halten, damit er geöffnet und gleichzeitig geplündert wird. Hat man in einem Raum alles Wichtige gefunden, wird das übrigens angezeigt.
Das weiß man später zu schätzen, denn auch wenn The Sinking City als offene Welt konzipiert wurde, geht es neben der Action vor allem um investigative Ermittlungen an lokalen Schauplätzen. Die Erkundunf von Oakmont geht Reed mit Unterstützung von Johannes van der Berg an, der ihn am Hafen abholt und als einheimischer Berater fungiert. Er soll als eine geheimnisvolle archetypische Gestalt mit etwas zu offensichtlichen Bezügen zum "König in Gelb" aufgebaut werden. Das ist eine Kurzgeschichte von Robert W. Chambers aus dem Jahr 1895, die auch H.P. Lovecraft inspirierte. Wirklich überzeugend wirkte das noch nicht, aber vielleicht wird das ja in den kommenden Kapiteln interessanter.
Affengesichter und Fischköppe
Auf jeden Fall will Reed nicht nur die Stadt, sondern auch die Ursprünge seiner eigenen Visionen ergründen – dabei soll ihm ein Herr Throgmorton helfen. Auf dem Weg dorthin kann man die durchaus ansehnliche Kulisse auf sich wirken lassen, die bei
Dauerregen das verfallene Hafenviertel mit vielen Zeichen der Verwesung und des Verfalls zeigt. Schon nach wenigen Metern begegnet man nicht nur Fischkadavern, sondern einem durchgeknallten Kultisten, der am Kai betet. Spricht man ihn an, passiert nichts. Und wenige Minuten später kommen Affengesichter, Fischköppe sowie mutierte Monster hinzu, so genannte Wyldebiester...
Was ich mit diesem Vorgriff sagen will: Die Regie wirkt im Einstieg überhastet, teilweise plump. Obwohl man nach Oakmont reist, um ein Mysterium aufzuklären, wird selbiges nicht etwa behutsam aufgebaut, wie man es aus H. P. Lovecrafts Erzählungen kennt, wo sich Ahnungen und Anzeichen langsam verdichten. Hier geht es sehr schnell zur Sache, zumal man als Fremder auch sofort in Ermittlungen einbezogen wird.
Immerhin zeigt sich auch bald die unterhaltsamere Seite dieses Abenteuers auf der investigativen Seite. Man wird frühzeitig in einen ersten Fall verwickelt, an dem die rivalisierenden Throgmortons und die Fischköppe aus Innsmouth beteiligt sind - die flohen übrigens aus ihrer verbrannten Stadt und werden jetzt als Flüchtlinge abschätzig behandelt. Das ist zumindest eine interessante Verknüpfung zu Lovecrafts berühmter Erzählung "The Shadow Over Innsmouth" aus dem Jahr 1936. Mal abwarten, inwiefern dieser offen zur Schau gestellte Rassismus der Einwohner noch eine Rolle spielt.
Investigative Ermittlungen
Man soll jedenfalls einen vermissten Mann finden, also sucht man nach Hinweisen in der Nähe und erkundet Spuren in einem Lagerhaus – worüber sich die anwesende Polizei nicht wundert, obwohl man an einem Tatort unterwegs ist. Dabei kann man
Anwesende befragen und Gegenstände näher untersuchen, wobei Reed seine Gedanken in inneren Monologen mitteilt, aber auch von Visionen heimgesucht wird, so dass die Grenzen zwischen Realität und Wahn verschwimmen. Hier deuten sich stimmungsvolle Potenziale an.
Reed kann auch das innere Auge einsetzen, um sich z.B. auf speziell markierte Punkte auf drehbaren Objekten zu konzentrieren, so dass sich Ereignisse aus der Vergangenheit zeigen. Hat man alle Hinweise gefunden, muss man sie wie in einem Puzzle in logische Zusammenhänge bringen. Manchmal muss man schattenhafte Schemen eines Tathergangs auch direkt vor Ort in der richtigen Reihenfolge als 1, 2 und 3 aktivieren. Manchmal geht es aber auch um Textbausteine im Menü: Dazu wählt man einen Hinweis aus und kombiniert ihn mit einem anderen - passen sie zusammen, ergeben sie ein Paar; passen sie nicht, wird das als falsch markiert.
Puzzle mit Hinweisen
Schön ist, dass man den Fall mit einer eigenen Schlussfolgerung abschließen kann: Hat der Mörder vorsätzlich gehandelt? Oder trifft ihn keine Schuld, weil er plötzlich unter nicht erklärbarem Wahnsinn litt? Je nachdem wie man sich entscheidet oder
was man dem Vater des Opfers berichtet, hat das Konsequenzen. Das können direkte Belohnungen sein oder auch Bemerkungen von Johannes von der Berg, die man dann in seinem Hotelzimmer findet. Gerade um dieses Gestalt, die Reed nach der Bewusstlosigkeit schonmal ins Hotel zurückbringt, könnte sich eine interessante Dramaturgie aufbauen.
Skeptischer bin ich bei der offenen Spielwelt, die man auch mit dem Boot erkunden kann. Ich habe noch viel zu wenig gesehen, aber das wirkte teilweise zu generisch, vor allem wenn es um infizierte Gebiete geht, die man säubern kann. Der Kampf wirkte noch recht spröde, das Figurenverhalten durchwachsen. Zwar reagieren die Bewohner darauf, wenn man Waffen zieht, außerdem schreiten Polizisten sofort ein, wenn man gewalttätig wird. Schön ist zudem, dass ein eigener Dialekt gesprochen wird, in dem Worte wie "Ve'ra" oder "Dain" oder "Kauil" zumindest für etwas linguistische Exotik sorgen - auch hier bin ich gespannt, ob das in Ermittlungen eingeflochten wird. Aber es kommt auch zu einigen unfreiwillig komischen Reaktionen, es gibt sehr viel Statik auf den Straßen sowie in Gasthäusern. Und selbst misstrauisch auftretende Wirte stört es nicht, wenn man direkt hinter ihrer Theke mal eben Kisten mit Schießpulver & Co plündert. Und das, obwohl der Dollar in Oakmont nichts wert ist, so dass alle mit Patronen als einziger Währung bezahlen...
Ausblick
The Sinking City hat mich nach dem Spielen des Einstiegs noch nicht überzeugt. Zwar gefällt mir die detektivische Recherche an Tatorten sowie das Rätseln mit Hinweisen, wobei auch paranormale Fähigkeiten und verstörende Visionen zum Einsatz kommen. Außerdem ist es schön, dass man schon in den ersten Stunden kleine Entscheidungen treffen kann, die Konsequenzen nach sich ziehen - wer weiß, was sich da noch ergibt. Allerdings lässt sich die Regie keine Zeit, um den Helden und die Mysterien geduldig aufzubauen. Man wird quasi sofort mit Kultisten, Monstern und Freaks konfrontiert - das Skurrile und den Schrecken dieses überfluteten Oakmond hätte H.P. Lovecraft wesentlich behutsamer eingeleitet. Auch das Crafting, der Kampf und das Verhalten der Bewohner in der offenen Welt wirken bisher eher spröde. Jetzt bleibt abzuwarten, ob sich mit der weiteren Erkundung des überfluteten Oakmont eine dichtere Atmosphäre ergibt, wie sich Reed als Charakter, die Rivalitäten der Einheimischen und vor allem die Geschichte weiter entwickelt.
Einschätzung: befriedigend
(Falls ihr euch für die Geschichte von H.P. Lovecraft interessiert, haben wir hier eine historische Einführung in sein Leben in Video-Form im Angebot.)