Sea of Solitude - Vorschau, Adventure, PlayStation4, Switch, XboxOne, PC
Wer ist hier eigentlich das Monster? Wie ein schwarzer Schatten bewegt sich ein Mädchen durch die überflutete Stadt, während ihre Augen rot funkeln. Man erkennt bis auf einen orangen Rucksack keine Kleidung, lediglich ihre schlanke Kontur. Sie heißt Kay und ist auf der Suche. Aber nach was? Was treibt sie auf ihrem Boot oder zu Fuß durch dieses fiktive Berlin? Warum erkundet sie wie ein verirrtes Wesen die Kanäle, Brücken und Straßen?
Weil sie einsam ist. Sie ist so schrecklich einsam, dass sie sich selbst vergessen hat. Aber sie sucht Verwandlung, indem sie sich ihrer Vergangenheit mutig stellt. Denn so idyllisch dieses Berlin in seinen Pastellfarben scheint, verbergen sich hinter den
Fassaden mit der teilweise authentischen Architektur alle nur vorstellbaren Ängste. Und die manifestieren sich in riesigen Monstern, die plötzlich auftauchen und in ihrem Design an so manche Kreaturen der Ghibli-Zeichentrickfilme wie Chihiro erinnern. Sie zischen ihre Vorwürfe wie Dämonen heraus und wirken überaus bedrohlich.Ähnlich wie in den Filmen von Hayao Miyazaki wechseln sich das Idyllische und Groteske, das Gemütliche und das Beängstigende auch in der Struktur des Spieldesigns ab. Man erkundet in Schulterperspektive so lange die düsteren Abschnitte mit ihrem miesen Wetter und lauernden Monstern, bis man die Ursache der Verdunkelung gefunden hat. Dabei handelt es sich um leuchtende Kerne, die von schwarzen Nebelschwaden umhüllt werden. Diese kann man wie ein Ghostbuster in den Rucksack aufsaugen, um so etwas zu befreien - dann strahlt die Umgebung z.B. wieder in hellen Farben.
Dabei folgt sie zunächst einer mysteriösen goldenen Gestalt, mit der sie über sich und die Welt diskutiert - übrigens auf Englisch mit optionalen deutschen Untertiteln. Trotz der Berliner Wurzeln und Motive haben sich die Entwickler dazu entschlossen, das Spiel nicht komplett zu lokalisieren.Ghibli lässt grüßen
Noch bleibt abzuwarten, inwiefern die vielen Motive und Symbole zu einem erzählerischen Ganzen führen und ob der spielerische Anspruch noch steigt. Zu Beginn kann Kay im Boot herum schippern sowie an Land rennen, klettern und springen. Außerdem kann sie Licht wie eine Art Fackel werfen, um Bereiche vor sich aufzuhellen und muss auch aktiv ausweichen, sonst wird sie von so manchem Monster gefressen. Trotzdem steht dieser Titel eher in der Tradition der interaktiven Erzählspiele als jener der klassischen Action-Adventure.
Ausblick
Sea of Solitude wirkt schon im Einstieg wie ein modernes Märchen. Aber es scheint kein kitschiges à la Disney zu sein, sondern eines in der Tradition der Gebrüder Grimm, in dem die Monster ihre Zähne zeigen und Symbole für einen tieferen Sinn sorgen. Die ersten Erkundungen mit Kay wirken ästhetisch überaus souverän, so manche Wechsel zwischen Idylle und Gefahr sowie das Monsterdesign erinnern ein wenig an die Zeichentrickfilme der Ghibli Studios. Und vor allem wird erzählerische Neugier geweckt, denn jede Begegnung mit einer der Kreaturen erzählt etwas über den Kampf der Heldin gegen ihre Einsamkeit. Ein Spiel zu designen, das so offensiv mit den eigenen Ängsten und Rückschlägen umgeht, erfordert viel Mut. Titel wie Actual Sunlight, Papo & Yo oder Hellblade haben auf ganz unterschiedliche Art gezeigt, dass dieses Medium auch ernste Geschichten meistern kann. Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses Abenteuer über die nächsten Stunden entwickelt.
Einschätzung: gut