Assetto Corsa Competizione - Vorschau, Rennspiel, XboxOne, PlayStation5, XboxSeriesX, PlayStation4, PC

Assetto Corsa Competizione
10.05.2019, Michael Krosta

Vorschau: Assetto Corsa Competizione

Simulativer Motorsport für GT3-Fans

Wir sind zum Auftakt der SRO E-Sport GT Series zur Rennstrecke nach Monza gereist, um ein paar Probefahrten mit der fast finalen Version von Assetto Corsa Competizione (ab 24,99€ bei kaufen) zu absolvieren. Ob die Rennsimulation von Kunos Simulazioni den hohen Erwartungen gerecht wird und als offizielles Spiel der Blancpain GT-Serie überzeugt, klären wir in der Vorschau.

Mit Assetto Corsa ist den italienischen Simulationsexperten ein großer Wurf gelungen: Zwar ließ die etwas angestaubte Technik genauso einige Wünsche offen wie die dröge Karriere samt bockschwerer KI-Piloten und man vermisste einige Features wie ein dynamisches Wettersystem, aber hinsichtlich des grandiosen Fahrgefühls und exzellenten Force Feedbacks konnten nur wenige bei dieser Klasse mithalten. Entsprechend erfreute sich die Rennsimulation einer großen Beliebtheit unter Racing-Fans, die eine möglichst authentische Erfahrung hinter dem Steuer erleben wollten.

Neue Engine, neue Fahrphysik

Angesichts des Erfolgs war die Ankündigung von Assetto Corsa Competizione als logische Fortsetzung der Marke daher keine große Überraschung. Die Vermarktung als offizielles Rennspiel zur Blancpain GT-Serie und der Wechsel zur Unreal Engine inklusive der kompletten Neuentwicklung der Fahrphysik dagegen schon. Geplant war das alles nicht: Wie Marco Massarutto als Mitbegründer des Studios bei seiner Präsentation einräumte, wollte man ursprünglich nur leichte Modifizierungen an der eigenen Technik vornehmen und weiter auf das bewährte Physikmodell setzen.

Dass es doch anders gekommen ist, liegt laut Massarutto vor allem an der gesunden Portion Wahnsinn innerhalb des Studios. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Die von Grund auf neu entwickelte Fahrphysik zeichnet sich u.a. durch ein überarbeitetes Aerodynamiksystem und ein detailliertes Reifenmodell aus, bei dem nicht nur die Temperaturentwicklung und der Verschleiß, sondern z.B. auch die Verdrängung von Wasser auf nassen Pisten simuliert wird.

Grandioses Fahrgefühl

Das Fahrgefühl ist grandios! Genau wie der Vorgänger wirkt auch Competizione sehr authentisch, wenn man hinter dem Steuer sitzt. Schon unter trockenen Bedingungen muss man mit viel Gefühl auf Gas und Bremse agieren, doch auf nassem Asphalt werden die Fahrten endgültig zum Eiertanz, wenn man mit der schwindenden Bodenhaftung und gefährlichem Aquaplaning zu kämpfen hat. Generell erweisen sich die umfangreichen Setup-Optionen als wichtiger Schlüssel, um das

Bei Regen leidet nicht nur die Sicht: Insbesondere bei großen Pfützen ist Aquaplaning vorprogrammiert.
Optimum aus den Fahrzeugen herauszuholen. Neben drei vorgefertigten Einstellungen darf man selbstverständlich wieder selbst Hand anlegen und an Fahrwerk, Flügeln und der Elektronik herumschrauben.

Mit dem Umstieg auf die Unreal Engine hat das Studio nicht nur die grafische Qualität hinsichtlich Streckendetails und Wagenmodellen massiv aufgebohrt sowie die Klangkulisse eindrucksvoll modernisiert, sondern bietet endlich auch Features, die man im Vorgänger noch schmerzlich vermisst hat. Vor allem das dynamische Wettersystem stellt eine enorme Bereicherung dar und sieht nicht nur fantastisch aus, sondern kann wie in der Realität den Rennverlauf auf den Kopf stellen. Zudem sind endlich auch Nachtrennen sowie Übergänge zwischen den Tageszeiten möglich, die man optional via Zeitraffer beschleunigen kann.

Wetterkapriolen

Neben der überarbeiteten Fahrphysik und modernen Technik markiert das neue Einstufungssystem den größten Fortschritt. Es trägt nicht nur dazu bei, mit Bewertungen hinsichtlich Streckenkompetenz, Konsistenz und Wagenkontrolle ein Spiegelbild der eigenen Leistungen zu zeigen, sondern liefert mit visuellen Markierungen sogar Anmerkungen in Echtzeit, was man gerade falsch gemacht hat und wie man sich als Fahrer verbessern kann. Zwar arbeitet das System noch nicht perfekt und wertet manchmal fragwürdig, doch das grundlegende Konzept ist klasse.

