Cyberpunk 2077 - Vorschau, Rollenspiel, XboxOne, Stadia, XboxSeriesX, PlayStation5, PC, XboxOneX, PlayStation4Pro, PlayStation4
Keine Angst: Im späteren Spielverlauf ging irgendwann doch noch der Punk ab, eine friedliche schleichlastige Vorgehensweise soll aber in etwa genau so eine hohe Erfolgschance mitbringen wie die rabiate Variante. Nach ein wenig Anpasserei im Editor (statt echten Klassen gibt es bekanntlich ein „Fluid Class System“, z.B. mit Vorgeschichten eines Nomaden, Straßenkindes oder Geschäftsmanns) hatten wir zunächst ein wenig Zeit, einen Eindruck von einem der sechs Distrikte und seiner Lebensrealitäten zu erlangen. Nicht jede Bande in Pacifica ist blutrünstig: Der erste Kontaktmann „Placide“ in einem besetzten verlassenen Hotelkomplex ist zwar ein Schlachter...
Erstmal durchatmen
...doch erstens bedeutet das in dieser Zukunft primär die Zubereitung von künstlich gezüchtetem Kulturfleisch und zweitens scheint sich die Gemeinschaft der Anwohner relativ friedlich mit ihren neuen Nachbarn arrangiert zu haben. In der Lobby floriert mittlerweile ein reger Handel mit elektronischen Gadgets und Daemon-Software (eine Art Virus). Wirklich wohl ist dem Protagonisten „V“ natürlich trotzdem nicht, als er sich für den Job dazu bereit erklären soll, dem Umbekannten Zugriff auf den geheimnisvollen Chip im Kopf zu gewähren.
Schwere Entscheidungen?
Hier und auch am nächsten Missionziel wirken Körpersprache und Dialoge angenehm unaufgeregt und authentisch – sofern man das aus heutiger Sicht in einer solchen Dystopie einschätzen kann. Mit dem eigenen Motorrad begibt sich V in einen verfallenen Einkaufskomplex, der ganz und gar nicht der hehren Vision der Städteplaner entspricht, die noch auf einem alten Hochglanzplakat zu sehen ist.
Angenehm bizarr wirkte z.B. ein Heli, der unaufhörlich in die oberen Stockwerke eines Wolkenkratzers ballert. Wahnwitziger Zeitvertreib? Ein Art private Razzia? Oder nur ein Übungs-Manöver? Die Antwort darauf werde ich wohl erst im finalen Spiel erfahren. Die Entwickler waren zudem stolz darauf, auch mal einen Ausblick im hellen Sonnenlicht zu präsentieren. Die speckig-transparenten Glasflächen und spiegelnden Oberflächen stehen der Kulisse richtig gut, andere Details wie die Unschärfe an den Bildrändern (oder war es chromatische Aberration?) störten mich eher.
Bizarr und verfallen
Kritiker fragten sich, ob es sich um einen Witz auf Kosten von Transgender-Personen handeln könnte - oder eine Art Satire auf die Kommerzialisierung im Zuge von Unternehmensinteressen (zur News).
Zurück zu wichtigeren Themen in der dystopischen Welt: Placides Gegenspieler der „Animals“-Gang können in ihrer Festung offenbar auf unterschiedliche Weise umgangen werden. Bei unserer Präsentation wurden Vs Kraftwerte für die Arme massenhaft verstärkt, so dass er einige hermetisch verriegelte Metalltüren einfach aufstämmte, wodurch sich Schleichwege für leise Kills eröffneten. Alternativ hätte er auch technisch verstärkte Charakter-Attribute wie Nahkampf, Durchsetzungskraft, Hacker-Skills, Können an der Shotgun oder körperliche Agilität aufrüsten können, um die Situation anders anzugehen. Zusätzlich kommen Umgebungsrätsel wie Pizza-Lieferungen für „Environmental Takedowns“ zum Einsatz.
Welche Stärken dürfen's sein?
Das kryptische Hacking-Minispiel mit diversen Zahlen habe ich auf die Schnelle nicht wirklich durchschaut, zumal es nicht all zu spannend inszeniert war. Besser gefiel mir der schwarze Humor, der sich dank manipulierter Fitness-Geräte entfaltete. Ein Pumper etwa musste dafür büßen, dass kein Spotter (also Aufpasser) in der Nähe stand, der ihm die urplötzlich maximal schwer eingestellte Hantelstange hätte vom Hals wuchten können. Seinem Partner wurde schon kurz vorher das Licht ausgeblasen, und zwar vom Sparrings-Partner aus Metall, der mal eben auf Klitschko-Bot umprogrammiert wurde. Als cooles vielseitiges Gadget erwies sich zudem die glühende Klavierseite, die zum Hacken oder als eine Art Peitsche zum Zerteilen aufdringlicher Gegner zum Einsatz kommt.
Kein Überläufer
Zum Schluss flogen endlich auch massenhaft Projektile durch die Luft, als es nach ein paar Schießereien gegen einen Boss zur Sache ging, der erstaunlich viel einstecken konnte und beherzt mit einem großen Hammer zukloppte. Einige Schüsse auf die Schwachstelle am Rücken schwächten ihn aber derart, dass er schneller als geplant das Zeitliche segnete. Daher startete auch nicht mehr der Dialog mit einer Möglichkeit für einen Finisher oder Gnade. Na ja, nicht so wild – im Gegenzug hatte V dann einen Hammer. Auch Keanu Reeves hatte zum Ende hin noch einen Auftritt; bei seinem Alter Ego könnte es sich um die KI in Vs Chip im Kopf handeln.
Surreales Ende
In einem ehemaligen Knotenpunkt des Kontinente umspannenden Maglev-Zugsystems konnten wir einen ersten Blick auf die „Brücke“ ins geheimnisvolle Deep Net werfen, aus dem bisher allerdings niemand zurück gekehrt sei. „Dahinter gibt es keine Grenzen mehr“ - so die messianische Verheißung – und der Auserwählte für die Überquerung könnte der Held V sein. Kurz vorher fiel auch der Name der legendären Netrunnerin Alt Cunningham, die an einer Art Unsterblichkeit durch Übertragung der Persönlichkeit arbeitete.
Ausblick
Die Vorführung zu Cyberpunk 2077 gehörte zu meinen stimmungsvollsten Momenten der Messe: Schön, dass CD Project Red den Zuschauern diesmal ein wenig Zeit einräumte, um durchzuatmen und einen tiefergehenden Eindruck von der lebendig wirkenden Welt und der Geschichte zu erlangen. Falls es im finalen Produkt so abläuft wie beim Vorspielen, dürften technische Upgrades und persönliche Entscheidungen eine wichtige Rolle dabei spielen, auf welche Weise man sich durch die Welt metzelt – oder eben nicht. Vor allem die unaufgeregt und relativ authentisch agierenden Figuren haben mir Lust auf mehr gemacht. Das Rollenspiel wird am 16. April 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich sein.
Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit