World of WarCraft: Shadowlands - Vorschau, Rollenspiel, PC
Nein, Battle for Azeroth war nicht mein Fall! Trotz der schön gestalteten Welt und vieler guter Instanzen fehlte mir in der siebten Erweiterung ein roter Faden, der erst (zu spät) mit N'Zoth auftauchte. Die Insel-Expeditionen, die vergessenswerten und zahlenmäßig spärlichen Kriegsfronten und die überflüssigen "Verbündeten Völker" als Bloatware ergaben meiner Ansicht nach kein kohärentes Ganzes. Mit dem langweiligen Herz von Azeroth und den furchtbaren Azerit-Gegenständen, die Artefakt und Set-Gegenstände ersetzen sollten, stehe ich ohnehin auf Kriegsfuß, obgleich die verderbten Gegenstände (Patch 8.3) wieder nette Ideen einbrachten. Hinzu kamen Probleme mit der Nachvollziehbarkeit der Geschichte zwischen Allianz und Horde, Macken bei der Inszenierung und das Gefühl, dass sich die Geschehnisse aus Mists of Pandaria wiederholen könnten. All das führte dazu, dass ich seit dem Europa-Start von World of WarCraft (2005) erstmals langfristig aufgehört habe, das Online-Rollenspiel zu spielen. Die Luft war einfach raus! World of WarCraft Classic wirkte in dem Zusammenhang wie ein rustikaler Abstecher in die "gute alte Zeit", in der alles langsam und umständlich, aber irgendwie auch charmant und ungehobelt war.
Das Ende der Schlacht um Azeroth
Da die Geschichte von Battle for Azeroth mit dem Update 8.3 "Visionen von N'Zoth" (ab dem 15. Januar 2020) abgeschlossen wird (wir berichteten), richtet sich der Blick endgültig in die Zukunft. Noch in diesem Jahr wird die achte Erweiterung World of WarCraft: Shadowlands erscheinen und im Gegensatz zum wilden BfA-Potpourri wirkt das Gesamtbild der "Schattenlande" durchdachter und kohärenter.
Nach dem Krieg kommt der Tod ...
In Shadowlands reist man nicht zu einem entfernten Kontinent oder zu einer neu entdeckten Insel. Man betritt das Reich des Todes, denn Sylvanas hat (warum auch immer) den Helm der Herrschaft des Lichkönigs zerstört und dadurch den Schleier zwischen Leben und Tod durchstoßen - was der Cinematic-Trailer, der während der Eröffnungszeremonie der BlizzCon 2019 gezeigt wurde, eindrucksvoll zeigte.
Der erste Durchgang ist linear
In Shadowlands startet die Reise in der Bastion und wird in Maldraxxus, dem Ardenwald und Revendreth fortgesetzt, bevor das Endgame-Gebiet "Der Schlund" seine Pforten öffnet. Der Schlund soll ähnlich komplex und aufwändig wie Suramar aus Legion werden. Hier wird man sich mit dem Kerkermeister als zentralen Gegenspieler anlegen, der den Spieler-Charakter mit aufmerksamen Schemenhunden (hohe Bedrohungsreichweite) und Todesschwadronen jagen soll. Der Kerkermeister (eng. "Jailer") soll eine gänzlich neue Figur sein.
Die einzige Zone, die ich bereits anspielen konnte, war die Bastion, also das erste Shadowlands-Gebiet. Das in Goldtönen gehalten Areal protzt mit strahlendem Himmel, ätherischen Landschaften und prunkvollen Gebäuden. In dem paradiesisch wirkenden Gebiet beginnt früher als später der normale Questalltag, nachdem man sich die besondere Bewegungsfähigkeit für das Gebiet von den Kyrianern abgeholt hat (Animagestalt: Tempo erhöht, Fallgeschwindigkeit reduziert, Vorwärtsschub; 1 Minute Cooldown).
Erste Schritte in der Bastion
Im Anschluss jagt man Gegner, sammelt Gegenstände wie Pflanzenteile, kämpft gegen (rare) Kreaturen und läuft von Questhub zu Questhub. Viele Quests befassten sich thematisch mit dem Tod. In einer Questreihe musste sich mein Jäger z.B. zunächst "rituell waschen", andere Kleidung anlegen und danach gegen die beschworenen dunklen Gedanken aus dem Unterbewusstsein kämpfen - oder gegen wilde Erinnerungen aus vergangenen Zeiten.
Einmal musste auch eine Rüstung in einer Schmiede hergestellt werden, indem man die richtige Reihenfolge die Steuerelemente der Schmiede anklickt und später Übungskämpfe mit Zenturionen bestreiten. In dem wirklich stimmungsvollen Gebiet stellt sich die altbekannte Routine ein. World of WarCraft bleibt World of WarCraft und auch am stark geführten Spielgefühl hat sich nichts geändert. Questgebiete, Gegner und die relevanten Gegenstände sind der Einfachheit halber klar gekennzeichnet und auf der Karte markiert - kein Vergleich zu WoW Classic. Vieles ist auf vergleichsweise hohes Tempo und "leichtes Spiel" ausgelegt.
Von Pakten und Seelenverbindungen
Je nach Pakt-Wahl erhält man Zugriff auf das jeweilige Sanktum mit einem Missionssystem à la Legion und BfA, zwei neue aktive Fähigkeiten (eine Bewegungsfähigkeit und eine Kampffähigkeit je nach Klasse), ein aufwertbares Reittier, entsprechende Ausrüstung und eine ausgedehnte Storykampagne. Das Konzept der Pakte erinnert an die Klassenhallen und die klassenbezogenen Inhalte aus Legion, nur kondensiert in vier Fraktionen, deren Unterschiedlichkeit und Nützlichkeit sich je nach Klassenrolle noch beweisen muss.
Fortschritt dank Seelenbande
Die Auswahl von Pakt und Seelenbande könnte außerdem stärker vom Effizienzdenken (Was macht meinen Charakter am stärksten?) und weniger von tatsächlichen Rollenspielaspekten oder Interessen (Welche Figur finde ich am interessantesten?) beeinflusst werden. Ich bin gespannt, wie und ob Blizzard dieses Problem lösen wird. Hoffentlich wird es nicht darauf hinauslaufen, nur Figuren einzubauen, die keiner bislang kennt.
Geht man mit einem Zweitcharakter in die Schattenlande, kann man sofort zu Beginn einen Pakt nach der Ankunft in Oribos auswählen, sofern man mit dem Hauptcharakter die Höchststufe erreicht hat. Somit hat man früher die paktspezifischen Vorteile und kann zudem die vier Gebiete in beliebiger Reihenfolge durchqueren.
Zu den neuen und wichtigen Endgame-Inhalten gehört Torghast, der Turm der Verdammten im Schlund. Der Turm ist ein unendliches, sich veränderndes Dungeon mit Roguelike-Mechaniken, das man alleine oder mit bis zu fünf Spielern betreten kann. Der Schwierigkeitsgrad wird dynamisch an die Größe der Gruppe und die Klassenrolle angepasst und je weiter man von Stockwert zu Stockwerk vordringt, desto höher steigt der Schwierigkeitsgrad. Die ersten Testläufe für diese prozedural generierten Inhalte waren die Insel-Expeditionen und die Visionen in Battle for Azeroth sowie der Magierturm in Legion.
Neulich im unendlichen Dungeon
Bei jedem Besuch des Turms ändern sich die Anordnung der Räume, die Gegner, die Fallen und die Belohnungen. Eine zeitliche Beschränkung im Turm gibt es zum Glück nicht. Im Gemäuer findet man "Anima", mit dem man seinen Charakter während des Turmaufenthalts verstärken kann. Man kann z.B. wählen, ob die Gesundheit (mehr Lebensenergie) oder die Meisterschaft (mehr Schadenspotenzial) erhöht werden soll. Auch aktive Fähigkeiten wie eine "Verderbnisantenne" (Schaden-über-Zeit-Effekt) oder "Schatteniris" (Trefferchance-Debuff) wird man finden können. Diese Verbesserungen gelten nur solange man sich im Turm befindet. Bestimmte Events sollen die Besuche im Turm zusätzlich interessanter machen.
Neben Torghast sind acht Dungeons für fünf Spieler zum Verkaufsstart geplant - vier Dungeons werden beim Leveln zur Verfügung stehen, vier weitere Dungeons auf der Höchststufe. Der erste Schlachtzug ist das "Schloss Nathria" in Revendreth mit zehn Bossen.
Legendäres im Eigenbau
Mehr Auswahl ist ebenfalls das Stichwort für die "wöchentliche Beutetruhe". Fortan darf aus drei Gegenständen oder einer Ressource gewählt werden. Die Herstellungsberufe zudem sollen mehr Möglichkeiten bieten, einen bestimmten Gegenstand mit gewünschten Werten herzustellen. Ob sammelbare Ausrüstungssets mit Set-Bonus-Effekten zurückkehren werden, konnten mir die Entwickler in einem Interview nicht endgültig beantworten. Da die sammelbaren Sets mit ihren klassenspezifischen Boni für mich ein zentraler Motivationsfaktor waren, hoffe ich stark, dass sie diesen Designfehler aus Battle for Azeroth ausbügeln werden. Die Beuteoption "Plündermeister" wird keinesfalls wiederkommen.
Mehr Klasse für die Klassen
Passend zu Shadowlands bekommen Paladine ihre Auren wieder, Schamanen dürfen Totems aufstellen, Hexenmeister dürfen kräftig Fluchen (abseits vom Chat), das "Ritual der Verdammnis" durchführen oder den "Dämonischen Zirkel" nutzen, Schurken können Waffen mit Giften einreiben und Jäger dürfen Ziele mit einem Mal des Jägers belegen, durch die Augen des Wildtiers blicken oder den "Tödlichen Schuss" einsetzen. Es sollen auch Fähigkeiten zurückkehren, die sich nach den angelegten Waffen richten, z.B. Krieger mit Waffen-Spezialisierung für Zweihänder und Verstärker-Schamanen mit zwei Einhandwaffen. Die Stärkung der Klassen-Individualität ist ein guter Ansatz. Eine neue Klasse ist übrigens nicht geplant.
Nach zwei Itemsquishs (Rücksetzung der Gegenstandsstufen; vor Warlords of Draenor und Battle for Azeroth) wird erstmalig die Stufenbegrenzung zurückgesetzt. In Battle for Azeroth war die maximale Stufe 120. In den Schattenlanden wird man auf Stufe 50 anfangen und sich bis auf Level 60 hocharbeiten. Die Entwickler wollen, dass die einzelnen Level-Ups bedeutsamer werden sollen und jeweils etwas Neues für den Charakter freischalten. Die von Stufe 120 auf 50 zurückgesetzten Charaktere sollen keinesfalls schwächer sein und werden weiterhin Zugriff auf die bisherigen Inhalte haben. Alle Dungeons, Gebiete und Schlachtzuge werden entsprechend angepasst, damit man auch weiterhin "alte Inhalte" besuchen kann.
Die Zurücksetzung der Stufen und der Beginn im Exil
Die Stufen-Rücksetzung und die Vereinfachung des Level-Ups richtet sich primär an neue Spieler. Hierzu gehört ebenso "Das Exil" als Startgebiet für neue WoW-Spieler bis Stufe 10. Unabhängig von Volk, Rasse oder Klasse besucht man eine (wahrscheinlich belebtere) Insel, auf der ein Totenbeschwörer der Oger versucht, einen Drachen wiederzubeleben. Abgeschlossen wird der neue Auftakt mit einem Mini-Dungeon (keine vollständige Gruppe erforderlich). Kehrt man aus dem Exil zurück, geht es für Neulinge mit der jeweils vorherigen WoW-Erweiterung weiter, in diesem Fall wäre das Battle for Azeroth (von 10 bis 50). Danach geht es in die Schattenlande.
Ausblick
World of WarCraft: Shadowlands hinterließ bisher einen besseren und durchdachteren Ersteindruck als World of WarCraft: Battle for Azeroth, das im Nachhinein betrachtet mit Warlords of Draenor und Cataclysm um die Krone der schlechtesten Erweiterung kämpft. Auch wenn ich Sylvanas nicht mehr sehen kann und ihren Handlungsstrang nur mäßig interessant finde, stecken in den Shadowlands gute und kohärente Ideen um die Thematik Leben und Tod. Die Bindung an einen Pakt und der Ausbau des Charakters via Seelenbande erinnern an die Klassenhallen aus Legion, wobei sich Endgame-Fortschritt und Seelen-Balance noch beweisen müssen. Gut gefällt mir Torghast als Endlos-Dungeon mit Farmcharme, der direkte Einfluss auf die Belohnungen und die notwendige Rückbesinnung auf die Individualität der Klassen. Trotzdem sollte man nicht erwarten, dass Shadowlands an dem grundlegenden WoW-Spielablauf irgendetwas verändert. Das gewohnte Rad dreht sich weiter und viel temporeicher als in World of WarCraft Classic. Viele Aspekte sind aber noch unklar, z.B. ob die Set-Gegenstände zurückkehren werden, wie wichtig ist Pakt-Wahl wirklich ist, ob im Schlund (Endgame-Gebiet) das Bekannte nur wiederholt wird und wie umfangreich die Seelenbande letztlich ausfällt. Die Ideen sind gut, jetzt kommt es auf die Ausführung an und hierbei haperte es in WoW schon öfters ...
Einschätzung: gut