Virtueller Motorsport

Neben den Fahrerwertungen gibt es außerdem drei separate Einstufungen für den kompetitiven Bereich. Das Safe Rating zeigt z.B. an, ob ein Spieler in Positionsduellen sich fair verhält oder immer wieder in Kollisionen verwickelt ist. Die Wertung für Racecraft ist dagegen ein Indikator dafür, wie clever man sich in Zweikämpfen positioniert und wie erfolgreich man die Überholmanöver abschließt. Als drittes gibt es außerdem eine Competition-Einstufung, zu der es noch keine konkreten Infos gibt. Man kann aber davon ausgehen, dass es sich hier um einen Wert handeln dürfte, der den generellen Erfolg des Piloten widerspiegelt, darunter z.B. Siegquoten oder Startplätze in der Qualifikation inklusive der Relation zur endgültigen Position.

Im Mehrspieler-Rennen offenbarte auch das kompetitve Einstufungssystem leider noch Schwächen: Bei der Überrundung weigerte sich einer der Teilnehmer partout, den Führenden passieren zu lassen. Stattdessen ignorierte der Rowdie konsequent alle blauen Flaggen, saß die auferlegte Zeitstrafe einfach nicht an der Box ab und blockierte entweder die Überholversuche oder rempelte den Erstplatzierten mutwillig von der Piste. Was im realen Motorsport ohne Zweifel eine schwarze Flagge und vermutlich eine Sperrung auf Lebenszeit nach sich gezogen hätte, blieb hier ohne Konsequenzen, abseits einer Disqualifikation nach dem Rennen. Realismus hin oder her: Hier muss das System schon vorher eingreifen und

Derzeit tummeln sich bis zu 30 Fahrzeuge auf den Strecken.
Spielverderber nach zu vielen Verstößen entweder in einen Geisterwagen verwandeln oder am besten gleich sofort aus dem Rennen entfernen.

Freie Fahrt für Pistenrowdies?

Den Fokus auf die Blancpain-Serie kann man sowohl mit einem lachenden als auch mit einem weinenden Auge betrachten: Auf der einen Seite ist es prima, ein offizielles Spiel zur attraktiven GT3-Meisterschaft haben, in dem allen realen Teams, Fahrer, Strecken und das Regelwerk vertreten sind. Auf der anderen Seite bietet Competizione mit dem beschränkten Fuhrpark nicht die Vielfalt des Vorgängers, in dem man sich auch hinter das Steuer von Fahrzeugen anderen Klassen und Rennserien klemmen durfte. Gleiches gilt für die Strecken: Zwar werden die zehn Pisten dank Laserscanning möglichst akkurat nachgebildet, doch vermisst man neben alternativen Layouts weitere Kurse wie die Nordschleife, die nicht Teil der Blancpain sind. Das ist zwar auf der einen Seite verständlich, aber trotzdem sehr schade.

Weniger Vielfalt

Geht man hart in die Eisen, bringt man die Bremsscheiben zum Glühen.
Obwohl wir bereits eine weit fortgeschrittene Version anspielen durften, war ein Blick auf die Meisterschaft und Karriere leider noch nicht gestattet – also genau jede Modi, bei denen der Vorgänger geschwächelt hat. So bleibt aktuell nur die Hoffnung, dass die Entwickler es bei Competizione besser machen und für Solo-Spieler abseits von Einzelrennen, Zeitfahren und Special Events noch genügend weitere Inhalte auffahren, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Einstellen darf man sich schon auf eine knackige KI, deren Können und Aggressivität sich derzeit getrennt in 20 Schritten einstellen lässt. Bereits auf niedrigen Stufen wird man durchaus gefordert, während man in höheren Schwierigkeitsgraden fast schon wie ein professioneller Rennfahrer hinter dem Steuer agieren muss, um mithalten zu können.

Die große Unbekannte

Ausblick

Assetto Corsa Competizione hat das Zeug, eine der besten Rennsimulationen im virtuellen Motorsport zu werden. Das Fahrgefühl mit Lenkrad ist phänomenal und erfordert vor allem beim Anbremsen und dem Reifen-Management noch mehr Feingefühl, wenn man die Kontrolle über die GT3-Geschosse behalten und seine Pneus nicht zu sehr belasten will. Auch das zu Beginn noch ernüchternde Force Feedback hat sich im Laufe des Early Access konstant verbessert und liefert mittlerweile klasse Rückmeldungen. Neben der aufgebohrten Technik bei Grafik und Sound sowie willkommener Features wie dem dynamischen Wettersystem oder Tag-/Nachtzyklus freue ich mich vor allem über die breit gefächerten Bewertungen und Einstufungen von Fahrern, die hoffentlich zu spannenden und fairen Onlinerennen beitragen werden, selbst wenn es nach dem Anspielen diesbezüglich noch Luft nach oben gibt. Dass durch die Beschränkung auf die Blancpain-Serie die Vielfalt des Vorgängers nicht erreicht wird, ist zwar verständlich, aber trotzdem bedauerlich. Ein großes Fragezeichen steht außerdem noch hinter den Spielmodi Karriere und Meisterschaft, die ich leider noch nicht antesten konnte. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Assetto Corsa Competizione für GT3-Fans wie mich alles auffahren wird, um stundenlang ans Lenkrad zu fesseln.

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit